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Als der Schwertfischfänger „Andrea Gail“ im September 1991 aus ihrem Heimathafen Gloucester an der nordamerikanischen Ostküste ausläuft, wird dies ihre letzte Fahrt sein. Denn im Oktober 1991 wird sich ein Sturm auf dem Westatlantik austoben, den keiner vorhergesehen hat und der mit nie zuvor gemessenen Wellenhöhen und Windstärken als „der perfekte Sturm“ in die Geschichte eingeht. In diesen Sturm gerät die „Andrea Gail“ und verschwindet spurlos.
Der Journalist Sebastian Junger hat versucht, die Spur der „Andrea Gail“ soweit wie möglich nachzuvollziehen und die letzten Tage und Stunden an Bord möglichst genau zu rekonstruieren. Wie er im Vorwort schreibt, war das Verfassen dieses Buches eine Gratwanderung zwischen technischen Details und Vermutungen. Er wollte sich so nah wie möglich an der Wahrheit halten – beziehungsweise dem, was von der Wahrheit bekannt war – aber er wollte auch nicht die persönlichen Tragödien unter einer Masse von Fachbegriffen ersticken. Das Ergebnis erfüllt diese Ansprüche in meinen Augen recht gut.
Junger hat einerseits die Hinterbliebenen der 6köpfigen Besatzung der „Andrea Gail“ besucht und sich anhand ihrer Erinnerungen ein Bild der Männer gemacht, die jedes Mal, wenn ihr Schiff auslief, damit rechnen mussten, nicht zurückzukehren. Auf der anderen Seite hat Junger Menschen interviewt, die sich in einer ähnlichen Situation wie die „Andrea Gail“ befunden hatten – mitten in einem Sturm ohne große Hoffnungen auf ein Entkommen – und dennoch überlebt hatten. Diese beiden Aspekte zusammengenommen ergeben ein sehr wahrscheinliches Bild von dem, was sich auf der „Andrea Gail“ abgespielt haben könnte, nachdem der Funkkontakt zu ihr abbrach. Ob es tatsächlich der Wirklichkeit entspricht, wird wohl nie jemand herausfinden, denn das Schiff ist im Sturm spurlos verschwunden und lediglich einige Treibstoffbehälter wurden später treibend im Wasser gefunden.
Was mir sehr geholfen hat, ein Gefühl für die Gewalt des Sturms und seine zerstörerischen Kräfte zu entwickeln, war die Einbeziehung des Schicksals anderer Schiffe und Boote. Obwohl die „Andrea Gail“ im Mittelpunkt der Recherchen stand, war es schwierig, ein halbes Buch nur auf Mutmaßungen aufzubauen. Dadurch, dass man als Leser erfuhr, wie es anderen Schiffsbesatzungen erging und welche Risiken die Rettungskräfte der National Guard eingingen, um ihnen zu helfen, wurde das Bild vielschichtiger und damit auch glaubhafter.
Die im Nachwort des Buches angesprochene Verfilmung der Ereignisse von Wolfgang Petersen und mit George Clooney in der Rolle des Kapitäns der „Andrea Gail“ unter dem Titel „Der Sturm“ konnte ich dank eines glücklichen Zufalls kurz nach Beendigung der Lektüre im Fernsehen sehen – und wurde enttäuscht. Die wenigen Stellen, an denen Film und Buch parallel verliefen, waren sehr verfremdet, besonders in der Charakterdarstellung der Besatzung, und in der restlichen Zeit wurden Hollywood-typisch ein paar Actionszenen eingebaut (der gefangene Hai, also ehrlich!), die einen nur noch mit den Augen rollend zurückließen. Da kann ich mich wirklich nur voll und ganz Martin Wolfs Aussage aus dem Nachwort des Buches anschließen: „Das PR-Getöse um Petersens Film […] hat Sebastian Jungers Buch nicht geschadet, im Gegenteil.“
Zum Glück habe ich den Film erst nach dem Buch gesehen, sonst hätte ich vermutlich einen guten Tatsachenroman verpasst. Wer den Film schon kennt und von ihm ebenso enttäuscht war wie ich, dem empfehle ich daher unbedingt die Lektüre dieses Buches, die ein viel realistischeres und damit bedrückenderes Bild der damaligen Ereignisse zeichnet, ohne dabei etwas zu überzeichnen.
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