Elizabeth Kelly - Die verrückten Flanagans

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    Elizabeth Kelly - Die verrückten Flanagans
    Original: Apologize, apologize!
    aus dem kanadischen Englisch von Wolfgang Müller
    2009, Blessing Verlag, München
    (2009, Twelve Books, o.O.)


    Die Flanagans werden im Klappentext sehr treffend beschrieben, deswegen beginne ich mit einem Zitat daraus:


    Collie Flanagan ist gewissenhaft, strebsam und anständig – und das schwarze Schaf der Familie. Sein Bruder Bingo ist faul, großmäulig, draufgängerisch und ihr ganzer Stolz. Denn die Flanagans sind völlig übergeschnappt, und ihr riesiges Landhaus ist ein Biotop für Neurosen. Vater Charlie ist Trinker, Frauenheld und Prediger seiner anarchischen Weltsicht. Mutter Anais ist Millionenerbin, erklärte Marxistin und hasst ihren steinreichen Vater. Ständig umgeben von einem Rudel Hunden liefert sie sich regelmäßige Scharmützel mit ihrem Schwager Tom Flanagan, der der Familie den Haushalt führt und Brieftauben züchtet, die alle die Namen irischer Freiheitskämpfer tragen.


    Der Leser wird mitten hinein katapultiert in diese verrückte Familie, deren lärmendes, chaotisches Zusammenleben in dem Anwesen auf Martha’s Vineyard sehr bildhaft beschrieben wird. Leider liegt Kelly mit ihrem Sinn für Humor so weit von meinem entfernt, dass ich beim Lesen ständig die Augen verdrehte oder genervt schnaubte. Die Macken der Figuren sind so absurd übertrieben, dass man schon nicht mehr von satirischer Gesellschaftskritik sprechen kann, denn all die vereinten Neurosen und Vorurteile kann man schnell nicht mehr auseinanderhalten. Das ist so gewollt lustig, dass es hölzern ist.


    Kein Wunder, dass Collie (der tatsächlich nach der Hunderasse benannt wurde) als einzig normales Familienmitglied eigene Neurosen entwickelt und sich minderwertig fühlt. Allein sein Großvater, von allen nur „der Falke“ genannt, unterstützt ihn auf eine gefühlskalte Art, was Collie nur weitere Abneigung seiner Familie einbringt. Als dann auch noch sein Bruder Bingo bei einem Unglück ums Leben kommt und er als Schuldiger dasteht, verliert er sich komplett in Selbstzweifeln und –vorwürfen.


    Ab diesem Ereignis ändert sich der Tonfall der Erzählung und wird deutlich ernsthafter. Auch hier wird wieder dick aufgetragen, wenn Collie zum Beispiel unbedarft mitten in ein Bürgerkriegsgebiet reist und traumatisiert zurückkehrt. Diese komplette Kehrtwende passt allerdings nicht zum Vorhergehenden und kann auch meinen schlechten Eindruck vom Anfang nicht mehr retten, auch wenn ich mit mehr Interesse gelesen habe. Schließlich erlebt der Leser ein harmonisches Friede-Freude-Eierkuchen-Ende, das mich allerdings ratlos zurückließ: was genau habe ich da gerade gelesen? Laut Verlag war das „Ein herzerwärmender und urkomischer Roman über die Beschwerlichkeit und die Bedingungslosigkeit der Liebe in einer Familie.“ Mag sein. Für mich bleibt es ein Roman, der weder Fisch noch Fleisch ist und eine interessante Grundidee ungenutzt zerredet hat.


    2ratten


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • So ist das manchmal mit den bösen Klappentexten. :zwinker:

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Das letzte Buch der Autorin (Die offizielle Verabschiedung meiner langjährigen Kindheit) habe ich sehr gerne gelesen. Es strotze von schwarzem und bösem Humor, und ich dachte eigentlich, dass ich mit dem speziellen Humor der Autorin klarkommen würde. Aber dieses Buch fand ich nie witzig, nur übertrieben, unglaublich und vor allem sehr traurig.


    Nach mehr als drei Monaten, in denen ich mich immer wieder an diesem Buch versucht habe, breche ich es jetzt ab. Es gefällt mir einfach nicht, ich kann es nicht herzerwärmend oder witzig finden, wie es laut Werbung sein soll, sondern nur traurig und deprimierend.

  • Grundsätzlich bin ich ja ein großer Fan von skurrilen Geschichten über dysfunktionale Familien (John Irving, Pat Conroy oder auch T. C. Boyle lassen grüßen) - aber was Elizabeth Kelly hier abgeliefert hat, kommt kein bisschen an die großen Meister:innen dieses Genres heran.


    Collie ist ein Sprössling der Flanagans, die auf Martha's Vineyard leben und ein ziemlich durchgeknallter Haufen sind. Der von allen nur "der Falke" genannte Großvater sitzt auf dem Geld, seine Tochter ist eine selbsternannte Anarchistin und ihr Gatte glänzt hauptsächlich durch Trunksucht und große Klappe. Collie hat auch noch einen Bruder namens Bing(o), der in allem das krasse Gegenteil von ihm selbst ist: er klaut, spielt blöde Streiche, fliegt von einer Schule nach der anderen. Doch das schwarze Schaf der Familie ist - Collie! Weil er zu brav, zu angepasst, zu normal ist, wird er von seinen Eltern permanent auf übelste Weise niedergemacht, ja regelrecht gemobbt, während der nichtsnutzige Bingo als kleiner Rebell gefeiert wird.


    Klingt abstrus? Ist es auch - und hat auch nicht den geringsten Witz oder Charme. Man will dem armen Collie, dem man nicht mal einen vernünftigen Namen gegönnt hat (er wurde nach der Hunderasse benannt, denn im Hause Flanagan tummeln sich auch bergeweise Hunde aller Art), eigentlich bloß helfen, da schnellstmöglich abzuhauen. Das Ganze ist so dermaßen überzeichnet, dass es nach wenigen Seiten einfach nur noch nervt, und die sehr zahlreichen Sprachspielereien wirken selbst in den Fällen, in denen sie im Original gelungen sein mögen, übersetzt einfach nur bescheuert.


    Ich habe nach einem Viertel das Handtuch geworfen, weil ich es nicht mehr ertragen konnte, meine Zeit mit diesem Buch zu verschwenden.


    1ratten :flop:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen