Wolf Haas - Der Brenner und der liebe Gott

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 2.544 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von kaluma.

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    Jetzt is schon wieder was passiert. Der Herr Simon, ehemals Polizeibeamter und Privatdetektiv, hat ein Kind verloren. Pass auf, das war so. Der Brenner war als gut bezahlter und angesehener privater Chauffeur beim Bauunternehmer Kressdorf angestellt. Seine zugegebenermaßen recht nette Aufgabe bestand darin, die zweijährige Tochter Helena zwischen der Abtreibungsklinik ihrer Mutter in Wien und dem jeweiligen Aufenthaltsort des Vaters herumzukutschieren. Der Dienstwagen ist immer tipp topp, weil die Helena das so mag. Überhaupt hat sich so eine Art Freundschaft zwischen der Helena und dem Brenner, pardon, Herrn Simon, entwickelt.


    Doch dann passiert dem Brenner ein folgenschwerer Fehler. Er kann sich auf der Tankstelle nicht entscheiden, welche Schokolade er für die Helena mitnehmen soll. Er hat die Kleine nur kurz im Wagen gelassen, um das Benzin zu zahlen und eben Süßigkeiten zu kaufen. Als er wieder zurück kommt, erlebt er den Schock seines Lebens: Die kleine Helena ist verschwunden.


    Wie paralysiert handelt der Ex-Detektiv, Ex-Polizist und, wie ihm schwant, Ex-Chauffeur und tut erstmal – gar nichts. Er ist fassungslos. Seinen Job kann er natürlich abschreiben, alle Zeitungen sind voll von dem Vorfall, Menschen werden befragt, verzweifelt Zeugen gesucht und man klammert sich an einen Strohhalm: Wenn sich der Entführer meldet, wird Lösegeld bezahlt.


    Der Brenner kann halt auch nicht wirklich aus seiner Haut heraus und stellt deshalb auf eigene Faust Ermittlungen an, die schließlich zu mehr als nur einer Leiche, einer heftigen Romanze und einem fanatischen Abtreibungsgegner führen. Ob der Brenner aus dieser Sache nochmal heil heraus kommt?


    Wer schon die anderen Bücher von Wolf Haas mochte, wird auch dieses lieben. Der Humor des österreichischen Schriftstellers ist einfach genial, schwarz und staubtrocken. Wortspiele, Anspielungen und der typische Wiener Schmäh machen aus den Brenner-Büchern kleine Charakterstudien der Österreicher im Allgemeinen und der österreichischen Schlawiner im Besonderen. Wahrscheinlich kommt Haas vor allem in Österreich gut an, weil doch viele Austriazismen verwendet werden und das Erzähltempo sich doch sehr von den atemlosen Krimis und Thrillern aus dem englischsprachigen Raum und auch aus deutschsprachigen Nachbarländern unterscheidet. Aber auch im Post-Tempo kommt man ans Ziel. Also Schnecke Hilfsausdruck.
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    Gebundene Ausgabe: 224 Seiten
    Verlag: Hoffmann und Campe (28. August 2009)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3455401899
    ISBN-13: 978-3455401899


    5ratten

  • Auch als Quasi-Norddeutsche finde ich großes Gefallen an Haas' phantastischer Sprache. Noch größer wäre das Gefallen jedoch, wenn jenes Buch endlich als Taschenbuch heraus- und damit in meine Hände käme.



    Also Schnecke Hilfsausdruck.



    :breitgrins: :breitgrins: :breitgrins:

    Wir sind irre, also lesen wir!

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    (Ich verlinke schon mal die TB-Ausgabe, auch wenn sie erst im April erscheint.)


    Der Brenner, Exbulle und Exprivatdetektiv, hat einen neuen Job: Er ist Fahrer bei einem "Baulöwen" und dessen Frau, einer Abtreibungsärztin. Seine Aufgabe besteht hauptsächlich darin, deren zweijährige Tochter herumzukutschieren. Aufgrund von Drohungen von Abtreibungsgegnern hatten die Eltern ihn wegen seiner beruflichen Vergangenheit eingestellt, um die Tochter vor etwaigen Gefahren zu schützen.
    Nun wäre der Brenner nicht der Brenner, wenn nicht bald etwas schief ginge: Er tankt das Auto, geht bezahlen, wobei er die Gelegenheit nutzt, noch schnell einen Kaffee zu trinken und eine Tafel Schokolade zu kaufen. Als er zurückkommt, ist das Auto leer! Kein Kind weit und breit - also vermutlich entführt.
    Brenners nicht eben profihaftes Verhalten daraufhin lässt den Verdacht aufkommen, er habe mit den Entführern zusammengearbeitet, aber nachzuweisen ist ihm nichts. Seinen Job ist er natürlich trotzdem los und ebenso natürlich versucht er, das Kind auf eigene Faust zu finden.


    Brenner in Hochform! Oder besser: Haas in Hochform! Wenn es auch einige Zeit gebraucht hatte, bis bei mir der Funke übersprang, begeisterte mich dieses Buch dann umso mehr. Eine großartige Formulierung, die mich zum Kichern oder gar lauthals Herausprusten brachte, jagte die andere, und unerwartete Wendungen in der Handlung ließen mich immer wieder verblüfft stutzen. Das Buch entwickelte einen gewaltigen Lesesog, der umso überraschender ist - oder überraschend wäre, kennte ich diesen Effekt nicht schon von früheren Haas' -, da das Erzähltempo eher gemächlich ist. Weglegen wurde quasi unmöglich.
    Egal, ob der Erzähler Überlegungen über Brenners früheres Liebesleben anstellt, ein Polizist sich sterilisieren lassen will oder Brenner tatsächlich Gott begegnet - der Effekt der Szenen ist immer wieder großartig!


    Verglichen mit den anderen Brenners erscheint mir dieser trotz diverser Umwege enger zusammen gehalten und sich mehr auf den Fall zu konzentrieren, auch wenn mich mein Gedächtnis da täuschen kann. Dies empfand ich als positiv, was mich zur nahezu Höchstnote greifen lässt.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo, ihr Lieben!


    Ja, der Brenner ist zurück und es passiert schon wieder was. Dass Wolf Haas nach seinem sechsten - und jedem, der das Buch gelesen hat, auch scheinbar wirklich letzten - Brenner-Roman doch noch einen Weg gefunden hat, den steirer Privatdetektiv wieder auf neue Investigations-Wege zu schicken, hätte ich nicht geglaubt. Quasi hoffnungslos.
    Aber der Brenner ist - mit neuem Beruf und semi-neuem Namen - wieder da. Als Herr Simon obliegt ihm die Obhut der kleinen Helena, die er zwischen Mama und Papa hin- und herchauffieren darf. Dass ihm dabei das Herz jedes Mal aufs neue aufgeht, macht den Brenner (oder Herrn Simon) nur noch sympathischer. Als die Helena aber dann bei Bezahlen in der Tankstelle plötzlich spurlos aus dem Auto verschwindet, kommt dann doch der altbekannte, schrullige Brenner heraus.


    Ich habe mich mit diesem neuen Wolf Haas Roman wieder bestens amüsiert. Alleine der erste Satz hat mich schon in lautes Lachen ausbrechen lassen. Der unsichtbare Ich-Erzähler läuft wieder zu Höchstform auf und erzählt locker wie beim Stammtisch die Geschichte, wie der Brenner sich auf die Suche nach der Helena gemacht hat und dabei wieder allerlei schmutzige Geschäfte aufdeckt.
    Von mir aus könnte Haas immer so weiter Brenner-Romane schreiben. Die Ideen gehen ihm offenbar noch lange nicht aus und etwas derart ur-Österreichisches ist mir bisher noch nicht anderswo untergekommen. Dass den österreichischen Lesern manche Schauplätze (sei es Graz im vorhergehenden Roman oder jetzt der Prater) persönlich bekannt sind und man sich in vielen der Schimpf-Tiraden des Erzähles verstanden fühlt, macht das Leseerlebnis nur noch schöner.


    Auf die Lösung des Falles wär ich alleine zwar wieder mal nicht gekommen, aber das ist ja auch nicht der Sinn der Sache. Den Brenner zu verfolgen, wie er seinen Gedanken folgt, die meist vom Jimi Hendrix-Klingeltons seines Handys ausgehen, das ist der echte Spaß. Und wenn nicht bald noch ein neuer Brenner rauskommt, ist "Der Brenner und der liebe Gott" sicher einer der ersten, die ich wieder lesen werde.


    5ratten


    Liebe Grüße,
    Wendy

    Jahresziel: 2/52<br />SLW 2018: 1/10<br />Mein Blog

  • Ich reihe mich hier mal unter die begeisterten Stimmen ein! Beim ersten Hineinschauen in dieses Buch vor ein paar Jahren war ich zwar wegen der seltsamen Grammatik und den Halbsätzen sehr befremdet und habe es wieder weggelegt. Doch seitdem ich das Hörbuch von "Brennerova" gehört habe (gelesen vom Autor selbst), hat der Brenner mit mir einen neuen Fan. So nahm ich mir "Der Brenner und der liebe Gott" noch einmal vor und habe mich beim Lesen bestens amüsiert. Wie hier ausgehend von einem entführten Kind der Brenner nach und nach die verschiedensten Verwicklungen aufdeckt und unversehens immer tiefer in einen kriminellen Sumpf hineingerät, bis er im wahrsten Sinne des Wortes tief in der Scheiße steckt :breitgrins:, das ist schon lesenswert und sehr kunstvoll gemacht.


    Natürlich muss man den Stil des Autors mögen, sicher kann damit nicht jeder etwas anfangen. Man muss sich darauf einlassen. Die meisten der typisch österreichischen Ausdrücke habe ich aus dem Zusammenhang verstanden, und wenn nicht, dann war das auch nicht schlimm. Möglicherweise habe ich nicht jede landestytpische Anspielung verstanden. Aber Wolf Haas versteht es perfekt, die Krimihandlung auf erfrischend lockere, skurrile und witzige Weise mit sozialkritischen Aspekten zu versehen. Ich muss mir schleunigst die anderen Brenner-Bücher beschaffen!


    5ratten

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.