Helga Glaesener - Die Vergolderin

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    Helga Glaesener - Die Vergolderin


    Erster Satz:


    Maria Weißvogel erwachte von ihrem eigenen Husten, und wie immer in den letzten Tagen hatte sie einen schrecklichen Moment lang das Gefühl zu ersticken.


    Zum Inhalt:


    Im Jahre 1604 wird die Familie Weißvogel aus ihrer Heimatstadt Osnabrück vertrieben. Während der Reise nach Braunschweig zu dem einzig lebenden Verwandten, dem Großvater der Kinder, sterben beide Elternteile und nun ist die Älteste der drei Geschwister Elisabeth für ihre Geschwister verantwortlich. Ihr Großvater ist ein rauer Zeitgenosse, der ihnen das Leben nicht leichter macht. Da er selbst aber schon zu zittrige Hände hat, um die Aufträge als Vergolder auszuführen, macht dies die Geschichte Elisabeth. Da sie ihren Geschwistern und sich selbst ein besseres Leben ermöglichen möchte, fertigt sie auch weitere Gegenstände an, die ihr Liebster in Osnabrück verkauft. Da sie sich in aller Heimlichkeit vor den Stadttoren von Braunschweig treffen müssen, kommt es eines Tages zu der folgenschweren Begegnung mit dem blinden Kaufmann Martin Clavius. Bald schon findet sich Elisabeth mitten in einem Streit zwischen den Martin und seiner Familie wieder, von der auch ihre Familie nicht verschont bleibt.


    Meine Meinung:


    "Die Vergolderin" ist ein schöner historischer Roman, der die Geschichte um Elisabeth Weißvogel erzählt. Die Autorin Helga Glaesener versetzt den Leser zurück in das 17. Jahrhundert in Deutschland. Sie zeigt, wie anders das Leben zu der Zeit war und wie die Menschen damit umgegangen sind. Durch ihre geschickten Erzählstil hatte ich sehr schnell ein Bild vor Augen, wie das Leben zu der Zeit ausgesehen haben könnte.


    Die Protagonistin Elisabeth ist eine starke Frau, die alles versucht um ihren Geschwistern ein normales und sicheres Leben zu ermöglichen. Dabei versucht sie ihnen soviel Last von den Schultern abzunehmen, dass sie manchmal vergisst, wie wichtig es jedoch auch sein kann, sich mit ihnen abzusprechen. Dies führt schlussendlich auch zu einer Menge Probleme. Ihre jüngeren Geschwister hingegen sind ganz anders als sie selbst. Ihre Schwester Marga versucht, da sie nicht mit so viel Schönheit gesegnet wurde wie ihre Schwester, sie in allen anderen Dingen zu übertrumpfen und ist ständig neidisch und missgünstig. Ihr 10-jähriger Bruder Christian ist ein cleverer Junge, der jedoch häufig unterschätzt wird. Der blinde Kaufmann Martin Clavius fand ich von allen Figuren am faszinierendsten. Obwohl er eine große Behinderung hat, hat er es geschafft erfolgreich zu sein und sein Leben gut zu meistern. Er scheint im Gegensatz zu seinem Bruder großherzig und mutig zu sein. Insgesamt werden alle Charaktere in dem Buch toll beschrieben, jede Person ist ganz individuell, sodass es Spaß macht sie alle kennenzulernen.


    An dem Buch gefiel mir auch gut, dass man einen Blick hinter die Fassade bekommen hat. Man hat das Machtverhältnis in einer Gilde bzw. auch das von Lehrmeister und Lehrling kennengelernt. Des weiteren fand ich es auch interessant, wie die öffentlichen Gerichtsverhandlungen abgehalten worden sind. Obwohl ich es schon vorher wusste, war ich dennoch wieder einmal davon fasziniert, wie stark die Menschen an das Mittel der Folter wirklich geglaubt haben und wie sie es mit ihrer Religion in Einklang gebracht haben.


    Den Aufbau der Geschichte empfand ich als äußerst gelungen. Der Leser ist gleich mitten im Geschehen und wird mit den Sorgen, Nöten und Wünschen der Weißvogelkinder konfrontiert. Das Buch war an keiner Stelle langatmig und ließ sich flüssig lesen. Die Autorin hat es geschafft, mich so in die Geschichte hineinzuziehen, dass ich ganz in ihr versunken war. Weniger gut gefiel mir jedoch das Ende. Es wirkte auf mich etwas zu chaotisch und drastisch.


    Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich das Buch sehr mochte und das ich bestimmt wieder etwas von der Autorin lesen werde.


    4ratten

    Wer Bücher kauft, kauft Wertpapiere! - Erich Kästner<br /><br />SLW 2016 9/30

  • Hut ab - Helga Glaesener ist ganz sicher eine versierte Geschichtenerzählerin, und ihre historischen Hintergrundinformationen erscheinen gut recherchiert. Jede Menge Action gibt's auch, Geheimnisse und Verwicklungen inklusive, ein wenig Liebe und Sex obendrein und jede Menge "Tempo", und der Plot "funktioniert" auch. So viel Handlung obendrein, dass ich nach 300 von 450 Seiten eigentlich der Meinung war, der Roman "habe fertig". (Was nicht so war - da kam noch viel.)


    Woran liegt es dann, dass ich nicht wirklich begeistert von diesem Buch bin und spontan nur gefühlt maximal 3 von 5 möglichen Ratten vergeben würde?? :/

    3ratten


    Vielleicht werd' ich alt, vielleicht werd' ich langsam - aber mir war das alles ein bisschen viel.

    Zuviel summiertes "Drama", zuviele Verwicklungen wegen Familiengeheimnissen aus der Vergangenheit - dazu tragischem Trauma geschuldete Blindheit, obendrein dramatisch passende Demenz, natürlich ab und zu Vergewaltigung und hin und wieder ein saftiger Mord; sogar Zigeuner treten spannungstechnisch passend (aber mMn handlungstechnisch völlig überflüssigerweise) auf. Vor lauter Spannungsmomenten geht das Titelthema, das Handwerk der Vergoldung, im "Handlungsreichtum" fast unter - das hat es nicht verdient, denn wo es auftaucht, sind die Ansätze sensibel und interessant erzählt. Selbst die Charaktere sind ansatzweise interessant - wenn man ihnen in all der dramatischen Handlung denn ein wenig mehr "ruhigen Raum" überlassen hätte.

    Sie kann erzählen, die Frau Glaesener, und nicht jeder bistorische Roman muss ja auch gleich "hohe Literatur" sein - aber manchmal ist weniger eben auch mehr.

    Finde ich.

    (Aber solche Leseberichte sind bekanntlich und hoffentlich akzeptierterweise sehr subjektiv.)


    2 Mal editiert, zuletzt von Alice ()