George Eliot - Middlemarch

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 3.762 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Valentine.

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Inhalt
    England um 1830: Middlemarch ist eine typische Kleinstadt im Zeitalter der beginnenden Industrialisierung. Die junge Dorothea Brooke heiratet den wesentlich älteren Gelehrten Edward Casaubon den sie wegen seines Geistes verehrt. Niemand in Middlemarch glaubt, dass die Ehe zwischen der jungen, schönen Dorothea Brooke und dem alternden Gelehrten Edward Casaubon glücklich werden wird. Tatsächlich fängt Dorothea bald an sich zu langweilen. Dann freundet sie sich mit Casaubons jüngerem Cousin Will Ladislaw an. Gleichzeitig hat es die schöne, verwöhnte Rosamond Vincy auf den idealistischen aber armen Doktor Lydgate abgesehen. Lydgate ist überzeugter Junggeselle, aber Rosamond hat andere Pläne. Rosamunds Bruder Fred wiederum liebt Mary, ein Mädchen aus einer armen Familie. Obwohl die seine Gefühle erwidert steht ihre Beziehung lange unter keinem guten Stern.


    Meine Meinung
    Der Untertitel Eine Studie aus der Provinz beschreibt den Roman meiner Meinung nach perfekt. Denn Middlemarch ist keineswegs nur die Kombination aus den oben erwähnten Liebesgeschichten. George Eliot beschreibt das Leben in der kleinen Stadt Middlemarch mit allen Höhen und Tiefen. Jeder kennt jeden, was oft hilfreich, meistens aber auch lästig sein kann. Eine unbedachte Äusserung oder eine falsche Geste kann einen Menschen für immer aus der Gemeinschaft ausschliessen. Im Verlauf der Geschichte gibt die Autorin immer mehr Klatsch und Intrigen der Einwohner von Middlemarch preis und ich durfte erkennen, dass nicht alle so freundlich zu einander sind wie es zuerst schien.


    Dorotheas Geschichte war für mich die interessanteste. Aus der aufgeweckten jungen Frau wurde im Verlauf ihrer Ehe eine kleine Maus, die keinen eigenen Willen mehr zu haben schien und nur noch für einen Mann lebte, der sie sogar nach seinem Tod noch zu gängeln versuchte. Erst langsam fand sie zu ihrem alten Ich zurück, das mir viel besser gefiel als die Rolle der Ehefrau.


    Auch wenn die Handlung durchaus interessant war konnte mich das Buch nicht so richtig fesseln. Vielleicht lag es an den Menschen aus Middlemarch, die mir mit ihren kleinen und großen Problemen und Intrigen nicht wirklich sympathisch wurden. Vielleicht wurde ich auch nur von der Länge des Buchs erschlagen, ich weiß es nicht. Trotzdem bin ich froh, dass ich diese Leselücke geschlossen habe.
    3ratten


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Danke für die Rezi!


    Kennst Du die Verfilmung? (Damit ging es mir ähnlich wie Dir mit dem Buch, streckenweise war sie etwas länglich, insgesamt aber nicht schlecht.)

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Wie so ziemlich alle anderen englischen Klassiker hat die BBC auch dieses Buch verfilmt (als 7-teilige Miniserie) :smile:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Du warst ja doch recht schnell durch mit dem Wälzer, Kirsten! :winken:
    Das Buch subt bei mir noch, bin schon sehr gespannt. Das viktorianische England ist an und für sich genau meins. :smile:

  • Middlemarch ist um 1830 ein typisches englisches Städtchen mit den üblichen gesellschaftlichen Verhältnissen - den ehrwürdigen alteingesessenen Honoratioren, aufstrebenden Neureichen, einer Vielzahl von Kirchenmännern, hart arbeitenden "Mittelklasse"-Familien und ärmlich lebenden Tagelöhnern.


    Der Fokus des Buches liegt auf einer Handvoll Personen, deren Schicksale durch verwandtschaftliche Beziehungen, berufliche Kontakte und natürlich auch durch die Liebe miteinander verflochten sind. Zum einen gibt es die belesene, idealistische und manchmal etwas weltfremde Dorothea Brooke, die Gutes und Bedeutendes tun möchte und mit ihren hehren Vorstellungen von Ehe und Liebe den verknöcherten Gelehrten und Geistlichen Casaubon heiratet, der eigentlich nur eins im Sinn hat, nämlich das Buch fertigzustellen, das er als sein Lebenswerk betrachtet. In krassem Gegensatz dazu steht sein Großcousin Will Ladislaw, ein junger Künstler, dessen freigeistiges Denken und sonniges Gemüt Casaubon genauso ein Dorn im Auge sind wie sein unsteter Lebensstil ohne einen "ehrbaren" Beruf.


    Ein vielbeachteter Neuankömmling in Middlemarch ist der junge Arzt Tertius Lydgate. Mit seinem Interesse an modernen medizinischen Methoden und wissenschaftlichem Fortschritt wird er von den alteingesessenen Ärzten misstrauisch beäugt, während Rosamond Vincy, die kokette und standesbewusste Tochter des Bürgermeisters, aus ganz anderem Grund ein Auge auf ihn geworfen hat: sie sieht in ihm den Schlüssel zu ihrem heißersehnten gesellschaftlichen Aufstieg und umgarnt ihn nach allen Regeln der Kunst.


    Rosamonds Bruder Fred ist seit seiner Kindheit in Mary Garth verliebt. Die Garths sind eine rechtschaffene und äußerst sympathische vielköpfige Familie, aber in den Augen der Vincys nicht standesgemäß und viel zu arm. Marys Eltern wiederum sind nicht sehr angetan von Freds Hang zum Glücksspiel und ähnlichen Dingen, gerade weil sie mit Geldsorgen so vertraut sind.


    George Eliot zeichnet auf über 800 Seiten ein detailreiches, lebendiges Bild von Middlemarch und seinen Bewohnern. Besonderes Augenmerk liegt natürlich auf den Hauptpersonen, doch in scharf gezeichneten kleinen Szenen lernen wir auch unzählige Nebenfiguren gut kennen. Dabei zeigt sich, dass gewisse Eigenheiten wie gnadenloser Dorfklatsch, Argwohn gegenüber technischen Neuerungen und Misstrauen gegen alles Ungewöhnliche offenbar in der Natur des Menschen liegen und vor 200 Jahren genauso verbreitet waren wie heute.


    Anfangs hatte ich meine Befürchtungen, es könne immer wieder recht langatmig werden, doch das war bis auf ganz wenige Passagen überhaupt nicht der Fall, im Gegenteil, es wurde immer spannender. Eliot ist eine großartige Beobachterin der menschlichen Natur, formuliert wunderschön und kann sowohl bissige als auch witzige oder unkitschig gefühlvolle Töne anschlagen. Ich hätte mir seitenweise Zitate herausschreiben mögen und gerne noch viel mehr über Dorothea, Will, Lydgate und Mary erfahren.


    Abschließend bleibt noch anzumerken, dass die Clothbound-Classics-Ausgabe nicht nur optisch hübsch, sondern mit ihren Fußnoten und einem informativen Vorwort (das man aber besser hinterher lesen sollte) auch fürs bessere Verständnis des historischen Kontextes und weitere Hintergrundinfos sehr empfehlenswert ist.


    5ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





    Einmal editiert, zuletzt von Valentine ()

  • [size=13pt]George Eliot – Middlemarch[/size]

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    OT: Middlemarch
    OA: 1872
    1236 Seiten
    ISBN: 978-3866475533


    Inhalt:
    Im englischen Örtchen Middlemarch verflechten sich vor dem Hintergrund der beginnenden Industrialisierung die Schicksale mehrerer Personen: Die junge und idealistische Dorothea Brooke erhofft sich von der Ehe mit dem Gelehrten Casaubon geistigen Austausch. Dr. Lydgate soll das neue Hospital leiten und freit um die schöne Rosamond. Deren Bruder Fred wiederum wirbt lange vergeblich um die Bauerstochter Mary...(Quelle: Amazon)


    Eigene Meinung:
    Dieser Roman hat mich in seinen Bann gezogen. Die Lebensgeschichten der Protagonisten haben mich berührt. George Eliot versteht es die Emotionen sehr differenziert zu beschreiben und dem Leser damit eine sehr große Nähe zu den Protagonisten zu schaffen. Der Schreibstil ist anspruchsvoll und reich an wunderschönen Sätzen. Auch wenn dieser Roman vor fast 150 Jahren geschrieben wurde, so haben sich zwischenmenschliche Beziehungen und Emotionen niemals verändert und die Themen sind trotz des Alters dieses Buches aktuell. Nicht nur die romantische Seite des Buches fesselt, sondern auch die gesellschaftliche. Da George Eliot ein „Kind“ ihrer Zeit ist, sind die Beschreibungen des gesellschaftlichen Lebens aus erster Hand und demzufolge interessant zu lesen.
    Die Autorin ist, für die Zeit in welcher sie gelebt hat, sehr intelligent und vielseitig gebildet, was man an den Schilderungen über Politik, Gesetz und Medizin erkennt. Als außergewöhnliche Frau ihrer Zeit, ist dieses Buch eine Hommage an die Bildung und Emanzipation der Frau. So ist dieses Buch ebenfalls ein mutiges und fast revolutionäres Schriftstück seiner Zeit.
    Das Buch ist, nachdem man endlich alle Protagonisten und ihrer gesellschaftlichen Verbindungen kennengelernt hat, kurzweilig, romantisch und spannend.
    Ich möchte nun auf alle Fälle auch die anderen Bücher dieser Autorin lesen.


    5ratten


    Tina

  • George Eliot - Middlemarch

    (In der deutschen Übersetzung von Melanie Walz 1200 S.)


    Es ist für die meisten für uns ziemlich ungewohnt, wieviel Zeit sich ein Buch aus dem 19. Jahrhundert nimmt, um nicht nur die Umstände, sondern auch die Gedankengänge seiner Personen bis ins letzte auszuleuchten, um sie uns dann genau und geschliffen formuliert zu präsentieren. Mich hat das ein wenig an einige russische Klassiker erinnert, die ich vor längerer Zeit gelesen habe.

    Ein wenig sehe ich eine Parallele zur Entwicklung in der Malerei vom ganz naturalistischen, lediglich künstlerisch Angeordneten zum impressionistischen Stil, der Dinge oft nur andeutet oder durch hervorgerufene Stimmungen oder exemplarisch beschreibt. Mir fällt aktuell kein besserer Vergleich ein, wenn ich ein Buch wie Middlemarch mit einem guten modernen Roman vergleiche. (Bei ganz abstrakter Kunst und rein experimenteller Literatur ist mein eigener Zugang nur sehr partiell und rein subjektiv - ich finde es immerhin interessant, das moderne Stilmittel des Gedankenstroms mit Eliots minutiöser, im Vergleich vielleicht konventionelleren, dafür eindeutigeren Darstellungen zu vergleichen.. )


    Man braucht als Leser moderner Literatur einen langen Atem für dieses Buch, allein aufgrund der fast schon prinzipiell überlangen Sätze (kleine nur halb verborgene Spitzen entschädigen dafür reichlich..) - aber es lohnt sich definitiv. Jede einzelne Seite in den ersten sechs langen Kapitel ist darauf angelegt, die zweifellos aufregenden Entwicklungen in den letzten beiden verstehen und nachvollziehen zu können - jede Figur bleibt in ihrer Darstellung konsistent und sich selbst treu - keine einzige Figur ist überflüssig.

    Ein beeindruckend kunstvoll geschriebener Roman, und eine unglaublich interessante Darstellung der Verhältnisse und Denkweisen im England des frühen mittleren 19. Jahrhunderts (die Zeit ist um einiges früher als das Erscheinungsdatum angesiedelt).

    Einmal editiert, zuletzt von Alice ()