Scholem Alejchem - Tewje, der Milchmann

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    OT: Tevje Der Milkhiker
    OA: 1894
    195 Seiten
    ISBN: 978-3717520061


    Inhalt
    Dieses Buch handelt vom Leben des einfachen Juden Tewje, welcher mit seiner Familie, bestehend aus seiner Frau und sieben Töchtern, in einem osteuropäischen Schtetl Ende des 19ten Jahrhunderts lebt.
    Tewje ist, wie der Titel des Buches schon sagt, ein Milchhändler. Er lebt mit seiner Frau und seinen sieben Töchtern in einem kleinen Ort in Russland. Tewje erzählt in diesem Roman dem Autor Scholem Alejchem persönlich von seinem Leben. Tewje scheint ein Hiob des 19ten Jahrhunderts zu sein. Seine erste Tochter schlägt eine Hochzeit mit einem reichen jüdischen Metzger aus und heiratet einen armen Schneider, seine zweite Tochter heiratet einen kommunistischen Studenten, welcher verhaftet und nach Sibirien geschickt wird. Sie folgt ihm dorthin und es scheint offensichtlich zu sein, dass Tewje seine Tochter niemals mehr wieder sehen wird. Seine dritte Tochter heiratet einen Christen und wendet sich ab vom Judentum. Ein sehr schwerer Schlag für Tewje, der ein sehr g“ttesgläubiger Mensch ist. Er kann ihr nicht vergeben, obwohl er darunter so sehr leidet, dass er fast daran zerbricht. Gefangen in seinem jüdischen Leben und Glauben findet er keinen Weg damit umzugehen, außer den Kontakt zu seiner Tochter komplett abzubrechen. Kurze Zeit später sterben zwei Menschen, die ihm sehr wichtig sind. Man fragt sich woher Tewje die Kraft nimmt weiter zu machen. Jeden Tag wieder auf’s neue sein Leben zu leben. Er erhält seine Kraft durch seinen starken Glauben. Nachdem man glaubt nichts kann das Unglück von Tewje von steigern, kommt die Zeit der Pogrome und Tewje verliert auch noch seine Heimat.


    Eigene Meinung
    Tewje ist ein liebenswerter Mensch, der sich leider sehr oft selbst im Wege steht. Was ihn allerdings auszeichnet ist sein Humor, sein Mitgefühl und sein unerschütterliches G“ttvertrauen, dass sich alles zum Besten wendet und alles seinen Sinn haben wird. Trotz allen Widrigkeiten versucht er immer wieder das positive zu sehen. Dadurch, dass Tewje die Geschichte seines Lebens selbst erzählt, gewinnt der Leser eine ganz besondere Nähe zu dem Protagonisten, denn wir bekommen alle seine Gedanken und Gefühle ungefiltert vermittelt. Wir erleben seine innere Zerrissenheit, seine Zweifel und seine Hoffnungen. Tewje bringt den Leser aber auch zum schmunzeln. Für jede Gelegenheit hat er ein Zitat aus dem Talmud parat, wobei manche allerdings äußert frei und passend ausgelegt sind. Dieses Buch berührt, macht traurig und bringt einen zum lächeln. Man leidet und hofft mit Tewje dadurch, dass man das Gefühl hat Tewje erzählt einem höchstpersönlich seine Geschichte.


    5ratten


    Tina

  • In einer Abfolge von Erzählungen gewährt Alejchem hier Einblicke in das Leben Tewjes, eines mehr oder weniger typischen Vertreters des Ostjudentums um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert im Russischen Reich. Konstruiert ist das Ganze als direkte Erzählungen Tewjes an Alejchem, an den er sich immer wieder direkt wendet, gerne auch mit der Bitte, über das, was er nun erzähle, doch Stillschweigen zu bewahren und es nicht in ein Buch zu schreiben. Im großen und ganzen folgen die Erzählungen chronologisch aufeinander, auch mit Verweisen untereinander, so daß sich trotz der Struktur die Wirkung einer fast durchgehenden Erzählung ergibt. Als Leser erfährt man also zunächst, wie ärmlich Tewje zunächst mit seiner Familie lebte, immerhin hat er sieben Töchter, welch glücklicher Zufall ihn zu ein bißchen Geld kommen ließ, so daß er das Milchgeschäft beginnen konnte, wie er seine Ersparnisse wieder verliert.


    Daran schließen sich die Berichte über die Töchter an, die nach und nach heiraten. Das stellt Tewje vor einige Probleme, nicht nur und gar nicht so sehr wegen der Mitgift, sondern wegen der selbstbestimmten Entscheidung. Für die älteste Tochter Zeitel trifft er eine Verabredung mit dem verwitweten Fleischer Leiser-Wolf, aber das zerschlägt sich, weil Zeitel darauf besteht, den Schneider Mottel zu heiraten, wie die beiden schon lange abgemacht haben. Die Wahl der zweiten Tochter Hodel heißt Tewje noch am ehesten gut, denn mit dem Studenten Pertschik kann er zumindest disputieren, was seine liebste Beschäftigung ist. Aber dieser wird verhaftet und Hodel beschließt, ihm nachzuziehen. Die dritte Tochter, Chava, verstößt Tewje, als sie einen Russen und Nicht-Juden heiratet. Im weiteren Verlauf treffe Tewje immer wieder Schicksalsschläge an, die er vor allem dank seines unerschütterlichen Gottvertrauens und seiner häufig zitierten und von ihm für seine Lage passend interpretierten Auszüge aus den heiligen Schriften meistert.


    Einige seiner Reaktionen wirken dabei heute schon ein wenig naiv, wenn nicht gar einfältig. Und er ist ein ziemlicher Sturkopf, der nur schlecht von seiner Meinung lassen kann, was sich besonders an der Episode mit Chava zeigt. So war ich denn auch mehr als einmal zwischen Mitleid und Kopfschütteln hin- und hergerissen, aber insgesamt überwiegt der sympathische Eindruck, den man von Tewje gewinnen kann, bei mir dann doch.


    Ich war, da ich das auf diesen Erzählungen basierende Musical Anatevka (engl: Fiddler on the Roof) recht gut kenne, vor allem gespannt darauf, wie eng die Verbindung zwischen Vorlage und dieser Umsetzung sein würde. Tatsächlich habe ich gerade die Geschichten um die drei ältesten Töchter Zeitel, Hodel und Chava sehr gut wiedererkannt. Im Musical ist natürlich manches zusammengezogen und gerafft, um eine durchgängige Handlung daraus zu machen, und daher weicht vor allem auch das Ende sehr stark ab, wenn auch die Pogrome und die Vertreibung in beiden Fällen auftauchen. Aber insgesamt scheint mir der Ton auch in den Liedtexten des Musicals gut getroffen, ich hatte mehr als einmal beim Lesen die „zugehörigen“ Melodien im Kopf.


    4ratten


    Schönen Gruß
    Aldawen

  • Eure Rezis machen mich neugierig. Ich kenne nämlich auch "Anatevka" nur vom Hörensagen.


    Der Titel "Fiddler on the Roof" erinnert mich an die Bilder von Chagall, vor allem an den blauen Geiger.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen