David E. Hilton - Wir sind die Könige von Colorado

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    Erschienen im Februar 2011



    Zum Inhalt:


    William Sheppard ist 62, gerade wurde ihm seine Stelle gekündigt. Als er einen Autounfall beobachtet, bei dem ein Pferd schwerverletzt wird und dann auf der Straße stirbt, kommen in ihm die Erinnerungen an seine Jugend hoch und er beschließt, diese aufzuschreiben.


    Mit 13 Jahren hat er versucht, seinen Vater umzubringen, einen gewalttätigen Alkoholiker, der ihn und die Mutter regelmäßig verprügelt hat. Aber anstatt dafür gelobt zu werden, ist seine Mutter entsetzt und das Gericht verurteilt ihn zu 2 Jahren Erziehungsanstalt, auf der Swope Ranch in Colorado. Diese Ranch liegt tief in den Rocky Mountains und dort werden Wildpferde gezähmt sowie straffällig gewordene Jungs „therapiert“.


    Den Jungs wird erzählt, es wäre ein Privileg, dass sie ihre Strafe dort in der Natur abarbeiten dürfen anstatt im Knast zu sitzen. Doch sehr schnell stellt sich heraus, welche Zustände auf der Ranch herrschen. Kämpfe zwischen den Jungs sind nicht nur nicht untersagt, die Aufseher und der Anstaltsleiter wetten sogar auf den Sieger. Die Aufseher sind größtenteils Sadisten, laufen mit Waffen herum und scheuen deren Einsatz nicht, obwohl es doch eigentlich sowieso keine Fluchtmöglichkeit in der Einsamkeit des Gebirges gibt. Jeder mit einem Funken Menschlichkeit in sich, verlässt die Ranch wieder so schnell er kann, außer der Krankenschwester, die für die Jungen wenigstens ein kleiner Lichtblick ist.


    Trotz alledem findet Will relativ schnell Anschluss an einige der anderen Jungen und es entwickeln sich zaghafte Freundschaften. Benny, Mickey, Coop und er spielen abends gemeinsam Karten und stehen auch sonst füreinander ein – soweit sie können, denn andere sind oft stärker.


    Während die Jungs sich mit dem Leben auf der Ranch und den teilweise fürchterlichen Geschehnissen irgendwie arrangieren und sich nicht unterkriegen lassen, beginnt das wahre Grauen, als eine Gruppe Aufseher und Jungen sich auf den Weg ins Gebirge macht, um einige entlaufene Pferde wieder einzufangen.



    Meine Meinung:


    Ein sehr fesselnder und zugleich ungemein beklemmender Roman. Dass das Erziehungssystem sowie Wertmaßstäbe in den USA der 60er Jahre sicher etwas völlig anderes waren als heute, ist das eine. Unfassbar aber das tägliche Grauen, das diese Jungs erleben mussten und das aus der Perspektive des erwachsenen Will so nüchtern geschildert wird. Man weiß vom Prolog her, dass er diese langen 2 Jahre offensichtlich überleben wird, aber während der Erzählung zweifelt man des Öfteren daran, dass er aus alldem heil herauskommen wird.


    Während auf der einen Seite die sowohl körperlichen als auch emotionalen Grausamkeiten geschildert werden, wird andererseits eine Geschichte von Freundschaft erzählt, wie man sie selten findet. Diese Jungs werden durch die Geschehnisse zu derart engen Kameraden zusammengeschweißt – aber auch ihre Freundschaft hilft ihnen oft nichts, nicht alle überleben ihre Strafe auf der Ranch. Während die ersten zwei Drittel des Buches das Grauen eher unterschwellig schildern und auch immer wieder Raum für Hoffnung lassen, eskaliert die Situation endgültig, als die Gruppe sich auf die Suche nach den entlaufenen Mustangs macht. Was hier an Grausamkeiten geschieht, ließ mich beim Lesen mehr als einmal Innehalten und Schaudern. Wie Menschen einander derartiges antun können, übersteigt meinen Horizont. Und trotzdem immer wieder der Funke der Freundschaft, der einem Hoffnung gibt, dass nicht alle so sind, dass es inmitten des Bösen auch etwas Gutes gibt, das nicht zerstört werden kann!


    :tipp:

    LG, Dani


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  • „Keiner von uns wird je wieder derselbe sein.“


    Im Alter von 62 Jahren wird William Sheppard Zeuge eines Autounfalls, bei dem eine weiße Stute ums Leben kommt. Dies ist der Anlass und da er von seinem Arbeitgeber gerade nach 23 Jahren die Kündigung erhalten hat, hat er auch die Zeit, auf sein Leben zurückzublicken und seine Geschichte aufzuschreiben.


    Nachdem sein Vater ihn und seine Mutter, die Will innig liebte, jahrelang misshandelt hatte, ging der dreizehnjährige William mit dem Messer auf ihn los, um seine Mutter zu beschützen, und verletzte ihn lebensgefährlich. Urteil: zwei Jahre in einer berüchtigten Erziehungsanstalt am Ende der Welt in Colorado. Es handelte sich dabei um eine Ranch, auf der Wildpferde gezähmt wurden, um sie anschließend zu verkaufen. Die gefangenen Jugendlichen waren für alle mit den Pferden anfallenden Arbeiten zuständig. Die Arbeit war zwar hart, doch das war bei Weitem nicht das Schlimmste. Weitaus schlimmer war die willkürliche Gewalt der Aufseher, die Brutalität unter den Mithäftlingen, die Gleichgültigkeit gegenüber den Leiden anderer. Da Will im Grunde ein gutes Herz hatte, fiel es ihm schwer, diese Ungerechtigkeiten zu ertragen.


    Will war eigentlich noch ein mehr oder weniger naives Kind, als er sich weit weg von zu Hause behaupten musste. In der Zeit seiner Inhaftierung entwickelte er sich rasant weiter, wobei ihm ein gutes Stück Kindheit/Jugend und das Urvertrauen einfach genommen wurden. Glücklicherweise schloss er auf der Ranch auch Freundschaften mit Coop, Benny und Mickey, die ihm Halt gaben. Die Krankenschwester Miss Little, die an ihrer eigenen Vergangenheit zu knabbern hatte, wurde eine Art Ersatzmutter für die Jungen. So schaffte Will es mit ihrer Hilfe, sich selbst treu zu bleiben und sich nicht in den Sog der Gewalt ziehen zu lassen. Er musste einen Weg finden, mit seiner Schuld und seinem Gewissen umzugehen. Den Jungen war klar, dass ihre Freundschaft das höchste Gut war, das ihnen auf der Ranch noch geblieben war. Nach Coops sinnlosem Tod führte Will dessen Werk fort: die unbändige weiße Stute Reaper zu zähmen. Das Unterfangen schien unmöglich, doch nach monatelanger Geduld fasste die Stute endlich Vertrauen zu Will, ein Vertrauen, das er später bitter enttäuschen musste.


    Hilton erzählt in der Ich-Perspektive aus Williams Sicht. Er beschreibt die Erlebnisse, Gefühle und Hoffnungen so eindringlich und bildhaft, dass einem die Geschichte wirklich unter die Haut geht. Der Erzählstil ist sehr flüssig und einfach, die Geschichte atmosphärisch dicht und berührend. Es fließen jede Menge Blut und Tränen. Brutale Szenen werden detailliert beschrieben, ohne reißerisch zu wirken. Die Spannung steigert sich immer mehr, man möchte das Buch nicht aus der Hand legen, bis nicht die letzte Seite gelesen ist.


    Fazit: für mich ein absolut empfehlenswertes Buch, ein echtes Highlight!


    5ratten

  • Ich wurde durch das Forum auf dieses Buch aufmerksam und neugierig. Jetzt habe ich es gelesen und immer noch einen unangenehmen Nachgeschmack. Anfangs war ich nicht sicher, ob es sich nicht um ein Jugendbuch handelt, denn sprachlich klingt es sehr danach. Der Erzähler gibt sich als Erwachsener zu erkennen, der über seine Jugendzeit schreibt. Der Inhalt zeigte aber, dass als Zielgruppe eher Erwachsene angesprochen sein dürften, es wurde nämlich zunehmend brutaler.


    Abgesehen davon, dass Gewalttätigkeiten in aller Deutlichkeit nüchtern und fast sachlich geschildert wurden, hat mich schockiert, mit welcher Beiläufigkeit die Schilderungen in den Text eingeflochten wurden. Ich werde bis jetzt den Eindruck nicht los, dass damit vermittelt werden soll, dass man bei einer Handlung vor der Kulisse einer Erziehungsanstalt grundsätzlich mit Gewalttaten rechnen muss. Natürlich muss man das, aber in diesem Ausmaß?



    Eigentlich klingt es interessant: Ein Junge schützt seine Mutter, indem er sich gegen den gewalttätigen Vater zur Wehr setzt, und landet deshalb in einer Art Bootcamp. Dort muss er sich nicht nur gegen andere Jungs zur Wehr setzen, sondern auch vor dem Personal in Acht nehmen. Aber er findet dort auch Freunde und fühlt sich verstanden und in ihrer Gesellschaft geborgen. Fragwürdig wird es neben dem Übermaß an Handgreiflichkeiten auch dadurch, dass diese 13- bis 16-Jährigen ohne große Vorkenntnisse dazu eingesetzt werden, Wildpferde zu zähmen und zuzureiten. Es gab eine ganze Reihe von unglaubhaften Ereignissen.



    Im Grund würde mir das Thema gefallen, aber die Umsetzung lässt zu wünschen übrig. Die Obrigkeit auszuschalten und zu sehen, was passiert, wenn die Masse das Ruder übernimmt, ist spannend, wurde aber literarisch schon bedeutend besser gelöst („Der Herr der Fliegen“). Viel Gewalt muss nicht immer bedeuten, dass ein Buch automatisch mitreißend ist. Es mag sein, dass in den 1960ern rauhere Methoden in Erziehungsanstalten herrschten, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Leitung des Camps derart autark handeln konnte, ohne von einer übergeordneten Behörde kontrolliert oder jemals von entlassenen Insassen belangt zu werden. Hier wurde der Bogen überspannt. Mir war das in weiten Teilen zu unrealistisch. Weniger Fokus auf Action und dafür mehr Augenmerk auf die Beziehungen der Jungs untereinander hätten die Handlung sicher bereichert.