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Dirk Wittenborn - Unter Wilden
Amazon-Text:
Der vaterlos aufwachsende Finn Earl hat für sein Alter schon einiges gesehen. Sex in all seinen Spielarten ist für den 15-Jährigen dank Moms hoch frequentem und lautstarken Liebesleben längst kein Fremdwort mehr. Liz Earl, alkohol- und heroinsüchtig, ein überkandideltes Hippieüberbleibsel und ihr Spross, ein daueronanierender, schlitzohriger Schwindler, bilden eine perfekte Symbiose. Diese droht zu zerbrechen, als Finn als Drogenbeschaffer seiner Mutter auffliegt und seine reichen Großeltern das erzieherische Heft in die Hand nehmen wollen. Die Polizei tritt auf den Plan -- Mutter und Sohn bleibt nur die Flucht ins Hinterland.
Dieses präsentiert sich als albtraumhafte aber blitzsaubere Kommune Vlyvalle in New Jersey, Enklave und Dauererholungsgebiet einer superreichen Ostküstenschickeria. Eine von Moms zahlreichen Künsten ermöglichte den Unterschlupf in der Villa des greisen Milliardärs Osborne, dem sie als Masseurin tantrische Alterswonnen verschaffte. Auch der pubertierende Finn legt, kaum, dass er die wippenden Brüste von Osbornes Hausmädchen Jilly erspäht hat, alle Fremdheitsgefühle ab.
In Vlyvalle, wo der Dreck unter sauber gestutztem Rasen entsorgt wird, hat Dirk Wittenborn sein Thema gefunden. Am Beispiel der Yanomami, einem wilden Amazonas-Stamm, deren Leben Finns abwesender Ethnologenvater erforscht, zeigt er auf, wo die wahren Wilden hausen. Seziermessergleich legt Wittenborn die fein verwurzelte Welt der amerikanischen Elite frei -- abgeschottet, diskret, skrupellos und sehr weit reichend. In den Vlyvalles Amerikas reift die politische Klasse des Landes heran. Das Paradies wirft jedoch sehr bald schwarze Schatten, als Finn sich in Maya, Osbornes Enkelin verknallt. Die Fassade der heilen Welt bröckelt endgültig, als Finn Opfer einer Vergewaltigung wird. Gegen Ende nimmt Wittenborns Story zusätzlich Fahrt auf und wandelt sich zum veritablen Thriller.
Mein Eindruck:
Mit dem zweiten Teil der Amazon-Beschreibung bin ich voll einverstanden, mit dem ersten nicht ganz - ich finde die Charakterbeschreibungen von Mutter und Sohn nicht ganz zutreffend.
Die Mutter, Elizabeth, würde ich nicht ausschließlich als "überkandidelt" bezeichnet, sondern eher als orientierungslos. Was sie immer wieder sympathisch macht: Sie liebt ihren Sohn wirklich und setzt viel, teilweise aber fragwürdig eingesetzte, Energie daran, das gemeinsame Los zu verbessern.
Finn seinerseits ist in vieler Hinsicht überraschend "unverdorben" und naiv - trotz seines (völlig altersgemäß ausgeprägten...) Interesses an Sex ist er über den größten Teil der Handlung auch noch "Jungfrau". Das enge Zusammenleben mit seiner sexuell sehr aktiven sehr jungen Mutter ist diesbezüglich für ihn oft nicht einfach... beide Hauptpersonen konsumieren definitiv zu viele Drogen.
Im Hauptteil des Buches geht es sehr viel darum, was viel Geld mit Menschen macht - und umgekehrt. Dabei werden etliche sehr verschiedene Charaktere teilweise recht differenziert beschrieben und analysiert, zwei auf verschiedene Art abwesende Väter spielen dennoch eine große Rolle, und es gibt eine zunächst überraschend normale Liebesgeschichte, die sich handlungsmäßig passend entwickelt.
Dirk Wittenborn (*1951) ist Angehöriger der Hippiegeneration und sein Vater war ein Professor für Psychologie, der sich überwiegend genau mit den Themen beschäftigte, um die es in diesem recht ungewöhnlichen Roman geht. Weder ein Wohlfühlbuch noch (mMn) ein absolutes Meisterwerk - aber sicherlich ein lesenswertes Buch mit einem oft satirischen Blickwinkel und vielen Situationen zwischen Tragik und Komik.