William Shakespeare - König Lear/The Tragedy of King Lear

Es gibt 41 Antworten in diesem Thema, welches 24.004 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Bluebell.

  • Den Eindruck hatte ich nicht. Mir geht es mit Shakespeare immer so, dass ich mich erst mal "einlesen" muss, also zu Beginn eines Dramas immer am Kämpfen bin, es mir im Verlauf aber immer leichter fällt.


    Ich bin jetzt mit dem 2. Akt fertig und finde, dass King Lear tatsächlich schwieriger zu lesen ist als zB Macbeth. Gott sei dank habe ich jetzt "Shakepeare für Dummies" gekauft :zwinker: Da kann man nochmal jeden Akt als Zusammenfassung nachlesen um zu sehen, ob man auch wirklich alles richtig verstanden hat.

    :lesen: Sabine Weigand - Die Tore des Himmels

  • Dass euch Lear schwieriger vorkommt, könnte man eventuell damit erklären: Viele Leute nehmen an, dass der King Lear wie er in der Folioausgabe von 1623 erscheinen ist, eine Überarbeitung von einem früheren Drama ist. Man geht also davon aus, dass Shakespeare sich eher gegen Ende seiner Karriere, als er schon ein gemachter Mann war und mehr Zeit hatte, sich nochmal hingesetzt hat und das Stück detailliert überarbeitet hat.


    Die frühere und die spätere Lear-Ausgabe unterscheiden sich laut den The Complete Oxford Shakespeare-Herausgebern übrigens so sehr, dass sie erklären, dass es zwei komplett unterschiedliche Stücke sind und deshalb beide abdrucken. Also, falls jemand von euch im Oxford Shakespeare liest, dann würde mich jetzt interessieren, welche Ausgabe. :breitgrins: (Es gibt z. B. eine komplette Szene, die in der späteren Ausgabe gestrichen wurde etc.)


    Ich lese in dieser Runde übrigens nicht aktiv mit, weil ich King Lear im letzten Jahr ca. 4mal lesen musste durfte. :breitgrins:

    "This was another of our fears: that Life wouldn't turn out to be like Literature" (Julian Barnes - The Sense of an Ending)

  • 4. Akt/1. Szene Edmund ist ein unangenehmer Mensch. Er spielt ohne Gewissensbisse alle gegeneinander aus. Bis zu einem gewissen Grad kann ich ihn sogar verstehen. Er kann nichts dafür, dass er unehelich zur Welt kam und soll nun auf sämtliche Güter seines Vaters verzichten. Auch wenn das früher so üblich war, könnte Gloster ihm doch wenigstens irgendein kleines Erbe zukommen lassen. Nur alleine auf Vaters Kosten zu leben, stellt Edmund auf die Dauer auch nicht zufrieden, vor allem, wenn er ständig seinen ehelichen Bruder vor Augen hat. Dann wären diese Spielchen, die Edmund treibt, gar nicht nötig.


    4. Akt/2. Szene Aus Kent und seinen Beweggründen werde ich nicht schlau. Nun bekommt er sogar Fußblöcke verpasst, weil er sich wieder an dem Haushofmeister vergreift. Ich habe zwar keine Ahnung, wie diese Fußblöcke aussehen, aber es muss doch eine gewaltige Demütigung für einen Adeligen sein, so bestraft zu werden. Bei Kent habe ich aber nicht den Eindruck, dass es ihm peinlich ist.


    Spätestens am Ende dieses Aktes erkennt Lear, dass seine beiden Töchter ihn ausgenommen haben und nicht bereit sind, ihm auch nur ein paar Ritter zu lassen. Bloß sein Narr, der sich irgendwie so gar nicht närrisch gibt, bleibt ihm.

  • 3. Akt


    Kent lässt der Flotte Frankreichs also Cordelia eine Nachricht zukommen, vom verwirrten Zustand ihres Vaters. Er hofft dabei, Schlimmeres zu verhindern. Ich habe bis jetzt allerdings nicht so recht verstanden, warum die Flotte Frankreichs in Dover ist. Wollen sie wirklich das Land einnehmen, oder sind das nur falsche Vermutungen?


    In der 2. Szene finden Kent und auch Gloster endlich den verwirrten Lear inmitten eines höllischen Sturmes. Ist dies die Art Lears unbewusst Buse zu tun, auch wenn er nach wie vor davon überzeugt ist, dass man ihn verraten hat, oder glaubt er, dass er selbst in der Lage ist, diese Naturgewalten hervorzubringen? Lear ist wie von Sinnen und ich finde hier wird erst richtig was Ausmaß seines verwirrten Geisteszustandes klar.


    In der 3. Szene wird gezeigt, wie weit Edmund bereit ist, zu gehen. Es willigt ein, seinen Vater, für seinen Wunsch nach Macht, zu opfern.


    In Szene 4 treffen Edgar und sein Vater wieder aufeinander, scheinen sich aber nicht wiederzuerkennen. Der König wird in Sicherheit gebracht, ist aber fasziniert von Edgar und sorgt dafür, dass er ihn begleitet. Ich bin gespannt, wann Gloster und Edgar sich wieder die Hand reichen, denn ich bin überzeugt, dass es so kommt.


    Gloster gerät letztendlich in der 5. Szene in Gefangenschaft von Cornwall und Goneril, wird geblendet und erkennt, leider viel zu spät, welch böses Spiel sein Sohn Edmund spielte. Die Töchter Lears sind skrupellos und verachtenswert.


  • Bloß sein Narr, der sich irgendwie so gar nicht närrisch gibt, bleibt ihm.


    Ich habe auch das Gefühl, dass der Narr der Einzige ist, der eine richtige Vermutung hat, was hier gespielt wird.

  • Ich habe den 1. Akt inzwischen beendet und mich auch sprachlich wieder etwas mehr an Shakespeare gewöhnt. Jedenfalls fiel mir der Rest des Aktes nicht halb so schwer zu lesen wie die erste Szene.


    Lear erntet ja recht schnell die Früchte seiner Dummheit aus der ersten Szene. Von der großen Liebe Gonerils, die sie ihrem Vater ja in der 1. Szene noch schwört, ist jedenfalls nichts mehr zu merken. Und ich glaube fast, dass das bei Regan nicht anders sein wird. Wenigstens hat er den Narr an seiner Seite, der manch hilfreiche Hinweise gibt. Und auch Kent kehrt zurück und dient seinem "König" wieder, wodurch Lear schon zwei Leute auf seiner Seite hat.


    Ich bin auch schon sehr gespannt, was aus Edmund und Edgar noch wird.

    ~~better to be hated for who you are, than loved for who you&WCF_AMPERSAND're not~~<br /><br />www.literaturschaf.de

  • Die französische Armee-Sache ist wirklich ein Problem bei King Lear. England und Frankreich verstanden sich damals ja nicht so gut und jetzt kommt Cordelia mit der französischen Armee nach England? So richtig wird auch nicht deutlich, ob sie einfach ihrem Vater helfen will oder wirklich das Land einnehmen will. Das ist auch eine der Sachen, die in den zwei Ausgaben unterschiedlich sind: In der früheren Ausgabe gibt es die Szene 4.3 zwischen Kent und einem Gentleman, in der beschrieben wird, wie Cordelia zurückkehrt und erstmal weint, als sie vom Schicksal ihres Vaters erfährt. Außerdem wird hier deutlich, dass die Truppen nicht von ihr, sondern vom König von Frankreich geleitet werden. In der späteren Ausgabe fehlt diese Szene und stattdessen taucht Cordelia in 4.4 plötzlich mit "drum and colour" und mehreren Soldaten auf. Hier führt Cordelia selbst die Truppen an und wirkt dadurch sehr viel härter und - aus englischer Sicht - feindseeliger.


    Den Narren mag ich auch sehr gerne. Das ist übrigens ein gutes Beispiel dafür, wie äußere Einflüsse Shakespeares Stücke verändern konnten: Die Narren in den frühen Stücken waren alle eher witzig, weil der damalige Narren-Schauspieler ein komödiantisches Talent hatte. Irgendwann hat Shakespeare ihn dann aber gefeuert, weil er zu oft selbst irgendwelche Zeilen spontan improvisiert hat. Der neue Narren-Darsteller war dann eher weniger komödiantisch begabt und daher sind die späteren Narren alle eher melancholische Kommentatoren der Handlung.

    &quot;This was another of our fears: that Life wouldn&#039;t turn out to be like Literature&quot; (Julian Barnes - The Sense of an Ending)

  • Ich habe auch das Gefühl, dass der Narr der Einzige ist, der eine richtige Vermutung hat, was hier gespielt wird.


    Ich glaube er hat nicht nur eine Vermutung, mir kam es so vor, als wenn er den totalen Durchblick hat. Er weiß: Lear hat die falschen Töchter begünstigt, diese spielen ein falsches Spiel. Und vor allem weiß er auch, dass der König etwas verrückt und somit der eigentliche Narr ist? Ich werde das Gefühl allerdings auch nicht los, dass Lear nicht mehr so ganz zurechnungsfähig ist. Totzdem ist er mir symphatisch. Er tut mir eben leid...

    :lesen: Sabine Weigand - Die Tore des Himmels


  • Der Narr - ja, der gefällt mir auch sehr gut. Der hat die Lage voll durchschaut und versucht, Lear einige Wahrheiten zu sagen. Schön, wie er mit der Bedeutung von "Narr" spielt. Nicht nur er ist von Berufs wegen einer, sondern auch andere Menschen können sich wie ein Narr aufführen. Dass das auf Lear zutrifft, hat der ja schon gleich zu Anfang des Dramas gezeigt, als er den bescheuerten Liebeswettbewerb anzettelte.


    Mittlerweile zeigt sich ja, dass die beiden durchaus auch die Plätze tauschen könnten. Der Narr ist der Einzige, der Lear sagen kann, wie dumm er sich verhalten hat. Die anderen als Nutznießer werden sich hüten, das so auszusprechen. Selbst wenn Lear sich mit seiner Abdankung alle Privilegien selbst aberkannt hat, könnte er noch gefährlich werden, aber das versuchen seine Widersacher ja gemeinsam zu unterbinden, indem sie ihn sämtlicher Möglichkeiten berauben, z. B. seiner Ritter.


    Im 3. Akt geht es ganz schön zur Sache. Ich bin gar nicht sicher, ob ich alles richtig verstanden habe. Ist denn Edgar wirklich so verrückt wie er sich gibt? Oder spielt er nur eine Komödie, um seinen Frieden zu haben, weil er nicht glaubt, dass er gegen Edmund ankommt?

  • Im 3. Akt geht es ganz schön zur Sache. Ich bin gar nicht sicher, ob ich alles richtig verstanden habe. Ist denn Edgar wirklich so verrückt wie er sich gibt? Oder spielt er nur eine Komödie, um seinen Frieden zu haben, weil er nicht glaubt, dass er gegen Edmund ankommt?


    Ich denke nicht, dass Edgar verrückt ist. Ich habe eher das GEfühl, dass er nur auf den richtigen Zeitpunkt wartet, um sich als Edgar zu outen.


  • Ich denke nicht, dass Edgar verrückt ist.


    Dann kann er sich aber gut verstellen, wenn ihn der eigene Vater nicht erkennt! :zwinker:


    Ich habe heute den 4. Akt gelesen. Auch hier geht es hoch her. Wenn man es nicht wüsste, würde man nicht vermuten, dass hier eigentlich lauter Familienmitglieder gegeneinander angehen. Intrigen, Lügen, gegeneinander ausspielen und mit Waffen aufeinander losgehen - Shakespeare schöpft hier aus dem Vollen. Lear findet sich wohl langsam mit seiner Situation ab, denn er resigniert allmählich und will nicht mehr aufbegehren: " O habt Geduld mit mit! Bitte vergesst, vergebt, denn ich bin alt und kindisch." Seine Töchter können sich unterdessen gar nicht mehr bremsen und reißen sich um den betrügerischen Edmund. So finden sich wie im richtigen Leben die Guten und die Bösen auf ihrer jeweiligen Seite.


    Ich bin schon gespannt, wie das ausgeht und wie Shakespeare die Handlung wieder auf ein ruhiges Niveau herunterfährt. Tragödie bedeutet ja nicht unbedingt, dass es ein glückliches Ende gibt.

  • 4. Akt


    1. Szene
    Gloster wird blind vor die Tür gesetzt und trifft seinen Sohn Edgar, welcher sich immer noch nicht zu erkennen gibt. Gloster möchte nach Dover und wenn ich das richtig verstanden habe, mit dem Vorsatz, sich dort von den Klippen zu stürzen.


    2. Szene
    Nun, zumindest Albanien hat Skrupel und ist entsetzt von den kaltblütigen Taten seiner Frau Goneril und ihrer Schwester. Cornwall hat seine gerechte Strafe erhalten und es ist immer wieder gut zu sehen, dass es noch treue Menschen gibt, welche sich für andere einsetzen. Mir fällt auf, dass es bei Shakespeare oft die Frauen sind, die zu bösen Gräueltaten anstiften und keine Reue zeigen. Warum nur hat William ein so schlechtes Bild von uns Mädels, dass er uns immer mit dem Teufel vergleicht. :teufel:


    3. Szene
    Hier erfahren wir, dass der Brief von Kent an Cordelia übergeben wurde und sie ist entsetzt über den Zustand ihres Vaters. Der König selbst schämt sich zu sehr, um seiner Tochter Cordelia unter die Augen zu treten. Darum kann ich nach wie vor sagen, dass mir dieser Mann nicht wirklich unsympathisch ist.


    4. Szene
    Nun erfahren wir von Cordelia persönlich, dass sie ihrem Vater verziehen hat und alles erdenkliche in die Wege leitet, um ihn zu helfen. Ich habe auch die Ausgabe in welcher sie alleine, d.h. ohne König auf dem (Schlacht)feld steht, aber es sieht nicht so aus, als wolle Frankreich England angreifen.


    5. Szene
    Regan erweist sich nach wie vor, als kaltherziges, böses Weib, welches keine Skrupel hat jeden, der ihm Weg steht, aus dem selbigen räumen zu lassen. Jetzt scheinen sich die beiden Zicken auch noch um den intriganten Edmund zu streiten und wieder wird jedes Klischee bezüglich Frauen und Macht hervorgeholt.


    6. Szene
    Edgar und Gloster sind auf den Weg zu den Klippen von Dover, zumindest macht dies Edgar Gloster weis, aber anscheinend stehen sie eben nicht an einem Abgrund, sondern Gloster fällt, in dem Glauben sich von den Klippen zu stürzen eher sanft auf die Nase und den Boden direkt vor ihm. Habe ich das jetzt richtig verstanden, dass Gloster tatsächlich glaubt gesprungen zu sein? Er müsste doch zumindest an Edgars Stimmer erkennen, dass immer noch sein getreuer Begleiter neben ihm steht und schwerlich mitgesprungen sein kann.


    7. Szene
    Hier endlich, hat Lear seine Tochter erkannt und zumindest diese beiden können sich verzeihen und unterstützen. Jetzt warte ich nur noch darauf, dass sich auch Edgar seinem Vater zu erkennen gibt. Ich glaube auch nach wie vor, dass Kent nicht aus purem Eigennutz gehandelt hat, sondern weil er wirklich den König wieder auf den Rechten Weg und zu seiner Tochter Cordelia führen wollte.


    Dieser Akt hat mir besonders gut gefallen, weil die Bösen so schön böse sind und allesamt gemeine Intrigen schmieden.



    5. Akt


    Es ist einfach widerlich, wie sich diese beiden Weiber um dieses Ekelpaket Edmund streiten. Zumindest der Herzog von Albanien hat es durchschaut und ich hoffe er kann das Ruder herumreisen. Mir gefiel übrigens sehr gut die Szene, als Lear sich ausmalte, wie wunderschön die Zeit mit seiner Tochter Cordelia werden würde, auch wenn sie beide im Kerker sitzen.
    Nun leider kommt es weder zu dem einen noch zu dem anderen. Diese Tragödie hat wirklich ein dramatisches Ende und ich kann mir vorstellen dass, wenn es wirklich gut gespielt ist, dieses letzte Szene sehr bewegen kann. Dass sich dieses beiden grässlichen Schwestern gegenseitig in die ewigen Jagdgründe befördern fand ich nicht weiter schlimm und auch mit Edmund hatte ich kein Mitleid, auch wenn er am Schluss ansatzweise so etwas wie Reue zeigte, aber ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob es überhaupt ernst war, oder nur weil er eh schon am Boden lag.


    Alles in allem, war auch dieses ein spannendes auf alle und ereignisreiches Stück, aber ich muss sagen, an Richard der III. kommt es für mich nicht heran. Auf alle Fälle hat es mir Spaß gemacht, es zu lesen.


  • Warum nur hat William ein so schlechtes Bild von uns Mädels, dass er uns immer mit dem Teufel vergleicht. :teufel:


    King Lear ist wohl generell das "frauenfeindlichste" Stück. Ist euch die krasse Stelle aufgefallen, als Lear über den weiblichen Unterleib spricht?


    The fitchew, nor the soiled horse, goes to't with a more riotous appetite. Down from the waist they are centaurs, though women all above. But to the girdle do the gods inherit, beneath is all the fiend's: there's hell, there's darkness, there is the sulphurous pit, burning, scalding, stench, consumption! Fie, fie, fie! Pah, pah! (4.6.120 ff.)


    Interessant ist auch, dass Shakespeare Queen Lear komplett rausgeschnitten hat. In seiner Quelle zu King Lear teilt der König aus Trauer über den Tod seiner Frau sein Reich auf. Hier gibt es überhaupt keine Erklärung. Das einzige Mal, dass eine Mutter in King Lear erwähnt wird ist an dieser Stelle:


    Lear:
    O, how this mother swells up toward my heart!
    Hysterica passio, down, thou climbing sorrow,
    Thy elements below
    (2.2.246)


    An der Stelle wird klar, dass Lear denkt, dass er an Hysterica Passio leidet. Das ist eine Krankheit, bei der man damals davon ausging, dass es im männlichen Körper auch einen Uterus geben kann und dieser frei beweglich ist. Wenn er zu weit nach oben wandert, dann drückt er gegen das Herz. Die Krankheit war auch als „Suffocating Mother“ (Erstickende Mutter) bekannt. Das wird so interpretiert, dass Lear seinen Frauenhass so sehr verinnerlicht hat, dass er sich sowohl in ihm selbst als diese Krankheit, als auch um ihn herum in der Natur verdeutlicht. Der Sturm wird auch als sehr weiblich beschrieben:
    And thou, all-shaking thunder,
    Strike flat the thick rotundity o’the world,
    Crack nature’s moulds, all germens spill at once
    That make ungrateful man!
    (3.2.6 ff.)
    Die Welt ist so rund als wäre sie schwanger und Lear spricht von Samen, der verspritzt wird. :zwinker:


    Außerdem ist Lear wohl das Stück in dem am häufigsten das Wort „nothing“ vorkommt, was damals ein umgangssprachliches Synonym für Vagina war. Männer haben ein „thing“ und Frauen eben „no-thing“. (Das erklärt auch die Doppeldeutigkeit vom Titel des Stücks „Much Ado About Nothing“. :zwinker:) Das Stück ist einfach besessen von weiblicher Intrige und weiblicher Identität überhaupt.

    &quot;This was another of our fears: that Life wouldn&#039;t turn out to be like Literature&quot; (Julian Barnes - The Sense of an Ending)

  • King Lear ist wohl generell das "frauenfeindlichste" Stück. Ist euch die krasse Stelle aufgefallen, als Lear über den weiblichen Unterleib spricht?


    The fitchew, nor the soiled horse, goes to't with a more riotous appetite. Down from the waist they are centaurs, though women all above. But to the girdle do the gods inherit, beneath is all the fiend's: there's hell, there's darkness, there is the sulphurous pit, burning, scalding, stench, consumption! Fie, fie, fie! Pah, pah! (4.6.120 ff.)


    Ja, diese Stelle fand ich auch heftig, aber ich musste auch grinsen.



    Das gefällt mir immer so an Deinen Beiträgen, Mrs Dalloway. Deine Beiträge helfen immer sehr, das Stück richtig zu verstehen und in einem ganz anderen Zusammenhang zu sehen. Dass der Sturm sehr weiblich ist, ist mir übrigens nicht aufgefallen.



    Außerdem ist Lear wohl das Stück in dem am häufigsten das Wort „nothing“ vorkommt, was damals ein umgangssprachliches Synonym für Vagina war. Männer haben ein „thing“ und Frauen eben „no-thing“. (Das erklärt auch die Doppeldeutigkeit vom Titel des Stücks „Much Ado About Nothing“. :zwinker:) Das Stück ist einfach besessen von weiblicher Intrige und weiblicher Identität überhaupt.


    Nun werde ich wohl immer grinsen müssen, wenn ich diesen Titel lese. :breitgrins:


    Viele Grüße Tina

  • :winken: Theoretisch bin ich auch noch da, praktisch funktioniert allerdings mein Internetzugang mal wieder nicht. :sauer: Da ich nicht weiterlesen wollte, bevor ich was zum 2. Akt geschrieben habe, stecke ich dort immer noch fest. Hoffentlich lässt mir die Arbeit genug Zeit dazu, was zu schreiben.


    Also zu Akt II:
    Den Kent habe ich gefressen! So ein arroganter, gemeiner Schnösel! Stürzt sich, sobald er nur die Möglichkeit bekommt auf Oswald und beleidigt ihn auf's Gröbste. Die beleidigungen sind natürlich amüsant zu lesen und sorgen im Theater sicher für einige Lacher, aber was fällt ihm eigentlich ein?
    Und dann stilisiert er sich gar noch zum Opfer, dass gaaanz unschuldigerweise in Fußblöcke gelegt wird. Dabei hat er doch gar nichts getan :rollen:, nicht wahr? Ich denke, diese Szene soll zeigen, wie böse Regan und Cornwall sind. Bestrafen sie diesen Unschuldsknaben doch so grausam. (Ich hoffe, ihr versteht meine Ironie.)


    Natürlich ist die Handlungsweise der Töchter und deren Gatten auch nicht gerade nett, aber wie sehr Lear sich immer noch vormacht, die andere würde ihn aber besser behandeln, spricht nicht gerade für eine kluge, realistische Einschätzung der Situation. Als ihm diese dann endlich richtig klar wird, rastet er total aus, brüllt rum, schwört Rache, rennt weg und erinnert mich an ein kleines Kind, das seinen Willen nicht bekommt.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Dieses Stück hat die Bezeichnung "Tragödie" wirklich verdient. Im 5. Akt spitzt sich die Situation nochmal richtig zu. Auch wenn die Bösewichte alle ihr Schicksal verdienen, muss ich doch sagen, dass es mich im Fall von Regan und Goneril richtig freut. Dieses hinterhältige gegenseitige Ausspielen ist furchtbar, aber das sind eben die Waffen der Frauen, die keine anderen Mittel haben. Leider sterben zuletzt nicht nur die Bösen, wobei es für Lear eine Erlösung sein dürfte, da er letztlich wirklich alles verloren hat bis hin zu seinem Glauben. Und alles nur, weil er vorzeitig abdankte.


    Wie ist denn der letzte Ausspruch von Kent zu verstehen:
    "Ich muss zur Reise bald gerüstet sein;
    Mein Meister ruft, ich darf nicht sagen: nein!"

    Soll das bedeuten, dass er nun ebenfalls Selbstmord begeht?

  • Doris: Ja, Kent begeht Selbstmord. Er ist so sehr der treue Diener, dass er ohne Meister nicht leben will.


    Ist euch eigentlich aufgefallen, dass der Narr einfach verschwindet? Das passiert sehr selten. Die, die Richard III gelesen haben, haben das schon bei Margaret erlebt. Auch sie war ja eher eine Kommentatorin der Handlung als eine Akteurin und durfte die Bühne daher auch unbeschadet und in Ruhe verlassen.

    &quot;This was another of our fears: that Life wouldn&#039;t turn out to be like Literature&quot; (Julian Barnes - The Sense of an Ending)


  • Doris: Ja, Kent begeht Selbstmord. Er ist so sehr der treue Diener, dass er ohne Meister nicht leben will.


    Ist euch eigentlich aufgefallen, dass der Narr einfach verschwindet? Das passiert sehr selten. Die, die Richard III gelesen haben, haben das schon bei Margaret erlebt. Auch sie war ja eher eine Kommentatorin der Handlung als eine Akteurin und durfte die Bühne daher auch unbeschadet und in Ruhe verlassen.


    Ohh, das ist mir gar nicht aufgefallen, weder das eine noch das andere. Mmm, dass Kent sich tötet, finde ich doch etwas übertrieben, aber nun ja, wenn er ansonsten keinen Sinn mehr in seinem Leben sieht, der Arme.

  • Eine Stelle wollte ich noch ganz besondern hervorheben, weil sie meine Lieblingsstelle in Shakespeares Gesamtwerk ist:


    Lear
    And my poor fool is hanged. No, no, no life!
    Why should a dog, a horse, a rat have life
    And thou no breath at all? Thou'lt come no more,
    Never, never, never, never, never.


    Ich empfehle euch, die Stelle jetzt mal laut zu lesen. Das ist nämlich so, dass die ersten drei Zeilen ganz streng im jambischen Pentameter sind (Rhythmus: 5mal da-DUM). Und die letzte Zeile dreht das Versmaß dann komplett um (5mal DUM-da). Das wirkt auf der Bühne, wenn man einen guten Schauspieler hat, wirklich sehr gut und kann dann als der Moment dargestellt werden, wo der arme alte Lear komplett zusammenbricht, keine Beherrschung mehr über seine Sprache hat und einfach nur noch aufgibt.


    Hier ist Lears Todesszene aus dem Fernsehfilm mit Laurence Olivier, der übrigens komplett auf youtube ist. Da merkt man auch, dass er sehr darauf bedacht ist, zu betonen, wie regelmäßig das Versmaß in den Versen vor "Never, never..." ist, finde ich.


    Schauspieler beschweren sich übrigens immer darüber, wie schwierig Lear zu spielen ist, weil man dafür ja doch schon recht alt sein muss und dann steht man 3 Stunden auf der Bühne (manchmal sogar im Regen) und hat Wutanfälle etc. und dann muss man am Schluss noch Cordelia auf die Bühne tragen. Das ist oft hart für Schauspieler.


    Und noch etwas interessantes: In der gerade zitierten Stelle steht ja: "And my poor fool is hanged" Das ist eine Anspielung darauf, dass Cordelia und der Narr traditionell gedoublet werden. Damals hatte man nie genug Schauspieler und musste manche Rollen dann an einen Schauspieler vergeben und Cordelia und der Narr wurden dann von einem Schauspieler gespielt, da sie in keiner Szene gemeinsam auftreten. Heutzutage hat man ja meistens genug Schauspieler und ich hab es dann schon öfter gesehen, dass der Narr auch die erste Szene schon als stiller, allwissender Zuschauer aus dem Hintergrund beobachtet.

    &quot;This was another of our fears: that Life wouldn&#039;t turn out to be like Literature&quot; (Julian Barnes - The Sense of an Ending)


  • Ist euch eigentlich aufgefallen, dass der Narr einfach verschwindet?


    Jetzt, wo du es sagst...



    Schauspieler beschweren sich übrigens immer darüber, wie schwierig Lear zu spielen ist, weil man dafür ja doch schon recht alt sein muss und dann steht man 3 Stunden auf der Bühne (manchmal sogar im Regen) und hat Wutanfälle etc. und dann muss man am Schluss noch Cordelia auf die Bühne tragen. Das ist oft hart für Schauspieler.


    Um so besser nachvollziehbar, wie schlimm es sein muss, wenn man das im wirklichen Leben ertragen muss. Zu all der physischen Anstrengung auch noch die psychische Belastung - da ist es verständlich, wenn man sich aus dem Leben verabschieden möchte.


    Ich stelle wieder einmal fest, dass mir ohne diese Leserunden einiges von der Faszination entgehen würde, die die Shakespeare-Dramen entfachen. :smile: