Péter Nádas - Parallelgeschichten

Es gibt 23 Antworten in diesem Thema, welches 7.978 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Saltanah.

  • Ich mache nun mal einen eigenen Thread auf, in dem ich hier alles zum Buch sammle.


    Hier schon mal die ersten Rezensionen. Ein Besuch bei einer Lesung mit dem Autor folgt ebenfalls und erste Leseeindrücke werde ich nach 300 Seiten publizieren und dann entscheiden, ob ich weiterlese oder nicht.


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    Péter Nádas - Parallelgeschichten.


    Iris Radisch ist von diesem Werk begeistert. Vielleicht muss man das ja auch sein aufgrund der Rahmendaten: 18 Jahre Arbeit, 1728 Seiten.


    http://www.perlentaucher.de/buch/37722.html


    Die sehr ausführliche und äußerst lesenswerte über zwei Seiten gehende Besprechung kann ich hier nicht im Detail wiedergeben. Einige wenige ausgewählte Zitate:


    "Als er [der Autor] 51 Jahre alt war und bereits seit acht Jahren an den Parallelgeschichten schrieb, blieb sein Herz für dreieinhalb Minuten stehen. In diesen dreieinhalb Minuten, so hat er es später in seinem Buch Der eigene Tod beschrieben, konnte Péter Nádas auf den Grund des Lebens sehen und das Wesen der Dinge erkennen."


    "Es ist grausam schön, unübersichtlich, überraschend, anmutig, lüstern, albtraumhaft und vollkommen labyrinthisch."


    "Keine einfache Lektüre."


    "Seine Sprache ist von makelloser Gewandtheit. Die einzelnen Episoden sind in klassischer Weise schön, durchtrieben, sublim und hypnotisierend in ihrer unnachahmlichen Fähigkeit, die geordneten vermeintlich sicheren Erzähloberflächen an tausend ungeahnten Stellen zu durchbrechen und den Blick in die Tiefe zu ziehen."


    "Die Bettlaken, die ein Paar in einem endlosen Koitus einnässte, sind viele Hundert Seiten später immer noch nicht getocknet."


    "So mag dieses großartige Buch auf mancherlei Weise absichtsvoll und virtuos gescheitert sein. Das macht gar nichts. In der literarischen Landschaft von heute ist das Werk ein Gigant. Wer es gelesen hat, ist nicht mehr derselbe."



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    Auch dazu gibt es eine Leseprobe:
    http://www.rowohlt.de/fm/131/_P_ter_N_Lesen.pdf


    Wikipedia-Eintrag über den Autor:
    http://de.wikipedia.org/wiki/P%C3%A9ter_N%C3%A1das


    Gruß, Thomas


    P.S.


    Interview mit dem Autor in Cicero:
    http://www.cicero.de/salon/pet…te-erlebnis/48272?seite=1


    Tagesspiegel:
    http://www.tagesspiegel.de/kul…le-freilegen/6199218.html

    Einmal editiert, zuletzt von Klassikfreund ()

  • Schon korrigiert. Bin auf Seite 58 von 1723.


    Gruß, Thomas

  • Und - wie ist es bisher? Ich habe mir gerade die Kindle-Leseprobe von Amazon heruntergeladen und werde nachher mal reinlesen.


    Wie ist denn die Aufmachung des Buches? Könnte man es auch auf einem E-Book-Reader lesen, oder benötigt es die Buchform? So ein Wälzer ist nichts für unterwegs, schätze ich. Ich habe aber gesehen, dass Bilder und Texte zu den "Parallelgeschichten" im Begleitband "Lesen" zu finden sind; zumindest diesen sollte man demnach wohl als gedrucktes Buch lesen ...


    Gruß --- Stefan

  • Ja, also natürlich kann ich schon was sagen. Ich besitze beide Bände.


    Das Buch ist wie bei Rowohlt üblich sehr schön aufgemacht. Es hat natürlich sehr dünnes Papier, die Gesamtdicke des Buches ist so noch akzeptabel. Mit 1200 Gramm ist es schon ein ziemlicher Koloss, nichts für unterwegs, da empfieht sich dann doch das um 5 Euro günstigere E-book. Das Begleitbuch ist auf jeden Fall sehr interessant. Es enthält neben einem Text der Übersetzerin einen kurzen zweiseitigen in Deutsch verfassten Text des Autors zur Absicht des Buches. Außerdem enthält es ein längeres Interview, welches hier in übersetzter Form aus dem Originalerscheinungsjahr 2005 vorliegt. Es gibt dann noch eine ausführliche Interpretation zu deren Qualität ich aber noch nichts sagen kann. Zudem sind Fotos von Nadas Arbeitszimmer, seiner Umgebung etc. enthalten. Ebenfalls ganz interessant ist eine lange Liste der benutzten Literatur. Natürlich ist das nicht wichtig, aber es zeigt, auf welchen Wegen der Autor recherchiert hat. Es gibt außerdem noch abgedruckte Originalskizzen zum Konzept des Romans. Wirken auf mich unverständlich und sind wohl eher für Literaturwissenschaflter. Auch Briefe des Autors sind noch enthalten, habe noch nicht geprüft in welche Richtung sie gehen. Also für die 17 EUR bekommt man jede Menge zusätzlichen Inhalt.


    Nun zum Buch:
    Die Sprache ist einfach und elegant. Die ersten beiden Kapitel liest man wie einen Kriminalroman. Ein junger Student findet 1989 im Berliner Park einen toten Mann auf einer Parkbank. Er ist vollkommen aufgelöst und redet wie wild auf die Polizei ein. Wer kennt das nicht, wenn ihm etwas ungewöhnliches passiert ist? Es scheint so zu sein, dass dies dem Studenten selber peinlich ist und auch der Polizei etwas merkwürdig vorkommt. Im zweiten Kapitel fährt er zu seinen Eltern, es ist kurz vor Weihnachten, und besucht seine Tante und er scheint mir ihr ein sexuelles Verhältnis zu haben. So richtig deutlich wird das nicht. Die Stimmung des ganzen Textes ist merkwürdig. Die handelnden Personen kommen mir so vor, als ob sie in einer toten Welt leben, sie agieren zwar, sind aber irgendwie verschlossen und scheinen allesamt Geheimnisse in sich zu tragen. Das Sexuelle spielt ebenfalls eine große Rolle für den Autor, wie man schon der Rezension der Zeit entnehmen kann. So verströmt die gefundene Leiche im Leichenschauhaus einen merkwürdigen Parfümduft, und es wird dann beschrieben wie der Kommissar an den Lenden des Toten schnüffelt. Und dieser Duft erinnert ihn wohl an eine seiner Geliebten, so richtig kann sich der Kommissar aber nicht erinnern. Das ist auf eine Weise beschrieben, dass ich nicht sagen kann, ob man jetzt davon angeekelt ist oder sogar fasziniert. Der Autor handelt das sachlich ab.


    Die bisherige Stimmung ist bisher ein wenig wie im Film Blue Velvet, wenn dir das was sagt. Da wird ja ein Ohr im Gras gefunden und man ist zugleich angewiedert, aber auch irgendwie fasziniert. Und es ist eine unwirkliche Welt.


    Gruß, Thomas

    Einmal editiert, zuletzt von Klassikfreund ()

  • Ein Gespräch mit dem Kritiker Andreas Isenschmid:
    http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=29460
    Der Kritiker ist begeistert.


    Ein Gespräch mit dem Autor:
    http://www.3sat.de/mediathek/m…k.php?obj=29455&mode=play


    Eine Lesung von Ulrich Matthes:
    http://www.3sat.de/mediathek/m…k.php?obj=29456&mode=play


    Ein Interview mit dem Autor in der Frankfurter Rundschau:
    [url=http://www.fr-online.de/literatur/interview-mit-p-ter-n-das-aus-dem-rotlichtmilieu-ins-literaturhaus,1472266,11646398,item,0.html]http://www.fr-online.de/litera…2266,11646398,item,0.html[/url]


    Gruß, Thomas

    Einmal editiert, zuletzt von Klassikfreund ()

  • Das 3. Kapitel wechselt die Szenerie, wir sind in Budapest im Jahr 1961. Schauplatz ist eine Wohnung mit vier Bewohnern. Das Telefon läutet. Das Telefon läutet 40 Seiten später immer noch! Dazwischen wird so einiges aus dem Leben dieser vier Personen erzählt. Der Stil erinnert nun eher an Proust, Nádas beobachtet sehr genau, beschreibt Kleinigkeiten und dennoch zeichnet er dann auch wieder große Striche, so dass auf den Seiten zwischen dem Telefonläuten das Leben dieser vier Personen deutlich wird. Nicht in vollkommener Klarheit, aber so, dass dem Leser die Personen bekannt werden und man deren Schicksal gerne verfolgt. Dieses Zoomen von ganz kleinen Begebenheiten zu den großen Zielen des Lebens scheint mir ein (erstes) typisches Stilmittel des Autors. Und dann geht doch noch endlich jemand an dieses Telefon und die Handlung kann nun weiter voranschreiten. Details dazu werden hier nicht verraten.


    Gruß, Thomas

    Einmal editiert, zuletzt von Klassikfreund ()

  • Das Buch ist in drei Bände unterteilt. Der erste Band umfasst 500 Seiten. Nach 400 Seiten Lektüre kann man schon ein paar Leseeindrücke wiedergeben. Ich mache das in einer Form einer Liste, die für und gegen das Buch Stellung nimmt:


    1. Die einzelnen Kapitel können für sich gelesen werden und funktionieren (bis zu einem gewissen Grad) auch als Kurzgeschichte. Die Sprache ist äußerst elegant, die Kapitel sind durchkomponiert. Wunderbar gemacht, wenn von einem echten Kunstwerk, einem Leistikow (siehe Wikipedia), welches an der Wand der Tante hängt, umgeblendet wird auf den Berliner Schauplatz, an dem der Maler gestanden haben muss, nur jetzt ist es viele Jahre später, nachdem das Bild gemalt wurde. Solche Kapitel liest man und klappt sie mit einem "Wow" zu. Ganz großartig. Nádas schreibt sowohl sehr kurze Kapitel mit weniger als 20 Seiten, aber eben auch lange mit über 100 Seiten. Diese unterschiedliche Betonung tut dem Buch gut.


    2. Nádas ist nicht langweilig.


    3. Der Zusammenhang der Kapitel ist nur lose und man fragt sich, wie die Figuren zusammenhängen. Dass es diesen Zusammenhang gibt, darüber klärt der Begleitband auf, für den Leser ist es aber eher ein Puzzle-Spiel. Nur will ich keine Rätsel lesen, sondern Geschichten.


    4. Es wird verdammt viel gevögelt. Ein einziger Beischlaf kann dann schon mal über 100 Seiten andauern (auf Seite 400 hat man 50 Seiten davon hinter sich, das Kapitel dauert aber 100 weitere Seiten an) und das ist wohl nicht nur für die Beteiligten anstrengend, sondern auch für den Leser. Nádas schreibt keine Pornographie, dazu bleibt er zu sachlich. Über welche Themen sich die beiden währenddessen unterhalten, hat aber einen hohen Unterhaltungswert. Das ist schon unglaublich. Unglaublich verrückt, und damit auch wieder gut.


    5. Man muss äußerst aufmerksam lesen. Nádas bietet wenig Leserführung. Zu Beginn eines Kapitels schreibt er nur von "er" und "sie", so dass man erst nach und nach erfährt, in welcher Szenerie man sich bewegt. Außerdem wechselt er plötzlich in die Erinnerung, die dann seitenlang ausgeführt wird. Ich bin stellenweise über den Wechsel irritiert gewesen. Der nur etwas unaufmerksame Leser wird da nicht bedient. Auch über die Verwandschaftsverhältnisse der Figuren kann man den Überblick verlieren. Ein Personenverzeichnis wäre zumindest im Beiband hilfreich gewesen.


    6. Nádas schreibt in einfacher Sprache. Dennoch wäre eine Kommentierung an manchen Stellen sinnvoll. Wer kennt schon das Oktogon als bedeutenden Verkehrsknotenpunkt in Budapest?


    Schöne Grüße,
    Thomas

  • Das neue Heft von "Literaturen" (das übrigens deutlich in Umfang und Heftgröße reduziert und diesmal tatsächlich zu einer - bald hinfälligen? - Beilage (!) des "Cicero" degradiert wurde...) widmet einen großen Teil der Ausgabe Peter Nádas, seinem Leben und den "Parallelgeschichten". Sehr aufschlussreich! Leider nicht online verfügbar.


  • Das neue Heft von "Literaturen" (das übrigens deutlich in Umfang und Heftgröße reduziert und diesmal tatsächlich zu einer - bald hinfälligen? - Beilage (!) des "Cicero" degradiert wurde...)


    Das Inhaltsverzeichnis der akutellen Beilage trifft ziemlich genau meinen Lesegeschmack. Tja, ob dass das Heft noch rettet. Es wird ohnehin nur noch viermal im Jahr beigelegt.


    Gruß, Thomas

  • Hast du weitergelesen, Klassikfreund?


    Hier in Schweden ist gerade der erste Band (von dreien) erschienen und überschwänglich rezensiert worden. Allerdings schweigt sich der Verlag darüber aus, wann Band 2 + 3 erscheinen.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Bei Seite 800 hatte ich seinerzeit aufgehört. Jetzt wäre es an der Zeit, die Lektüre wieder aufzunehmen. Im Augenblick ist bei mir jedoch ziemliche Leseflaute, der Sommer, die Kinder, der Job, das Internet, die EM ...


    Dass man in Schweden drei Bände herausgibt, finde ich toll. Sicher ein verlegerisch mutiges Projekt für so einen kleinen Sprachraum.


    Gruß, Thomas

  • Über die drei Bände bin ich auch froh, wegen des Lesekomforts. (Wobei ich noch nicht weiß, ob ich mir das Buch überhaupt antun soll.)
    Wie sich ein solches Buch in einem so kleinen Sprachraum* überhaupt rechnen kann, ist mir auch ein Rätsel. Allerdings dürfte es eine Menge sichere Verkäufr geben, nämlich an die Bibliotheken, von denen vermutlich die meisten es einkaufen werden.


    *Es wurde aber auch ins Norwegische übersetzt, der 3. Band ist dort gerade erschienen. Norwegen hat mit seinen knapp 5 Millionen Einwohner ja noch einmal viel weniger Einwohner als Schweden (9,4 Millionen). Irgendwie scheint es sich doch zu lohnen, auch nicht-potentielle Bestseller auch in kleine Sprachen zu übersetzen.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Was kostet denn der eine Band in Schweden?


    Gruß, Thomas

  • Das lässt sich wegen der fehlenden Buchpreisbindung nicht genau sagen. Im Netz fand ich Preise um umgerechnet 20€ herum bei den Internetbuchhandlungen und 30 bis 40€ im stationären Buchhandel. Für einen dickeren (500seitigen), genrefreien Roman sind das die hier normalen Preise, vielleicht etwas höher als der Durchschnitt. (Krimis etc. sind üblicherweise billiger.)
    Ich denke, die Preisgestaltung war ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung, das Buch in 3 Bänden, die nacheinander erscheinen, herauszugeben. 60-100 (-120)€ würde wohl niemand für das Buch in einem Band ausgeben wollen.

    Wir sind irre, also lesen wir!