Kari Köster-Lösche - Die letzten Tage von Rungholt

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    Kari Köster-Lösche - Die letzten Tage von Rungholt


    Inhalt:


    Friesland im Jahr 1361. Der Salzsieder Arfast muss sich gegen Machtgier und Ignoranz zur Wehr setzen. Denn die führenden Männer seiner Heimat drohen die Marsch durch exzessiven Salzabbau in höchste Gefahr zu bringen. Doch die Warnungen des jungen Mannes verhallen ungehört. Als Arfast sich bis zum König durchschlägt, um diesen um Hilfe zu bitten, fällt er einer infamen Verschwörung zum Opfer und gerät in Lebensgefahr.

    Meine Meinung:


    Leider konnte mich dieser Roman nicht überzeugen. Ich hatte vor allem viel Nordsee-Atmosphäre erwartet, wie sie in Kari Köster-Lösches historischen Krimis um den Deichinspektor Sönke Hansen perfekt getroffen und transportiert wird. Hier dagegen kam so etwas wie Lokalkolorit sehr eingeschränkt bei mir an; natürlich spielen sich viele Szenen am Meer ab und die Autorin lässt auch zahlreiche Fachausdrücke (die glücklicherweise in einem Glossar erklärt sind) in die Handlung einfließen. Trotzdem, bei mir hat das Kopfkino nicht funktioniert, obwohl ich das Buch am Originalschauplatz gelesen habe...


    Dazu noch gefiel mir die Geschichte an sich nicht besonders gut. Im Mittelpunkt stehen die Interessen der Kaufleute, die Intrigenspiele um Macht und Besitz, um Schachzüge im politischen und kaufmännischen Sektor. Die Hauptfiguren erleiden ein ständiges Auf und Ab in ihrem Widerstand gegen Willkür und Obrigkeit, aber ich konnte mich davon nicht richtig fesseln lassen und mit ihnen mitfiebern. Teilweise hatte der Roman auch richtige Längen, die mich fast zum Aufgeben gebracht hätten. Am besten hat mir noch die Beschreibung des Salzabbaus und der Salzsiederei gefallen, das war neu für mich und sehr lehrreich.


    Das eigentlich Interessante allerdings, nämlich der Untergang Rungholts, wird leider verschenkt. Letztendlich erfährt der Leser das Geschehen erst im Nachhinein aus Erzählungen der Figuren. Keine dramatischen Untergangsszenen, keine Katastrophenstimmung – der Untergang Rungholts besteht vor allem in Verlustzahlen und Statistiken, wie langweilig. Da hätte ich mir sehr viel mehr erwartet, und auch ohne das Thema zu überreizen, hätten ein paar spannende, vielleicht auch traurige Momente dem Buch ganz gut getan. Die hätte ich gerne gegen eine völlig überflüssige Hinrichtungsszene eingetauscht. Aber gut, die Autorin hat sich nun mal für diese Art der Aufbereitung des Themas entschieden.


    Schade, damit hat sie meinen Geschmack nicht getroffen und ich kann leider nicht mehr geben als


    2ratten

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel

  • Als erstes kam mir bei dem Titel das Gedicht "Heut bin ich über Rungholt gefahren..." in den Sinn und habe mich gefreut. Aber wenn das eigentlich dramatische, der Untergang darin so wenig beachtung findet, überlege ich es mir noch mal.

  • Apfelkuchen: im Prinzip dreht sich der ganze Roman fast nur um das Thema Rungholt und sein Untergang, nur wird eben dadurch ein Spannungsbogen erzeugt, der am Ende aber nicht zu meiner Zufriedenheit aufgelöst wird. Klar, jeder weiß, dass Rungholt untergegangen ist, aber ich hätte mir da einfach ein paar mehr dramatischere Bilder gewünscht. Der Fokus der Geschichte liegt eben mehr auf den politischen und kaufmännischen Intrigen, die zur übertriebenen Ausbeutung führen und damit überhaupt erst die Katastrophe verursachen.


    Wenn du auch so wie ich dabei sein willst, wie das Wasser langsam ansteigt und die Bewohner ihr Hab und Gut zusammenraffen: lass am besten die Finger davon... :breitgrins:

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel

  • So unterschiedlich beurteilen Leute Bücher... Ich habe den Roman 2004 gelesen und Folgendes notiert:


    Zitat

    Arfast Ketelsen ist zwar eine fiktive Figur, der Untergang von Rungholt ist aber Tatsache, und in Kari Kösters Buch wird spannend und dramatisch beschrieben, wie es zur Katastrophe kommt.


    :breitgrins:


    Ich verzichte darauf, die ganze Rezi hier zu posten, da ich das Gefühl habe, dass ich das Buch heute anders beurteilen würde - eher in die Richtung, in die Miramis' Meinung geht... Ich gab damals 5 von 10 Punkten, heute würden es wohl weniger :smile: Aber offenbar hat mich die fehlende Dramatik beim Untergang nicht gestört.

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • @Alfa: ich hab mir deine komplette Rezi durchgelesen und du hast das schon auf den Punkt gebracht; die Spannung fehlt ja nicht gänzlich im Buch, aber liegt schwerpunktmäßig bei Arfasts Handeln und sein Aufbegehren gegen die Obrigkeit. Es fehlt auch nicht an dramatischen Szenen, bis es zum Untergang kommt; Hinrichtung, Vergewaltigung, Gefangennahme, Kämpfe... nur die Sintflut selbst geht irgendwie unter. Naja, letztendlich sagt ja der Titel auch, dass es um die letzten Tage von Rungholt geht und nicht um den Untergang von Rungholt, wenn man es genau nimmt.


    Mit der Karte bin ich übrigens im Gegensatz zu dir gut zurecht gekommen, mich hat eher das lästige Geblätter im Glossar genervt. Aber immerhin gibts eins.

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel


  • Wenn du auch so wie ich dabei sein willst, wie das Wasser langsam ansteigt und die Bewohner ihr Hab und Gut zusammenraffen: lass am besten die Finger davon... :breitgrins:


    Ich werde es mal auf den hinteren (geistigen) Stapel legen. Das Problem ist wohl, das ich mir bei dem Thema immer das vorstelle, was auch in der Sage (Nonne überlebt usw.) vorstelle.

  • Vor ein paar Tagen begann ich das Buch: Es geht um die bei der großen Sturmflut von 1362 untergegangene Stadt Rungholt, die aus Dokumenten historisch gesichert existiert hat, von der man aber bis heute nicht genau weiß, in welchem Bereich der heutigen nordfriesischen Inseln sie gelegen hat.


    Der Roman lässt sich ziemlich zäh an: Es geht um einen Torfsalzabbauer, der von kaufmännischen und politischen Intrigen Wind bekommt und merkt, dass die geplanten Unternehmungen die ohnehin nur schwach gesicherte nordfriesische Küstenlinie gefährden könnte. Historisch - wie ich gelesen habe - ist der dargestellte Zusammenhang zwar möglich, aber keineswegs sicher.
    Allerdings wird das an sich sehr spannende Thema durch viele nautische und friesische? Begriffe ein wenig entstellt, und so habe ich erstmal eine kleine Pause eingeschoben. Werde das Buch aber sicher im Rahmen des April beenden.

    Einmal editiert, zuletzt von finsbury ()

  • Inzwischen ist der Roman entweder interessanter geworden oder ich habe mich eingelesen. Der Protagonist - Arfast - hat erkannt, dass der Salzabbau das Land unverantwortlich tiefer legt. Außerdem merkt er, dass sich keiner richtig um die Deiche kümmert, sondern nur auf kurzfristigen Profit aus ist. Eine Liebesgeschichte spielt natürlich auch eine Rolle, hält sich aber angenehm im Hintergrund. Habe jetzt ungefähr die Hälfte gelesen.

  • Nun habe ich den Roman ausgelesen.


    Zur Autorin:
    Kari Köster-Lösche, geboren 1946, lebt in Nordfriesland und arbeitet(e?) neben ihrer literarischen Tätigkeit als Tierärztin. Sie hat außer wissenschaftlichen Veröffentlichungen schon einige historische Romane, die wohl meist im Mittelalter spielen, geschrieben, z.B. "Die Hakima" und "Die Raubritterin" sowie deren Sequels.


    Zum Inhalt:
    1361 finden an der nordfriesischen Küste einige Verschwörungen und Machenschaften zur persönlichen Bereicherung und Karriere der weltlichen und kirchlichen Verwaltungskräfte des dänischen Königs Waldemar Atterdags und des schleswigschen Bischofs statt. Sie wenden sich gegen den König und auch den Bischof. Aus Gewinnsucht wird schon seit Jahren der Salzabbau aus dem Torf der Utlande, also des Landes vor den Deichen, forciert, was dazu führt, dass diese Gebiete wegen der Drainage und des Abbaus immer tiefer sinken. Dabei werden auch Gebiete hinter dem Deich "ausgedeicht", d.h. aus dem Deichverbund genommen. All dem kommt der junge Salzabbauer Arfast Ketelsen auf die Spur und heimst sich damit viel Ärger ein. Er kommt in Haft, sein und das Leben seiner Angehörigen sind öfters bedroht und er wird unter den Kirchenbann gestellt. Obwohl er den Einwohnern von Rungholt, einem historisch belegten Handels- und Hafenstädtchen, damals ungefähr zwischen Nordstrand und Pelworm gelegen, immer wieder erklärt, wie gefährlich ihr fahrlässiger Umgang mit den Deichen und der Salzabbau sind, hört niemand auf ihn, sie wenden sich sogar gegen ihn.
    Die Konsequenz ist die historisch belegte "Große Mandränke" im Januar 1362, die weit mehr als 7000 Menschen das Leben kostet und die großen Utlande der damaligen Zeit für immer verschwinden ließ.


    Meine Meinung:
    Der Roman ist - nach anfänglichen Leseschwierigkeiten, da die Autorin Orte und Inseln erwähnt, deren Lage für die Handlung wichtig ist, die aber im beigegebenen Kartenmaterial nicht erscheinen, ganz interessant: Man erfährt einiges über das Leben im mittelalterlichen Nordfriesland und es wird auch nichts beschönigt und verkitscht.
    Leider kommen die Vorkommnisse während der Sturmflut an sich nur auf anderthalb Seiten und dann nur im zusammenfassenden Rückblick vor. Man kann der Autorin wirklich nicht vorwerfen, dass sie die Sensationsgier ihrer Leser bedient, dennnoch hätte ich mir mehr Dramatik durch eine ausführlichere Schilderung der Vorkommnisse während der Flut gewünscht.
    Es ist, wie wenn man bei einer Fußballübertragung die taktischen Besprechungen vor dem Spiel und die Kommentare nach dem Spiel mitbekommt, aber vom Spiel selber nichts sieht.
    Dass der Salzabbau einen Anteil an der Flutkatastrophe hat, ist übrigens, wie ich gelesen habe, durchaus umstritten.

    Fazit:
    Durchaus lesenswert, wenn man sich für das Mittelalter und Nordfriesland interessiert, aber ein Muss ist der Roman nicht.