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Erster Satz: Wie oft sie die Treppe zum Haus schon emporgestiegen war.
Inhalt
Es beginnt im Deutschland 1929: Zwei Schwestern, wie sie unterschiedlicher nicht sein können, haben doch eines gemeinsam: die Musik. Orlanda, eigentlich Operettensängerin, findest ihre Passion in der Jazzmusik und Anna widmet sich dem Orgelspiel. Ansonsten geht ihr Leben jedoch sehr auseinander. Orlanda, die Jüngere, ist leidenschaftlich und spontan, möchte Spaß im Leben haben und kann sich nicht zwischen zwei Männern entscheiden. Anna, die Ältere, ist vernünftig und verantwortungsbewusst und liebt ihren Beruf als OP-Schwester.
Als die Nazis immer mehr Macht bekommen, ihre geliebte Musik verbieten und vor Menschen verachtenden Handlungen gegenüber ihren jüdischen Freunden und Kollegen nicht Halt machen, erkennen sie und ihre Männer, dass die anfangs eher heruntergespielten und nicht immer erst genommenen Strömungen eine schreckliche Dimension erreichen, die vor Mord, Vernichtung und Krieg nicht halt macht. Ihr Widerstand wächst, denn das Leben ist nicht mehr, wie es einmal war. Doch für eine der Schwestern wird die Zeit zum Verhängnis...
Meine Meinung
Das Buch beginnt im Jahre 1964. Eine junge Frau bekommt von ihrer Tante die Briefe ihrer Mutter überreicht, die diese 1942/43 in Gefangenschaft an ihre ungeborene Tochter geschrieben hatte. Diese Briefe sind verflochten mit der parallel erzählten Handlung bis zum Zeitpunkt der Gefangenschaft, bis sich dann am Ende wieder der Kreis zu der jungen Frau schließt. Dies passiert sehr unaufdringlich, d. h. die Briefe reißen einen nicht aus der Handlung heraus. Im Gegenteil: sie begleiten die Geschehnisse auf sehr emotionale Weise.
Die Geschichte der beiden Schwestern und ihrer Männer, Freunde und Kollegen hat mich emotional sehr berührt und noch lange beschäftigt, denn alle Charaktere sind sehr menschlich und mit viel Tiefe gezeichnet. Es gibt kein Schwarz und Weiß, aber sehr viel dazwischen. Das was sie antreibt, was sie erwarten, was sie fürchten, was sie wünschen, was sie falsch machen, was sie versäumen, etc. , es ist jeweils irgendwie nachvollziehbar und man kann Verständnis für ihre Handlungen aufbringen, auch wenn man sie nicht immer gut findet und es auch nicht bei allen so einfach ist, denn gerade für eine bestimmte Person konnte ich schwer Sympathien aufbringen. Und natürlich auch gerade, wenn man wie wir Leser von den Gräueln des Dritten Reiches weiß.
Aber das macht die Geschichte auch so authentisch. Sie ist durch die Augen der Menschen erzählt, die Anfang der 30er Jahre nicht wussten, was wir jetzt wissen und die anfangs ungläubig und verständnislos vor der Entwicklung standen und das Ausmaß nicht kommen sahen. Und die denen, die es sahen nicht glauben wollten oder konnten, bis es sie dann doch erreichte. Und gerade weil es so menschlich erzählt wird, stellte man sich als Leser oft selbst die Frage, wie man wohl zu der Zeit handeln würde, wie stumm und starr einen die Angst machen würde. Wie sehr man sich nach dem Wind drehen würde oder wie man den Mut aufbringen würde, sich zu widersetzen, jüdische Freunde zu verstecken, den Mund nicht zu halten. Ein sehr nachdenklich machendes Buch, das die eigene Unsicherheit aufzeigt.
Es ist aber auch ein Buch voll von Musik. Die Musik schwebte die ganze Zeit zwischen den Zeilen, oft hörte ich während des Lesens die beschriebenen Klänge und oft hörte ich gezielt zwischen Lesepausen im Internet in die beschriebenen Stücke hinein.
Und es ist ein Buch voll von Bildern. Die Autorin schafft es mit ihrer Sprache immer wieder, wunderbare und intensive Bilder und Filme im Kopf zu erzeugen und damit eine ganz besondere Atmosphäre zu schaffen. Zauberhafte Momente voll Freude und Harmonie lassen einen dann auch mal schlucken bei dem Gedanken, was auf die Protagonisten noch alles zukommt. Kleine Ausblicke auf die Zukunft entführen den Leser zwischendurch immer mal wieder kurz von der Geschichte fort und verstärken die besondere Stimmung der Geschichte.
Ein wunderbares und berührendes Buch, für das die Autorin ausführlich recherchiert hat und mir damit zusätzlich noch viele interessante Informationen und Einblicke in die Musik der damaligen Zeit gegeben hat.