Nach dem unglaublichen Mechanique, habe ich meine ganze Hoffnung in die anderen Bücher gesetzt, die dieses Jahr für den Nebula Award nominiert sind. Doch dieses hoch gelobte Buch wäre auch ohne so große Konkurrenz eine Enttäuschung geworden. Vermutlich ist es Geschmackssache, aber mir entzieht sich, warum Kritiker und Autoren so von diesem Roman schwärmen. Für mich las er sich wie eine zweitklassige Coming-of-Age-Geschichte mit ganz viel Name Dropping.
Und es widerstrebt mir ein bisschen, es ins Fantasy-Unterboard zu stecken, aber da es als solche verkauft wird...
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In Tagebuchform von der 15-jährigen Morganna Phelps geschrieben, erzählt dieses Buch ihre Geschichte nach einem tragischen Unfall, in dem ihre Zwillingsschwester Morwenna ums Leben kam und sie selbst die Fähigkeit, ohne Stock zu gehen, verloren hat. Das junge Mädchen wird aus ihrer Heimat in Wales auf ein Internat in England gesteckt, für das ihr bisher unbekannter Vater (da geschieden) bezahlt. Sie fühlt sich abgeschoben und ungewollt, findet nur schwer Freunde und flüchtet sich in die Welt der Bücher. Science Fiction Romane verschlingt sie am liebsten. Und immer wieder spricht sie von den Feen, die in unserer Welt versteckt leben...
Morganna - kurz Mor oder Mori - kam mir von Anfang an sehr reif für ihr Alter vor. Die Gedanken, die sie sich über das Leben, Sex und die Schule macht, sind sehr erwachsen, aber überzeugend. Ein Mädchen, das viel liest, lernt schließlich auch, seinen eigenen Kopf zu benutzen . Als Charakter war sie mir persönlich zu unsympathisch. Ihre unsoziale Art, wie sie auf ihre Mitschülerinnen hinabsieht - auch wenn diese teilweise etwas dümmliche Mädchen sind - und wie sie sich von allen fernhält, konnte ich nicht nachvollziehen. Ihre Tagebucheinträge sind aber angenehm kurz.
Das Problem mit diesem Roman ist, dass er sehr langatmig ist - und dass auf gerade mal 300 Seiten! - und dass man, abgesehen vom Erwachsenwerden der Protagonistin, keinen Plot entdecken kann. Mor berichtet von ihrem Alltag in der Schule, den Büchern, die sie liest und immer wieder schwingt mit, dass ihre Mutter, vor der sie geflohen ist, eine schreckliche Person und vielleicht sogar eine Hexe ist. Allerdings erhalten wir dazu so wenige Information wie zu den Feen und somit hat sich bei mir keinerlei Interesse für die Hintergründe eingestellt.
Die Magie, die schon das Cover vermuten lässt, kommt fast gar nicht zur Geltung. Es kommt keinerlei Stimmung auf, die Autorin trickst in den wenigen Szenen, in denen Mor zaubert und lässt sie in ihr Tagebuch schreiben, dass sie lieber keine Details erwähnt. Feen werden zwar immer wieder erwähnt, als seltsame Wesen, die an Bäumen lehnen und keine klare Form haben, aber auch die Dialoge, die gehalten werden, bekommen wir Leser nicht zu sehen. Ob das Faulheit, Ideenlosigkeit oder Absicht ist, ist schwer zu sagen. Mich hat es jedenfalls furchtbar gestört und die Geschichte hätte wesentlich besser werden können, wenn man das ganze magische Element einafch weggelassen hätte. Mir schien es, als wollte die Autorin unbedingt ein Fantasy-Element krampfhaft in eine ohnehin schon nicht besonders originelle Geschichte stopfen.
Sprachlich ist das Buch zwar in Ordnung, aber weder besonders originell noch in irgend einer Weise berührend. Nur Mangel an Fehlern zeichnet noch kein gutes Buch aus. Ebenso wie "Dinge passieren" noch lange keinen Plot ergeben. Und hier passieren nicht einmal besonders viele Dinge. Mors Alltag ist trübe, sie verliert sich in ihrem Tagebuch in Landschaftsbeschreibungen und berichtet von Briefen, die sie an ihren Opa schreibt, in dem sie Treffen ankündigt, über die wir dann später lesen müssen.
Am besten haben mir noch die Erwähnungen der vielen Bücher gefallen, die Mor liest und über die sie grübelt und im Buchklub diskutiert. Einige davon habe ich selbst gelesen, auf andere habe ich richtig Lust bekommen. Ihre Liebe zu Büchern war auch das einzige, worin ich mich selbst wieder erkannt habe. Was das Lesen und die Liebe zu Büchern betrifft, fühlte ich mich von Mor einfach verstanden. Aber auch dieses Element zerbröselt irgendwann in sinnloses Namedropping ohne Hintergrund. Die großer Ironie ist ja, dass Mor und ihre Freunde teilweise literarische Werke kritisieren aufgrund von Mängeln, die Jo Waltons Buch hier selbst - und zwar viel extremer - aufweist.
Das Ende ist stumpf und uninteressant, fühlt sich wenig abgerundet an. Hätte Jo Walton die "Magie" einfach weggelassen und sich mehr auf die Familienverhältnisse konzentriert, hätte das ein schönes Buch werden können. So wurde es leider vor alle mit fortschreitender Seitenzahl eher eine Qual.
Wie dieses Buch eine Nebula-Nominierung bekommen hat, ist mir ein Rätsel, aber neben Mechanique von Genevieve Valentine (lesen!) hat Jo Walton nicht die geringste Chance.
Ich hoffe, mit Jo Waltons Roman Tooth and Claw (Der Clan der Klauen) habe ich etwas mehr Glück.
Liebe Grüße,
Wendy
EDIT: Goodreads hat mir die Arbeit abgenommen. Da gibt es schon eine Liste mit Büchern, die von Mor gelesen oder erwähnt werden. Da sind übrigens wirklich tolle Sachen dabei.