Terry Pratchett - Steife Prise

Es gibt 6 Antworten in diesem Thema, welches 2.271 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von HoldenCaulfield.

  • Terry Prachett - Snuff/Steife Prise

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    Sam Vimes, seines Zeichen "Duke von Ankh" und Commander der Stadtwache ist wieder da - allerdings nicht in Ankh-Morpork, wo er jede Straße durch die Schuhsohlen erkennen kann, sondern auf dem Landsitz seiner Frau, wohin er mit vereinten Kräften von Sybil und Lord Vetinari hinkomplementiert wurde. Aber ein echter Spürhund findet natürlich auch fernab der Stadt bald Dinge, die ihm zu denken geben und sich lohnen, näher untersucht zu werden. Und dann taucht auch schon die erste Leiche auf - ein Goblinmädchen. Vimes ist auf dem Kriegspfad...


    Vorweg - ich habe das Buch im Original gelesen. Die Übersetzung scheint wieder, wenn man den zahlreichen Amazon-Rezensionen Glauben schenken darf, absolut grottig zu sein. Wie immer, seit der Manhattan-Verlag übernommen hat. Ich habe zwar bei diesem Buch die Übersetzung nicht selbst in der Hand gehabt, aber durch die letzten Bücher mal durchgeblättert und fand es grausam. Wer also halbwegs des Englischen mächtig ist, sollte lieber die Originale lesen.


    Ansonsten ist das Buch ein typischer Pratchett, viel Gesellschaftskritik - am Beispiel der als minderwertig behandelten Goblins - verpackt in einer guten Geschichte mit viel Komik. Wer die Wachen-Bücher von Pratchett kennt, kann sich schon vorstellen, was für ein Akt es überhaupt ist, Sam Vimes in den Urlaub zu schicken. Der Gute stellt sich natürlich an, als ob sein letztes Stündlein geschlagen hat und die Rolle als Lord auf einem Landsitz liegt ihm natürlich überhaupt nicht. Dem jungen Sam gefällt es aber natürlich und Lady Vimes ist in ihrem Element. Als dann Sams Spürnase geweckt wird (des großen Sams natürlich :zwinker:), kommt dann nach und nach die Geschichte ins Rollen und die Situationskomik kommt natürlich auch nicht zu kurz.


    Gestört hat mich eigentlich nur, dass relativ kurz nach "Unseen Academicals" nochmal unterdrückte Völker zum Thema werden (da Orks, hier Goblins). Allerdings ist die Dimension des Problems in Snuff nochmal deutlich verschärft und insgesamt düsterer.


    Insgesamt schafft Pratchett es aber wieder perfekt, die Balance zwischen Komik und ernster Thematik zu schaffen, ohne zu moralisch zu wirken. Ich muss zugeben, dass ich absoluter Vimes-Fan bin und allein seine ganze Art mich immer wieder zum Schmunzeln bringt. Die anderen bekannten Figuren der Wächter-Reihe wie Carot und Wee Mad Arthur kriegen nur Nebenauftritte, da das Buch halt nicht in Ankh-Morpork spielt, aber es ist trotzdem schön, die alten Bekannten kurz wiederzutreffen.


    An mein Lieblilngsbuch "Nightwatch'" aus der Wachen-Reihe kommt "Snuff" allerdings nicht ran, aber das ist auch einfach großartig und nicht nur sehr gut.


    4ratten

    :lesen: Naomi Novik - Uprooted

  • Es ist unglaublich interessant, deine Eindrücke zu lesen, Mäusedudler! :smile:


    Ich fand das Buch, ähnlich wie Unseen Academicals, ziemlich schlecht, was sicher nicht an der Übersetzung gelegen hat, da ich es, wie alle Pratchett Bücher, im Original gelesen habe.
    Pratchett schafft hier nämlich, meiner Ansicht nach, nicht, seine sonstigen Stärken auszuspielen. Charaktere, die sich sonst über Bücher weiterentwickeln, aber doch bei jedem Auftritt erkennbar bleiben, werden zu Schatten ihrer selbst. Vimes war auch immer einer meiner Lieblinge, mittlerweile geht er mir auf die Nerven. Er wird immer waschlappiger (gut, vielleicht auch die Umstände), immer weniger bissig und verliert an Kontur. Ihn aus Ankh - Morpork in das ländliche Idyll zu verpflanzen hat überhaupt nicht funktioniert, obwohl die Idee an sich Potential gehabt hätte.
    Und die Story! Selten habe ich mich bei einem Pratchett derartig gelangweilt. Mir haben die Details, die die Scheibenwelt so großartig machen, die kleinen Geschichten am Rande, komplett gefehlt.


    Ich bin etwas ratlos zurückgeblieben, und wenn nicht mein Sammeltrieb wäre, würde ich möglicherweise komplett aufhören, neue Pratchetts zu kaufen / zu lesen...

    Auch ungelebtes Leben<br />geht zu Ende<br />- Erich Fried

  • Ich glaube, mir hat einfach das Vimes-hafte gefallen und das Goblinmädchen. Schöne Details gibt es schon, finde ich, zum Beispiel gleich zu Anfang die Geschichte, als Sam und Sybil bei der Familie mit den ganzen unverheirateten Töchtern eingeladen sind und Sam mit dem ihm gewohnten Pragmatismus diesen ganzen Hochzeitsunfug in Frage stellt. Am Ende geht es den Mädels dann allen besser als vorher. Ebenso seine Probleme mit dem Haus, den Dienern und dem richtigen Umgang. Ich stimme dir aber zu, dass die Entwicklung fehlt, welche die Bücher mit Vimes bisher geprägt haben. Allerdings wüsste ich auch nicht wohin er sich noch entwickeln sollte. :gruebel: Er ist jetzt schon ein fertiger Charakter und die Geschichte lebt nicht mehr dadurch, dass er sich verändert, sondern durch sein typisches Verhalten. Man hat eine gewisse Erwartungshaltung an Vimes und freut sich dann, wenn er so (oder noch überzogener) reagiert als man es erwartet hat. Ein guter, alter Bekannter irgendwie, bei dem man sich freut, ihn wiederzusehen.


    Insgesamt hat sich Pratchett im Laufe der Zeit verändert, die Hintergründe werden oft düsterer, die Gesellschaftskritik nimmzu, der Humor hintergründiger und springt einem nicht mehr ins Gesicht, sondern schleicht sich durch die Hintertür herein. Mir gefällt es, auch diese Entwicklung in den Büchern zu beobachten, unabhängig von den oft lieb gewordenen Hauptfiguren.


    Ob "Dodger" dir mehr oder weniger als "Snuff" gefallen wird, vermag ich nicht zu sagen. Wenn dir "Nation" gefallen hat, gefällt dir wohl auch "Dodger" gefallen. Die Bücher sind sich von der Art her ähnlich und auch für die gleiche Zielgruppe geschrieben. Werd ich demnächst aber auch nochmal mehr zu schreiben.

    :lesen: Naomi Novik - Uprooted

  • Im Zuge meines Scheibenweltrereads nach Protagonist_innen bin ich bein letzten "Watch Novel" angelangt.
    Das beschert mir eine völlig andere Ausgangsposition als noch bei der ersten Lektüre vor einem Jahr: Damals war es mein erster Pratchett nach längerer Abstinenz und, wenn ich mich richtig erinnere, der TOD - Reihe, jetzt habe ich gerade alle anderen Romane der "Wache" gelesen.


    Zuvor hatte ich schon befürchtet, mich als Leserin derart verändert zu haben, dass ich mit Pratchett weniger anfangen kann.
    Nach 100 Seiten bin ich schockiert: "Snuff" ist furchtbar! So eklatant wenig gefällt es mir im Vergleich zu den anderen, dass ich den Verdacht nicht unterdrücken kann, dass es möglicherweise gar nicht aus Pratchett's Feder stammt / er es nicht zu 100% alleine geschrieben hat / irgendjemand sich entscheidend einmischt (Lektorat? Berater_innen?) / etc.


    Es lässt sich insgesamt eine Entwicklung betrachten, die in "Thud!" schon spürbar ist: Verweise auf frühere Romane wirken zwanghaft, fast schon wie mit Leuchtstift markiert und mit drei Ausrufezeichen versehen.


    Der Rahmen der Geschichte fehlt: Warum Sam Vimes Urlaub auf dem Land macht, hat nur zwei Gründe: Lady Sybil wünscht es und Vetinari plant etwas. Es bleibt das schale Gefühl, dass die Vorgeschichte unterschlagen wurde. Sam Vimes wehrt sich nicht, er wird nicht irgendwie in den Urlaub getrickst, wenige Seiten bieten einfach nicht den Raum, um in der Geschichte anzukommen. Das steht meiner Meinung nach im Gegensatz zu dem vorher festgestellten: Auf der einen Seite wirkt es oft, als würde sich der Roman an Scheibenwelt - Neueinsteiger_innen richten, auf der anderen haben genau diese keine Chance, dort wirklich anzukommen. Vielleicht muss darum auch im Nachfolgenden derartig viel erklärt und ausgeführt werden.


    Das Herz bricht mir die Charakterzeichnung von Lady Sybil: Die Adelige, die in feuerfesten und unförmigen Kleidungsstücken rumläuft, weil sie Drachen züchtet, die unprätentiös ist, die wahres Dynamit ist, wenn sie explodiert, die liebevoll und nett ist und sogar Nobby Nobbs sympathisch findet, ist hier nur mehr eines: Lady. Die zuvor charmant eingestreuten Geplänkel zwischen ihr und Sam werden zu einer Schablone; wunderte sich Sam Vimes einst noch, wie sie Persönlichkeiten wie Vetinari mit dem Vornamen anspricht, wirft Sie jetzt Dinnerpartys und ist ganz "Herrin des Hauses". In dieser Dynamik zwischen Sybil und Sam werden die Unterschiede ihres sozialen Milieus zuvor subtil herausgearbeitet, in "Snuff" dagegen tötet die Brachialdarstellung jede Situationskomik.


    Auch Vetinari wird zu einem Schatten seiner früheren Figur: Gerade weil der_die Leser_in nicht weiß, was er plant, weil seine Andeutungen Andeutungen sind und nicht als Andeutungen gekennzeichnet werden müssen, wirkt er, als hätte er den Masterplan,...


    "Die Fußnoten in den Scheibenweltromanen sind fantastisch", denke ich mir oft, und in "Snuff" scheint sich Pratchett dasselbe gedacht zu haben, so gewollt und konstruiert wirken sie.


    Es ist nicht leicht, dieses Gefühl zu artikulieren, das mich beim Lesen immer wieder beschleicht. Es fehlt der Charme, der Witz, die Leichtigkeit: "Snuff" macht mich ärgerlich. (Ich kann mich dunkel erinnern, dass ich bei "Unseen Academicals" Ähnliches gedacht habe...).
    Und darum werde ich zum ersten Mal einen Scheibenweltroman abbrechen. Darum wende ich mich lieber den Hexen zu und lasse die Wachen - Reihe für mich einfach mit "Thud!" enden.

    Auch ungelebtes Leben<br />geht zu Ende<br />- Erich Fried

  • Ich lese "Steife Prise" zur Zeit (auch im Original) und bin nicht ganz sicher wie ich den Roman finde. Einerseits gefällt es mir, da ich Mumm einfach sehr mag und einige Entwicklungen im Roman auch sehr witzig zu lesen sind. An anderen Stellen sehe ich aber auch das gerade Sybil irgendwie nicht ganz so ist, wie man sie kennt. Natürlich ist sie immer irgendwie auf ihren Stand bezogen und schaut ja bei Mumm immer auch darauf das er sich einigermaßen benimmt. Aber sie ist wirklich mehr eine Lady als Sybil wie man sie kennt und schätzt. Andererseits sind die Anspielungen auf Jane Austen und das Klischee des englischen Landlebens insbesondere trotzdem amüsant zu lesen. Bisher ist der Roman allerdings wesentlich düsterer und auch sehr viel ernster. Der Humor der alten Scheibenweltromane ist endgültig verflogen.
    Zudem fällt mir auf das meine letzte Lektüre eines Wachenromans schon eine ganze Weile her ist. Bei manchen Figuren wusste ich gar nicht das sie auch hier vorkommen (Arthur *g* den kenne ich bewusst eigentlich vor allem von den Tiffany Büchern)
    Als Pratchett an "Snuff" geschrieben hat, war er schon eine Weile an Alzheimer erkrankt. Ich denke schon das dies ein Grund ist, weshalb seine Romane ernster wurden und den Humor in eine andere Richtung gelenkt haben. Ich persönlich denke auch sehr oft an ihn beim Lesen. Das ist sicher auch ein weiterer Grund weshalb ich eher etwas melancholisch bin.

  • Meine Meinung:
    Ich schließe diesen letzten Band um Sam Mumm etwas wehmütig ab. Es wird definitiv der letzte bleiben und irgendwie ist es schade das man die anderen Mitglieder der Nachtwache nicht noch einmal in großer Aktion erlebt hat. Es konzentriert sich alles auf Mumm und seinen Urlaub. Andererseits wirkt es doch auch als Abschied. Ich hatte eh schon länger den Eindruck das Pratchett nach und nach alle seine Scheibenwelt-reihen so schreibt, das man das Gefühl hat, dies wäre der jeweils letzte Band. Allerdings ist das natürlich eine subjektive Meinung, die sicher auch davon geprägt wurde, das ich wusste das Pratchett krank war.
    "Snuff/Steife Prise" ist insgesamt in seiner Gesellschaftskritik sehr viel nachdenklicher,aber auch in gewisser Weise lauter, als man das von Pratchett früher kannte. Allerdings werden in Wachen Romanen meistens Gesellschaftliche Minderheiten und andere Ungerechtigkeiten aufs Korn genommen. Insofern hat mich die Thematik Sklaverei dann auch nicht weiter überrascht. Die Goblins sind dabei sehr feinfühlig und mit viel Herz beschrieben. Vor allem auch die Annäherung an Sam fand ich gut konstruiert.
    Sehr gelungen ist auch die Hochnäsigkeit der Adligen Landbevölkerung die Mumm in seinem Urlaub umgibt. Vieles erinnert dabei zunächst an Jane Austen und ein klein wenig Dickens, während es dann nach und nach eher in eine Krimihandlung umschwenkt (auch das ist bei den Wachen nichts ungewöhnliches).
    Trotzdem kommt der Humor nicht zu kurz, wenn auch hier die ganz großen Knaller fehlen. Aber auch das ist eine Entwicklung die mich nicht gänzlich überrascht hat. Pratchett ist leiser geworden und irgendwie ernster. Das merkt man an der Thematik genauso wie eben am Einsatz des Humors. Der trotz allem sehr typisch ist und wenn die Eltern des kleinen Sam_Mumm einmal mehr sein liebstes Kinderbuch vorlesen müssen, in dem es vor allem um "Kaka" geht, werden sich sicher sehr viele Eltern darin wiederfinden. ;)
    Letztendlich war "Snuff/Steife Prise" vor allem ein würdiger Abschied von Sam Mumm, der einmal mehr unter Beweis stellen konnte, weshalb er es in der Nachtwache zu etwas gebracht hat.
    Das schöne ist aber auch das man am Ende weiß, das man jeder Zeit alle anderen Wachen Romane wieder in die Hand nehmen kann.


    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus: