Mary Renault - The Charioteer

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    1940: Laurie Odell hat bei Dünkirchen eine schwere Verwundung am Bein davongetragen und verbringt danach Monate in einem Lazarett in England. Eines Tages erhält das Lazarett Personalzuwachs, einige Kriegsdienstverweigerer werden als Krankenpfleger eingesetzt. Einer von ihnen, Andrew, weckt in Laurie, der homosexuell ist, tiefe Gefühle, und zwischen den beiden entsteht eine ganz zart heranwachsende Liebe, die jedoch platonisch bleibt.


    Wenig später begegnet Laurie einem alten Bekannten wieder, Ralph Lanyon, der die gleiche Schule besucht hatte wie er und aufgrund eines Skandals um seine Liebe zu Männern gehen musste. Ralph macht Laurie mit seinem Freundeskreis von schwulen Männern bekannt, eine völlig neue Welt für den behütet aufgewachsenen jungen Mann, und schließlich flammen zwischen den beiden alte Empfindungen wieder auf - so dass Laurie sich irgendwann wird entscheiden müssen.


    Das nur als dürftige Zusammenfassung des Inhalts. Was wie eine "gewöhnliche" Dreiecksgeschichte klingt, ist ein sehr eindringliches Porträt eines jungen Mannes, der zwar mit seiner Neigung zu Männern im reinen ist, aber noch nicht die richtige Form gefunden hat, diese zu leben. In diesem Buch begegnet er zwei ganz unterschiedlichen "Lehrmeistern" - auf der einen Seite der noch sehr junge, unerfahrene und manchmal vielleicht auch noch etwas naive Andrew, auf der anderen Seite der weltläufige Ralph, der viel gesehen und erlebt hat, sowohl in der Liebe als auch bei der Seefahrt, zivil wie militärisch. Mary Renault zeigt ganz wunderbar, was alles auf Laurie einstürmt: das Hin- und Hergerissensein zwischen den beiden Männern und ihren Welten und sein Gefühl, dass um ihn herum die Welt, wie er sie kannte, nicht nur des Krieges wegen auseinanderbricht. Zusätzlich muss er sich mit den Auswirkungen seiner Verwundung abfinden lernen.


    Auch die Atmosphäre im Hintergrund gefiel mir sehr gut - die riesigen Krankensäle im Lazarett, die Bombenangriffe, die Verdunklungspflicht, nächtliche Autofahrten auf dunklen Straßen machen die bedrückende Zeit des 2. Weltkriegs lebendig. Eine gewisse Melancholie liegt über dem Buch, manchmal wirkt Laurie viel älter als seine 23 Jahre, wohl auch wegen seiner Kriegserlebnisse.


    Es ist kein Buch, das man einfach so wegliest. Vieles wird nur zwischen den Zeilen angedeutet, manches musste ich zweimal lesen. Irgendwelche expliziten Szenen gibt es nicht, aber sehr intime Einblicke in Lauries Emotionen und Gedanken, die Mary Renault wunderschön beobachtet und formuliert. Ein Buch, das noch eine Weile nachklingt.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Es hat Dir gefallen, liebe Valentine! Puh, jetzt kann ich wieder durchatmen. :breitgrins: Darf ich trotzdem neugierig fragen, was den Punktabzug gegeben hat?


    Ich habe das Buch schon ein paar Mal als eines der schönsten, die ich je gelesen habe, bezeichnet und das ist auch so für mich. Ich war komplett hingerissen davon, sprachlich und inhaltlich. Die Figuren haben sich für mich unglaublich lebendig angefühlt, speziell Laurie natürlich, dessen Gefühle ich ganz deutlich "gespürt" habe. Aber ich war auch von Ralph komplett begeistert, der wiederum hat es mir schwerer angetan, als so viele andere Romanfiguren, die ich "getroffen" habe, was wohl einerseits daran liegt, dass ich ihn eben in Stellvertretung durch Laurie geliebt habe, aber auch wie er geschildert war, eine höchst faszinierende Figur. Ralph ist mir noch sehr, sehr lange im Kopf herumgespukt.


    Was mich aber wohl am meisten bezaubert hat, war was Valentine angesprochen hat, dass vieles so zwischen den Zeilen verborgen ist, dass man vielleicht mal zurückgehen muss, um sich zu vergewissern. Ist Geschmackssache, aber ich mag sowas sehr gern, speziell in Liebesgeschichten, abgesehen davon, dass es für mich eine große Kunst ist, etwas so zu schildern, dass man es doch bemerkt, aber ohne es herauszuschreien. Subtil ist das Zauberwort hier.


    Ich bin als langjährige Leserin und begeisterter Fan von Mary Renault an dieses Buch gekommen. Sie hat einige Prachtstücke geschrieben, aber das hier ist für mich etwas ganz besonderes. Ich habe das Buch so geliebt, dass ich es am liebsten sofort noch einmal gelesen hätte, als ich fertig damit war und auch jetzt muss ich mich schwer beherrschen, es nicht zur Hand zu nehmen.


  • Es hat Dir gefallen, liebe Valentine! Puh, jetzt kann ich wieder durchatmen. :breitgrins:


    :bussi:


    Zitat

    Darf ich trotzdem neugierig fragen, was den Punktabzug gegeben hat?


    Darfst Du. Ich musste mich erst mal eine Weile einlesen in den Stil, den ich sehr schön, aber auch ziemlich speziell fand, manchmal war es mir fast etwas zu subtil, jedenfalls am Anfang. Darum ein leichter Abzug (der sich bei einem 2. Durchgang nach oben korrigieren könnte).


    Zitat

    Ich habe das Buch schon ein paar Mal als eines der schönsten, die ich je gelesen habe, bezeichnet und das ist auch so für mich. Ich war komplett hingerissen davon, sprachlich und inhaltlich. Die Figuren haben sich für mich unglaublich lebendig angefühlt, speziell Laurie natürlich, dessen Gefühle ich ganz deutlich "gespürt" habe. Aber ich war auch von Ralph komplett begeistert, der wiederum hat es mir schwerer angetan, als so viele andere Romanfiguren, die ich "getroffen" habe, was wohl einerseits daran liegt, dass ich ihn eben in Stellvertretung durch Laurie geliebt habe, aber auch wie er geschildert war, eine höchst faszinierende Figur. Ralph ist mir noch sehr, sehr lange im Kopf herumgespukt.


    Ralph fand ich auch toll - eine interessante Figur und auch so wunderbar geschildert.


    Die Atmosphäre in den beiden Krankenhäusern hat mich überdies in ihrer Deutlichkeit begeistert, so "mittendrin statt nur dabei".


    Oh, und die titelgebende Geschichte vom "Charioteer" der Seele hat mir gefallen!


    Zitat

    Ich bin als langjährige Leserin und begeisterter Fan von Mary Renault an dieses Buch gekommen. Sie hat einige Prachtstücke geschrieben, aber das hier ist für mich etwas ganz besonderes. Ich habe das Buch so geliebt, dass ich es am liebsten sofort noch einmal gelesen hätte, als ich fertig damit war und auch jetzt muss ich mich schwer beherrschen, es nicht zur Hand zu nehmen.


    Hast Du es schon mehrmals gelesen? Das ist eines dieser Bücher, wo ich mir schon beim ersten Durchgang dachte, dass es irgendwann einen zweiten geben muss.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





    Einmal editiert, zuletzt von Valentine ()


  • Darfst Du. Ich musste mich erst mal eine Weile einlesen in den Stil, den ich sehr schön, aber auch ziemlich speziell fand, manchmal war es mir fast etwas zu subtil, jedenfalls am Anfang. Darum ein leichter Abzug (der sich bei einem 2. Durchgang nach oben korrigieren könnte).


    Alles klar. Weißt ja, wie wir besprochen haben, wie absurd man reagieren kann, wenn es um geliebte Bücher geht. :redface:
    Da hatte ich sicher einen Vorteil, weil ich das von ihr schon kannte. In "Der Läufer und sein Held" zB (meine Lieblings-Renault bevor ich das hier getroffen habe)


    Zitat



    Zitat

    Die Atmosphäre in den beiden Krankenhäusern hat mich überdies in ihrer Deutlichkeit begeistert, so "mittendrin statt nur dabei".


    Das hat mir auch sehr gut gefallen, weil man darüber eigentlich nichts hört normalerweise.


    Zitat

    Oh, und die titelgebende Geschichte vom "Charioteer" der Seele hat mir gefallen!


    Apropos, Platon erscheint auch in "Der Läufer und sein Held". *beiläufig erwähn* :breitgrins:


    Zitat

    Hast Du es schon mehrmals gelesen? Das ist eines dieser Bücher, wo ich mir schon beim ersten Durchgang dachte, dass es irgendwann einen zweiten geben muss.


    Ich habe es erst einmal gelesen. Bei den Rereads ist das bei mir immer so, das muss mich einfach so überkommen. Ich war nah dran, als Du erwähnt hattest, dass Du es bald lesen willst, aber der Ruf war noch nicht laut genug. Allerdings könnte ich mal wieder darin blättern.


    Das lustige ist, ich hatte mich jahrelang gegen das Buch gewehrt, weil ich nur die "antiken" Renaults kannte und schreiend vor WK II davon gerannt bin, in jeder Form. Außerdem klang die Geschichte irgendwie so banal. Dumme ich, irgendwann lerne ich hoffentlich noch, LieblingsautorInnen zu vertrauen.


  • Alles klar. Weißt ja, wie wir besprochen haben, wie absurd man reagieren kann, wenn es um geliebte Bücher geht. :redface:


    O ja. Deshalb lege ich meine besonderen Lieblinge im real life auch nur ganz selten jemand ans Herz. Ich könnte meine Gesichtszüge nicht kontrollieren, wenn jemand sagte, er habe das Buch nicht gemocht.


    Zitat

    Da hatte ich sicher einen Vorteil, weil ich das von ihr schon kannte. In "Der Läufer und sein Held" zB (meine Lieblings-Renault bevor ich das hier getroffen habe)


    Hätte ich es nicht von Anfang an gewusst, wäre ich bei

    wohl auch nicht so schnell drauf gekommen.


    Zitat


    Es war die beiläufige Erwähnung des

    was mich an der Stelle eigentlich direkt auf die Fährte gebracht hat. Und ich war auch ganz schön von den Socken,


    Zitat

    Das hat mir auch sehr gut gefallen, weil man darüber eigentlich nichts hört normalerweise.


    Eigentlich schade, finde ich, schließlich spielen sie doch eine ziemlich wichtige Rolle ...


    Zitat

    Das lustige ist, ich hatte mich jahrelang gegen das Buch gewehrt, weil ich nur die "antiken" Renaults kannte und schreiend vor WK II davon gerannt bin, in jeder Form. Außerdem klang die Geschichte irgendwie so banal. Dumme ich, irgendwann lerne ich hoffentlich noch, LieblingsautorInnen zu vertrauen.


    Geht mir ja manchmal genauso, wenn mich ein Thema, über den einer meiner Lieblinge schreibt, so gar nicht reizt :rollen: Mich schrecken die antiken Renaults derzeit ein bisschen, gerade weil sie in der Antike spielen :breitgrins: Aber vielleicht eines Tages ... ;)

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • O ja. Deshalb lege ich meine besonderen Lieblinge im real life auch nur ganz selten jemand ans Herz. Ich könnte meine Gesichtszüge nicht kontrollieren, wenn jemand sagte, er habe das Buch nicht gemocht.


    Ja, kenne ich. Deshalb rate ich vor heißgeliebten, aber umstrittenen Büchern *hust* Berling *hust* lieber ab oder empfehle sie nur mit 25 Disclaimern. :breitgrins:


    Zitat

    Es war die beiläufige Erwähnung des

    was mich an der Stelle eigentlich direkt auf die Fährte gebracht hat. Und ich war auch ganz schön von den Socken,


    Ich weiß gar nicht mehr so genau, was es war, dass mich auf die Spur gebracht, wahrscheinlich alles zusammen. Aber, wie gesagt, Alex' Satz schien mir da besonders wichtig.


    Ich glaube, ich stehe auch deshalb auf diese Art des Schreibens zwischen den Zeilen, weil mich Dunnett entsprechend "geschult" hat. Da ist man daran gewöhnt, so zu lesen, natürlich noch viel extremer bei ihr.


    Wobei es ja nicht nur uns LeserInnen so geht. Wenn ich mich recht erinnere,


    Zitat

    Geht mir ja manchmal genauso, wenn mich ein Thema, über den einer meiner Lieblinge schreibt, so gar nicht reizt :rollen: Mich schrecken die antiken Renaults derzeit ein bisschen, gerade weil sie in der Antike spielen :breitgrins: Aber vielleicht eines Tages ... ;)


    Sehr schön, wie wir uns da ergänzen. :breitgrins:


    Aber fein auf jeden Fall, dass der Erstkontakt doch relativ erfolgreich war.


    So, und Du bist jetzt offiziell schuld, dass ich mir jetzt gerade "Last of the wine" ("Läufer" auf Englisch) und "The praise singer", die letzte mir unbekannte "antike" Renault bestelle. :breitgrins:

  • Meine Meinung
    Ich bin nicht ganz so begeistert wie Valentine und Grisel. Mir haben die Protagonisten zu viel herumgeeiert (entschuldigt den saloppen Ausdruck, aber mit fällt gerade kein anderer ein, der besser passt). Es gab so viele Andeutungen und ungesagte Dinge, die leider sehr oft zu falschen Schlüssen geführt haben. Sicher, alle Personen sind noch sehr jung. Das habe ich manchmal vergessen, weil sie schon so viel erlebt haben. Und ja, Homosexualität war zu der Zeit nicht nur illegal, sondern auch ein schlimmes Stigma. Aber trotzdem: manchmal hätte ich mir einfach gewünscht, dass deutlichere Worte gesprochen worden wären.


    Wer mir sehr gut gefallen hat, war Reg. Er hat sich Sorgen um Laurie gemacht und auch wenn ihm das Thema mehr als unangenehm war, hat er es angesprochen. Schade, dass er es nicht akzeptieren konnte.


    Ich habe von Mary Renault noch mehr Bücher auf meiner Liste stehen und trotz dass ich nicht voll überzeugt von diesem Buch bin, freue mich darauf mehr von ihr zu lesen.
    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.