I - Hölle; Gesang 1 - 11

Es gibt 27 Antworten in diesem Thema, welches 13.945 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Myriel.

  • Hölle - 6. Gesang


    Im dritten Kreis der Hölle befinden sich alle die Seelen, die der Völlerei gesündigt haben. Dieser Ort wird vom dreiköpfigen Untier Cerberus bewacht, der mit seinen drei Mäulern gleichzeitig auch ein Sinnbild der Schlemmerei darstellt.


    Dante wird hier auf Ciacco aufmerksam, der laut einer Anmerkung der Florentiner Schmarotzer ist, dem im "Dekameron" in der 8. Geschichte des 9. Tages ein Streich gespielt wird. Ich habe eben mal in unsere Dekameron-Leserunde reingeschaut, aber unsere Kommentare konnten meine Erinnerung an die Geschichte nicht wieder auffrischen. Wenn ich Muse habe, werde ich vielleicht nachher nochmal kurz die Geschichte lesen - oder zumindest die Zusammenfassung am Anfang. :breitgrins:


    Ciacco macht Dante dann eine Prophezeihung, wie es in ihrer Heimatstadt Florenz weitergehen wird, deren Bevölkerung in die Anhängerschaft der Familie Cerchi (die Weißen / die Neuen = Emporkömmlinge) und die Anhänger der Familie Donati (die Schwarzen, alter Florentiner Adel) gespalten ist. Im Mai 1300 bricht die Feindschaft der beiden Seiten auf einem Tanzfest aus und die blutige Fehde wird erst im Juni 1301 durch die Vertreibung der Schwarzen beendet. Diese kehren allerdings mit Hilfe von Papst Bonifaz VIII. zurück und vertreiben seinerseits die Weißen aus Florenz.


    Sowohl die Weißen als auch die Schwarzen waren früher in der Partei der Guelfen vereint, die eher demokratische Ansichten hatten und für die städtischen Freiheitsrechte kämpften. Ihre Gegner, die Ghibellinen dagegen waren Aristokraten, die zum deutschen Kaiser hielten. Dante selbst gehörte laut dem dtv portrait, was ich nebenbei lese, wohl zu keiner der Parteien, aber er stand den Gedanken und Idealen der Weißen nahe. Die Prophezeihung von Ciacco scheint in jedenfalls zu erschüttern, was bestätigt, dass er mit den Weißen sympathisiert hat.


    Welche die zwei Gerechten aus Zeile 73 sind, ist anscheinend nicht eindeutig geklärt. Mal heißt es, dass zwei einfach für "wenige" steht, dann wieder, dass Dante sich auf Dino Compagni und Guido Cavalcanti bezieht oder aber auch, dass er einen der beiden und sich selbst meint. :schulterzuck:


    Die Personen, nach denen er sich in Zeile 79 erkundigt, sind wohl florentinische Adlige, die wegen ihrer politischen Tugend berühmt waren. Nichtsdestotrotz wird schmoren sie laut Ciaccos Auskunft in noch tieferen Kreisen der Hölle. Tja, ein bisschen Tugend reicht halt nicht aus, wenn man in anderen Bereichen des Lebens sündigt. :autsch:

  • Hölle - 7. Gesang


    Im vierten Kreis der Hölle sind die Geizigen und die Verschwender gleichzeitig anzutreffen. Bewacht werden sie von Plutus, dem Gott des Reichtums. Was er in der ersten Zeile des Gesangs sagt, ist unklar. Die einen deuten es als "O Satan, o Satan Gott!" was für mich aber keinen Sinn ergibt. Alternativ wären da auch noch "Erglänze, Satans Stirn, erglänze, Stirn des ersten Satan!" oder "Spei aus, Satans Mund, spei aus, Satans Mund, Feuer!" - was für mich auch keinen Sinn ergibt. Die Herleitung vom griechisch-lateinischen papae, was Verwunderung ausdrückt, und vom hebräischen Aleph, was hoher Herr bedeutet, ist dahingehend verständlicher, dass Plutus verwundert ist, dass er einen Lebenden in seinem Reich sieht und er ruft Gott/Satan um Unterstützung an.


    Das Bild, was Dante hier mit den zwei Strudeln entwirft und wie sich die Geizigen und Verschwender am Berührungspunkt der Strudel immer wieder gegenseitig vorwerfen, wie geizig bzw. verschwenderisch sind, ist beeindruckend. Vor allem, da es die ganze Sinnlosigkeit zeigt - alle Reichtümer der Welt würden nicht ausreichen, um auch nur einer einzigen der verdammten Seele eine Ausweg zu eröffnen.


    Der folgende Monolog von Virgil über Fortuna gefiel mir gut, vor allem weil er zur Abwechslung mal ganz ohne Kommentare zu verstehen war. :daumen:


    Als die Sterne in Zeile 98 sinken, beginnt der zweite Tag von Dantes Reise, der ihn in den 5. Höllenkreis führt, wo die Trägen und Zornigen sich aufhalten. Laut der Lehre von Thomas von Aquin umfasst Trägheit alle Stufen der Abneigung gegen "das höchste Gut" und damit auch Zorn als grimmige Feindschaft. Was genau muss ich mir unter "dem höchsten Gut" denn vorstellen? Gottesfurcht vielleicht?

  • Hölle - 8. Gesang (heut will ich endlich mal etwas vorwärts kommen :zwinker: )


    Um auf der Reise durch die Hölle weiter vorwärts zu kommen, muss der Styx überfahren werden. Darin befinden sich die stolzen Seelen und dort bekommen dann auch die Fürsten und anderen Adligen ihr Fett weg in Zeile 49 f.:

    Zitat

    Wie viel' ehrt man als große Fürsten droben,
    Die, Schweinen gleich, im Kot hier stecken werden,
    Graunvolle Flüche hinter sich verlassend.


    Konkret wird dann Philipp Argenti erwähnt, ein "zornmütiger Florentiner", dessen Adelsgeschlecht zu Dantes politischen Gegnern zählten. Komischerweise ist Dantes Wunsch, dass Argenti im Schlamm versinken möge, eh sie das Ufer erreichen, ein gerechter Wunsch - ist es nicht eher ein Zeichen von Zorn oder Rachsucht?


    Auf der anderen Seite des Styx nähern sich Dante und Virgil der Stadt Dis (benannt nach dem römischen Gott der Unterwelt), mit der die tiefe Hölle beginnt (6. bis 9. Höllenkreis) und wo die zu finden sind, die aus bösem Willen gesündigt haben und nicht, weil ihr Geist schwach war wie die Seelen des 1. bis 5. Höllenkreises. Nachdem die Bewohner von Dis Dante zurückgewiesen haben, bespricht sich Virgil erstmal allein mit den Herren der Stadt, allerdings ohne Erfolg - sie verschließen die Tore vor ihm. Virgil spielt darauf an, dass die Dämonen auch schon bei Christus Höllenfahrt die Tore der Hölle vor ihm verschlossen haben, aber diese seither unverschlossen sind. Virgil ist also voller Zuversicht, dass er gegen die Herren der Stadt Dis ankommt, zumal sie ein hoher Auftrag hierher führt. Ihr Führer, der die Tore der Stadt öffnen wird, befindet sich offenbar schon im Anmarsch.

  • Auch wenn ich nichts dazu schreibe, habe ich heute die Hölle fertig gelesen und beginne morgen mit dem Fegefeuer. Ist denn noch jemand im Rennen?

  • Ich bin auf alle Fälle noch mit dabei, auch wenn ich seit meinem letzten Post hier noch nicht weiter gelesen habe. Mich wundert es allerdings, wo der Rest unsere Leserunde abgeblieben ist. :schulterzuck:

  • Ich fühle mich ein bisschen wie Dante, mit Myriel als Führer auf dem Weg durch die Leserunde :zwinker:.


    Myriel, ich freue mich schon auf weitere Beiträge von dir. Mein Buch ist mit Kommentaren nicht gerade reich gesegnet, da bin ich über alles froh, was ich von dir zu lesen kriege.


  • Ich fühle mich ein bisschen wie Dante, mit Myriel als Führer auf dem Weg durch die Leserunde :zwinker:.


    Da fühl ich mich aber geschmeichelt. :redface:


    Das gibt mir gleich die Motivation, heute mal etwas weiter zu lesen. Vielleicht schaff ich den Abschnitt hier sogar. :zwinker:

  • So, dann will ich mal weiter machen mit der Reise durch die Hölle. :zwinker:


    Hölle - 9. Gesang


    Am Ende des 8. Gesangs standen Virgil und Dante vor den verschlossenen Türen der Stadt Dis und haben auf Unterstützung gewartet, die ihnen die Tore öffnen soll. Diese Unterstützung kommt in Form eines Engels heran, aber ehe er ankommt, fragt Dante Virgil, ob vor ihnen schonmal jemand aus dem ersten Höllenkreis hier herab gekommen ist. Virigil gibt zu, dass er den Weg kennt, weil er kurz nach seiner Ankunft in der Hölle von der thessalischen Zauberin Erichtho bis in den untersten Höllenkreis geschickt wurde, um dort eine Seele zurück zu holen. Hier bezieht sich Dante wohl auf den 6. Gesang der Pharsalia von Lukan, wo Erichtho einen toten Soldaten wiederbelebt hat, um Sextus Pompejus den Ausgang der Schlacht bei Pharsalus zu verkünden. Anscheinend war also Virgil derjenige, der die Seele des Soldaten holen musste.


    Während Virigil noch erzählt, wird Dante von den drei Furien, den antiken Rachegöttinnen Erinnyen, abgelenkt. Diese rufen nach Medusa, der jüngsten der Gorgonen rufen, die Virgil mit ihrem Blick versteinern soll. Gleichzeitig wendet sich Dante ab und bedeckt seine Augen mit den Händen, um sich zu schützen. Als der Engel sich endlich genähert hat und die Tore der Stadt Dis öffnet, darf Dante die Hände von seinen Augen nehmen und den göttlichen Einfluss aufnehmen. Die Allegorie, dass die Vernunft (Dante) nicht allein mit der verderbten Bosheit (Erinnyen) fertig wird, sondern erst der göttliche Einfluss (Anwesenheit des Engels) die Zweifel abwendet (Hände vor den Augen wegnimmt) - darauf wäre ich allein nicht mal annähernd gekommen.


    In der Stadt selbst sieht Dante viele Gräber, die ihn an die gräberreichen Gegenden bei Arles und am Quarnaro erinnerten. In den offenen, glühenden Särgen selbst stecken die Seelen von "Irrtumstiftern", die die Menschen vom rechten Weg weggelockt haben, und von ihren Jüngern - also quasi die Heiden und Ungläubigen.


    Hölle - 10. Gesang


    Dante äußert den Wunsch, mit den "Bewohnern" eines der glühenden Särge zu sprechen und Virgil bringt ihn zu der Ecke, wo Epikur und seine Anhänger sich befinden, die daran glauben, dass die Seele mit dem Körper gemeinsam stirbt und nicht unsterblich ist.


    Dort wird Dante von Farinata degli Uberti angesprochen, dem Anführer der Ghibellinen, zu denen auch Dantes Familie gehört hat. Erst ist Farinata wegen Dantes adliger Abstammung misstrauisch, weil ihn das eher zu einem Feind der Ghibellinen macht, aber dann werden die beiden von Cavalcante Cavalcanti unterbrochen, dem Vater von Dantes bestem Freund Guido Cavalcanti. Dieser will wissen, wo sein Sohn ist und warum er Dante nicht begleitet. Dante meint, dass er nicht dazu bereit sei, weil er die klassische Dichtung (Virgil) nicht schätzt und dass er nicht so bußfertig war wie Dante, zögert aber dann, es dem Vater so ins Gesicht zu sagen. Dieser denkt, dass sein Sohn tot sei und zieht sich zurück. Dante nimmt das unterbrochene Gespräch mit Farinata wieder auf, der ihm prophezeit, dass binnen 50 Monaten (Proserpina ist die Göttin des Mondes und Gattin Plutos) Dante erfahren wird, wie es um seinen Wunsch steht, aus der Verbannung zurück in seine Heimatstadt Florenz kommen zu können. Da die Jenseitsreise am 8. April 1300 stattfand, bezieht sich Dante auf die Ereignisse vom 8. Juni 1304, als der Versuch einer Aussöhnung zwischen Ghibellinen und Guelfen endgültig scheiterte.


    Im Folgenden finden als Ketzer, die in den glühenden Särgen liegen, auch noch Friedrich II. und Kardinal Ottaviano degli Ubaldini Erwähnung, die beide im Ruf von ketzerischen Gedanken standen.


    Angesichts der begrenzten Fähigkeiten der Ketzer, in die Zukunft sehen zu können, ist Dante über seine eigene Zukunft beunruhigt, aber Virgil verweist am Ende des Gesangs darauf, dass Dantes geliebte Beatrice ihn im Paradies erwarten und ihn seinen weiteren Lebensweg offenlegen wird.


    Hölle - 11. Gesang


    Virgil und Dante sind immer noch auf dem Weg zur unteren Hölle, also noch im 6. Höllenkreis. Die beiden machen eine Rast, um sich an den Gestank der unteren Hölle zu gewöhnen. Dabei erklärt Virgil Dante die Aufteilung der Hölle und bezieht sich auf Aristoteles Sittenlehre - manche Sünden wiegen halt schwerer als andere und während beispielsweise die Verschwender im 4. Höllenkreis ihr Hab und Gut nur falsch verteilt haben, haben die Sünder aus Zeile 44 ihr Eigentum in unsinnigen Ausgaben vergeudet und stehen damit mit den Selbstmördern auf einer Stufe, die zwar nicht ihr Eigentum, aber ihr Leben vergeudet haben. So ganz ist mir das allerdings nicht logisch. Wie kann etwas Materielles genauso bedeutend sein wie das eigene Leben? Geld und Besitz kann man mit etwas gutem Willen neu anhäufen, aber wenn man tot ist, ist man unwiderruflich tot. :schulterzuck:


    Am Ende des Gesangs erfolgt noch ein Hinweis anhand der sichtbaren Sternbilder, dass es etwa 3 Uhr nach Mitternacht ist.


    Und damit geht's jetzt auf in den nächsten Abschnitt, wo es dann hoffentlich endlich in die untere Hölle geht. Ich bin gespannt, wen Dante dorthin verbannt hat. :zwinker: