Alastair Reynolds - Das Haus der Sonnen

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    Alastair Reynolds - Das Haus der Sonnen


    Vor knapp 3 Jahren habe ich diesen Roman zum ersten Mal gelesen. Meine damalige Rezi hatte ich hier wohl nicht eingestellt, doch das hole ich jetzt nach:


    Campion und Portula sind beide Splitterlinge des Hauses Gentian. Das bedeutet, dass sie zur elitären Gemeinschaft der 1000 Klone gehören, die vor Millionen von Jahren aus der Begründerin des Hauses Abigail Gentian hervorgingen und aufbrachen, die Galaxie zu erforschen. Auf ihrer Reise zur Reunion, der regelmäßigen Versammlung aller Splitterling des Hauses Gentian, geraten sie jedoch in Schwierigkeiten und treffen erst einige Jahrzehnte verspätet an der Reunionswelt ein. Dort müssen sie erkennen, dass der Planet vernichtet und vermutlich alle Anwesenden umgebracht wurden. Doch wen hat sich die Familie zum Feind gemacht, der über solch zerstörerische Mächte gebietet? Gemeinsam machen sich Campion und Portula daran, die Hintergründe des Attentats aufzudecken.


    Was genau Campion und Portula erfahren, wird abwechselnd aus der Ich-Perspektive eines der beiden erzählt. Beim ersten Perspektivwechsel war ich dadurch erstmal ziemlich verwirrt, aber danach habe ich mich recht gut daran gewöhnt. Nur hin und wieder musste ich überlegen, wer jetzt als Erzähler an der Reihe war.


    Obwohl die Handlung Jahrmillionen in der Zukunft spielt und dementsprechend auch neue Techniken eine Rolle spielen, hielt sich das technische Geschwafel sehr in Grenzen und es wurde nur erklärt, was zum Verständnis der Handlung unbedingt notwendig war, wobei man als Leser einiges einfach als gegeben hinnehmen muss.


    Sehr gut gefallen hat mir, wie das Zeitgefühl bzw. Zeitverständnis der Splitterlinge dargestellt wurde. Da die Splitterlinge der Familie Gentian (und auch der anderen existierenden Familien) ca. 6 Millionen Jahre alt sind, haben sie viele Zivilisationen kommen und gehen sehen und von einigen gar erst im Nachhinein Kenntnis erhalten. Da sie selbst nach all den Jahren immer noch existieren, fühlen sie sich natürlich den jüngeren Zivilisationen überlegen, deren Existenzdauer bzw. die verbleibende Zeit bis zu deren Untergang sie per Wahrscheinlichkeitsrechnung ermitteln. Im Vergleich zu dieser kalten Lebenseinstellung der Splitterlinge haben mich jedoch einige Gedankengänge Portulas besonders berührt, denn sie zeigen, dass die Klone trotz allem noch Menschen sind mit allen dazu gehörenden Gefühlen.


    Das Buch selbst ist in acht Teile untergliedert, zu deren Beginn jeweils ein Kapitel aus Abigails Kindheit bzw. Jugend geschildert wird, bevor sie sich dazu entschloss, ihre Klone zu erschaffen. Obwohl es durchaus spannend war zu verfolgen, wie es ihr insbesondere in ihrem Puppenpalast erging, ist mir bis zum Schluss nicht vollkommen klar geworden, welche Rolle diese Kapitel in Campions und Portulas Geschichte spielen.


    Insgesamt gesehen würde ich das Buch mehr in die Kategorie Space Opera einordnen als in die Hard-SF. Reynolds hat mit Campion und Portula ein sympathisches Liebespaar geschaffen, deren Odyssee durchs All ich als Leser gern gefolgt bin. Ihre Geschichte zählt meiner Meinung nach nicht zu den ganz großen Würfen, bietet aber gute Unterhaltung.
    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:



    Jetzt, beim Reread in der Monatsrunde sind mir einige Dinge aufgefallen, die ich zuvor - auf den Fortgang der Ereignisse fixiert - nicht wirklich zur Kenntnis genommen habe. Ich zitiere mich mal:



    Obwohl ich das Buch vor einiger Zeit schon mal gelesen hatte, nimmt es mich wieder gefangen. Das liegt aber weniger an den Protagonisten (die durchaus sympathisch sind!), sondern vielmehr an ihrer Perspektive. Das Entstehen und Vergehen einer ganzen Zivilisation ist für sie manchmal nicht mal eine Fußnote in ihren Aufzeichnungen wert und wenn man mal eben 9 Jahre auf die Antwort auf ein Audienzersuchen warten muss (und weitere 13 Jahre darauf, tatsächlich vorgelassen zu werden), dann vermittelt das ein völlig anderes Bewusstsein als es in unserer schnelllebigen Welt möglich wäre.



    Sehr gut beschrieben fand ich die Stellung der Familien im interstellaren Kontext, welche Privilegien und Vorrechte sie aufgrund ihrer überlegenen Technologien und Fähigkeiten haben und welche Verpflichtungen sich daraus auch ergeben. Anhand einer Szene wird dies sehr deutlich: Campion und Portula haben eine Unterredung mit der Anführerin der auf dem Rückzugsplaneten gerade heimischen Zivilisation. Auf die Frage, ob ihre Bitte gewährt werden würde, antwortet die Magistratin, dass es im Grunde gar keine Bitte wäre, denn sie hätte keine realistische Möglichkeit, die Bitte abzuschlagen. Man schlägt den Familien nichts ab, denn in der zweiten Runde würden sie es sich trotzdem nehmen - im Zweifel mit Gewalt. Wie also sollte sie auf die "Bitte" reagieren?



    Dass sich die Splitterlinge nicht nur aufgrund ihrer Stellung und ihrer Langlebigkeit (bzw. Quasi-Unsterblichkeit) von den meisten Wesen unterscheiden, sondern sich in ihren Millionen Jahren andauernden Leben eine eigene Moral angeeignet haben, ist schon fast eine logische Konsequenz. Wenn man die Existenz ganzer Zivilisationen übersieht oder nur aus einer Fußnote davon erfährt, warum sollte man sich dann an deren Maßstäben messen lassen? Zwar haben die "Befragungen" der Gefangenen erst begonnen, doch welche Mittel im Vorfeld unter den Splitterlingen bereits diskutiert wurden, lässt mich schlimmes ahnen.


    Da ich also bei meinem Reread einige Facetten des Romans entdeckt habe, die mir zuvor nicht aufgefallen sind, korrigiere ich meine Wertung von damals auf 4ratten


    Mal schauen, wie ich den Roman bei einem erneuten Reread in ein paar Jahren sehe. :zwinker: