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Titel: The Mystery of Edwind Drood/Das Geheimnis des Edwin Drood
Autor: Charles Dickens
Allgemein:
400 S.; Modern Library; 2009 (erstmals 1870 erschienen)
Info zum Herausgeber: Matthew Pearl hat selbst einen Roman geschrieben der sich mit Edwin Drood beschäftigt. Darin versucht er in einer Kriminalhandlung auch ein mögliches Ende zu beschreiben. Das letzte Kapitel heißt dieser Roman auf deutsch.
Inhalt:
Cloisterham eine Kleinstadt in England in ländlicher Gegend:
Edwin Drood ein Waise ist verlobt mit Rosa Bud. Doch beide möchten die Verlobung schnellst möglich auflösen. Währenddessen ist Edwins Onkel und Vormund John Jasper verliebt in Rosa und hätte sie gerne für sich selbst. Doch die junge Frau ist nicht interessiert und scheint sich auch vor ihm zu fürchten. Dem Leser erscheint John auch alles andere als seriös. Er hat zwei Gesichter und das eine zeigt seine Opiumsucht. Nach außen hin präsentiert er sich jedoch als Gentleman von Welt. Derweil hat sich in Cloisterham ein Zwillingspärchen eingefunden, Neville und Helena Landless. Neville verliebt sich in Rosa und entfacht zwischen ihm und Edwin einen heftigen Streit der doch durch ein Versöhnungsessen an Heiligabend bereinigt scheint. Doch dann meldet John Jasper den jungen Mann am Morgen als vermisst. Nach sechs Monaten ist er immer noch nicht wieder aufgetaucht. Ist Neville der Mörder? Oder hat Jasper doch ein so starkes Motiv? Oder ist Edwind Drood gar überhaupt nicht tot? ... An dieser stelle bleibt dem Leser dann nur die Spekulation oder eine der zahlreichen Versuche anderer Autoren den Roman zu beenden. Dickens starb bevor er selbst dazu die Möglichkeit hatte.
Meine Meinung:
Was ist so faszinierend daran einen Roman zu lesen der vom Autor niemals beendet werden konnte? Charles Dickens hat nicht einmal einen kleinen Anhaltspunkt dazu hinterlassen. Aber im Grunde ist es genau diese Faszination des Ungewissen. Letztendlich bleibt es so jedem Leser selbst überlassen. Er darf wirklich Detektiv spielen und seine eigenen Überlegungen anstellen. Lediglich die Befriedigung darüber ob man nun richtig lag oder nicht, die bleibt halt aus. Nicht das es nicht genügend Autoren gab und gibt die ihre Überlegungen gleich schriftlich in Romanform niederlegten. Auch meiner Ausgabe ist im Anhang eine Art Gerichtsverhandlung beigefügt die im Jahr 1914 tatsächlich stattgefunden hat. Für die deutsche Version des Manesseverlags (soweit ich sehen konnte momentan die einzige Ausgabe die es auf deutsch im Buchhandel gibt) hat Ulrike Leonhardt ein Ende geschrieben. Es scheint als wollte man dem Leser dann doch ein richtiges Ende präsentieren und ihn nicht mit dem Fragment alleine zurück lassen. Für mich persönlich hat das aber seinen ganz eigenen Reiz. Klar bleibt nach dem letzten Kapitel das Dickens noch schreiben konnte ein Gefühl der Unbefriedigung zurück, andererseits glaube ich das gerade die Diskussionen darüber wie der Roman wohl beendet worden wäre der halbe Spaß an dem Ganzen sind.
Sprachlich bin ich stark an meine Grenzen gestoßen und habe mir daher für jedes Kapitel sehr viel Zeit nehmen müssen. Es hat schon einige Konzentration erfordert. Dickens schreibt gut aber eben auch anspruchsvoll. Da ich im Original meist eher zeitgenössische englische Romane lese musste ich mich ein wenig um gewöhnen. Schachtelsätze wie man sie von Thomas Mann kennt sind auf englisch nicht so ganz leicht Andererseits macht es Spaß wie Dickens mit seiner Sprache spielt. Wie er eine Atmosphäre schafft. Vor allem zu Beginn, die Szene spielt in einer Opiumhöhle^^ da war ich hautnah dabei.
Edwin Drood ist zugegebener Maßen nicht unbedingt eine Figur die ich mag. Ich hab ihn eher etwas eingebildet im Kopf, aber zumindest scheint er insgesamt aufrichtig zu sein. Denn obwohl er und Rosa verlobt sind beschließen beide diese zu lösen obwohl das bedeutet das Rosas Erbe damit verloren ist. Gerade dieser Punkt ist ein entscheidender Dreh und Angelpunkt der Handlung. Von ihr ausgehend kann man dann nämlich überlegen ob Edwins Onkel ihn vielleicht umgebracht hat. Da er selbst in Rosa verliebt ist wäre das sein stärkstes Motiv gewesen. Aber es gibt auch Spekulationen das Drood einfach untergetaucht ist, warum auch immer. Jasper sein Onkel ist wunderbar verschlagen gezeichnet, das hat mir persönlich am meisten Spaß gemacht, wie schlau er es anstellt das man ihn für respektabel hält obwohl dies alles nur Fassade ist. Auch die Zwillinge Neville und Helena sind interessante Figuren, wobei ich schon schmunzeln musste da die Paralellen zu echten Figuren eines Mordfalls der damaligen Zeit (The Suspicion of Mr. Whicher) kennt man die Hintergründe genauer nicht zu übersehen sind.
Die wohl interessanteste und geheimnisvollste Figur des Romanfragments ist sicher Dick Datchery. Warum stellt er so viele unangenehme Fragen und was ist seine Rolle im weiteren Verlauf? Doch gerade auf diese Frage können wir zumindest von Dickens keine Antwort mehr bekommen. Auch wenn es bei genaurem hinsehen durchaus Hinweise geben könnte. Auf so manchen bin ich aber auch erst mit Hilfe des englischen Wikipediaeintrags dazu gestoßen.
Natürlich würde mich interessieren was noch passieren sollte. Und irgendwie hat man ja schon die Hoffnung das vielleicht doch irgendwo ein Manuskript auftaucht... aber eigentlich stehen die Chancen dazu schlecht denn Dickens hatte leider nicht die Angewohnheit Handlungstränge im Vorfeld kurz zu notieren. Bisher hat jedenfalls niemand etwas gefunden. Letztendlich ist der Titel des Romans also auch Wirklichkeit geworden.