Boris Meyn – Der eiserne Wal

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    Inhalt: Zwei Themen beherrschen die Diskussionen in Hamburg in diesem Sommer 1862: der Ausbau des Hafens für die Dampfschiffe und die Auswanderer. Widerstreitende Interessen prallen in jeder der beiden Angelegenheiten aufeinander, wegen Ämterhäufung bei den Mitgliedern der wichtigen Familien auch schon mal in einer einzigen Person. Im Zuge des Hafenausbaus sollen auch Dampfkräne errichtet werden, die verschiedenen Anbieter wurden gebeten, ihre Modelle vor Ort vorzuführen. Deshalb kommt auch Charles Parker von der englischen Firma Appleby Bros. nach Hamburg, wird aber am Morgen nach seiner Ankunft zwischen den Kisten mit seinem Kran erschlagen aufgefunden. Commissarius Bischop muß die Ermittlungen übernehmen, dabei stößt er auf die Verflechtungen, Interessengegensätze und Gechäftemachereien rund um den Hafenausbau, die er aus politischen Gründen, wie er sehr wohl weiß, nicht an die Öffentlichkeit holen darf. Währenddessen verfolgt sein Sohn Sören ein ganz eigenes Abenteuer: Für wen ist die russische Nachricht in der Flaschenpost, die er gefunden hat? Und als er den Adressaten findet, findet er noch etwas ganz anderes, das den schiffsbegeisterten Jungen sprachlos macht. Aber damit hat er sich auch selbst in Gefahr gebracht ...



    Meine Meinung: Bekanntermaßen bin ich kein versierter Krimileser und verirre mich eher selten in dieses Genre. Auslöser dafür, dieses Buch mal einer Bookcrossing-Bookbox zu entnehmen, war denn auch weniger der Kriminalfall, sondern die Stichworte Hamburg und Hafen. Ich wollte hier vor allem etwas über die Geschichte des Hamburger Hafens mit einer spannenden Story drumherum lesen, und ich glaube, diese Prioritäten waren gut. Denn trotz mangelnder Vergleichsobjekte würde ich sagen, daß der Kriminalfall selbst nicht so sehr im Mittelpunkt steht und auch nicht so spektakulär ist, daß man den Roman deswegen lesen sollte.


    Spannend fand ich vor allem die Ausführungen zum Hafenausbau in einer Zeit des Übergangs im Schiffsbau, von Holz- zu Stahlschiffen, von Seglern zu Dampfern. Und da ich durchaus nicht nur etwas für Technikgeschichte, sondern auch etwas für Wirtschaftsgeschichte übrig habe, war die ganze Erzählung sehr nach meinem Geschmack, und ein bißchen sollte man wohl für diese Themen übrig haben, um Spaß an dem Roman zu finden. Die Zusammenführung von letztlich drei Aspekten: Hafenausbau, Auswanderung und Sörens Entdeckung (über die ich hier nichts verraten will), kam mir am Ende zwar ein bißchen zu plötzlich, war aber in sich absolut logisch und nicht durch einen Deus ex machina verursacht, so daß ich damit keine Probleme habe.


    Gut gefallen hat mir auch, ein paar alte „Bekannte“ wiederzutreffen. Namen wie Woermann oder O'Swald sind sicher jedem ein Begriff, der sich mit deutscher Kolonialgeschichte beschäftigt hat. Und auch ein gewisser Ingenieur Lindley taucht hier namentlich wieder auf, nachdem Tom Finn ihn mir in Der Funke des Chronos schon vorgestellt hatte.


    Angereichert ist der Roman mit einer Karte des Hafengebietes vorne (auf der nur leider das Entziffern der Straßennamen manchmal etwas mühselig ist), einem Bildteil mit Photos und Bauplänen in der Mitte, sowie einem Glossar und einem Epilog, in dem Boris Meyn erläutert, was und wer Fakt bzw. Fiktion ist. Dazu kann ich nur sagen: Vorbildlich! So hätte ich das gerne immer.


    4ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Auch mir hat Der eiserne Wal sehr gut gefallen. Der Kriminalfall wird zwar angemessen dargestellt, nimmt aber neben den atmosphärischen Beschreibungen des Zeitgeschehens eher eine Nebenrolle ein. Besonders dessen Auflösung wird (für mich) erfreulich zügig abgehandelt. Es gelingt Meyn hervorragend, diese Zeit des Umbruchs einzufangen, Interessenkonflikte und politische Hintergründe darzulegen und die (technische und wirtschaftliche) Aufbruchstimmung festzuhalten. Das breit gefächerte Hintergrundwissen wird dabei geschickt eingeflochten und wirkt an keiner Stelle störend oder belehrend. Einzige Kritik hier ist, dass nicht weiter auf das Projekt zur Rettung Schiffbrüchiger eingegangen wird, das an einer Stelle Gesprächsthema ist. Epilog, Glossar und sonstiges Zusatzmaterial hat Aldawen zwar schon genannt, aber weil es tolle, jedoch leider nicht gängige Zugaben sind, erwähne ich es einfach nochmal. Insgesamt habe ich - neugierig geworden - nach der Lektüre sofort weitere Informationen zu bestimmten Themen und Personen recherchiert.
    Hinzu kommen greifbare Beschreibungen der Stadt selbst, man kann den Protagonisten durch die Straßen folgen (zur Not mit dem Finger auf dem historischen Stadtplan) oder mit ihnen in der Betrachtung eines prächtigen Wohnhauses versinken. Zu guter Letzt hat Meyn glaubhafte Protagonisten geschaffen und lässt auch einige bekannte Persönlichkeiten auftreten, ohne dass zu viel Prominenz die Glaubwürdigkeit der Handlung strapaziert.


    Auch wenn das Buch für mich eher ein historischer als ein kriminalistischer Roman ist, steht außer Frage, dass es äußerst unterhaltsam und kurzweilig ist. Ich freue mich nicht nur auf die bald beginnende Leserunde zu Die Schattenflotte sondern halte auch Ausschau nach den anderen Teilen.


    4ratten


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Freut mich, daß es Dir auch so gut gefallen hat, alles andere hätte mich aber auch ein bißchen gewundert :breitgrins:


    Bei der Ausschau nach den anderen Teilen kannst Du Die rote Stadt vorerst ignorieren. Das liegt schon bei mir und ich reiche es Dir nach Lektüre gerne weiter. Sollten Dir allerdings Der Tote im Fleet oder Der blaue Tod über den Weg laufen, darfst Du gerne auch an mich denken :zwinker: