Angela Carter - The Bloody Chamber

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 3.781 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Wendy.

  • Guten Morgen!


    Endlich komme ich dazu, hier einen Thread zu eröffnen. Im Urlaub habe ich brav mit diesem Monatsrundenbuch begonnen, aber dass ich selbst nach der Rückkehr nachhause noch so lange im Stress stecken würde, hätte ich nicht gedacht. Jetzt hat sich alles beruhigt und ich kann wieder gemütlich lesen und hier mitplaudern. :breitgrins:


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    Inhalt:
    Basierend auf bekannten Märchen und Legenden - Rotkäppchen, Blaubart, Der gestiefelte Kater, die Schöne und das Biest, Vampire und Werwölfe - hat Angela Carter eine Sammlung dunkler und sinnlicher fantastischer Geschichten erschaffen.
    Die Sammlung enthält folgende Geschichten: "The Bloody Chamber", "The Courtship of Mr Lyon", "The Tiger's Bride", "Puss-in-Boots", "The Erl-King", "The Snow Child", "The Lady of the House of Love", "The Werewolf", "The Company of Wolves" and "Wolf-Alice".


    The Bloody Chamber
    Laut Wikipedia ist diese erste Geschichte die längste der Sammlung, auch wenn es mir nur ganz kurz vorkam. Ein junges Mädchen hat vorteilhaft geheiratet und schwelgt zum ersten Mal in wahrem Luxus. Neu in der Burg ihres Gatten eingezogen, erkundet sie jeden Winkel des Gebäudes. Als der beängstigende Ehemann auf eine Geschäftsreise geht, hinterlässt er seiner jungen Braut alle Schlüssel zu allen Türen im Schloss, mit der Warnung, eine bestimmte Tür nicht zu öffnen - alles andere stehe ihr frei.
    Wie in jeder guten Geschichte, macht sie sich natürlich sofort auf die Suche nach der einen, der verbotenen Tür, und entdeckt dahinter das Grauen...


    Kurzgeschichten liegen mir normalerweise nicht so sehr, aber ich konnte mich der Atmosphäre schon auf der ersten Seite nicht entziehen. Ich könnte nicht mal sagen, ob die Charaktere überhaupt Namen haben, aber ihre Persönlichkeiten waren so verständlich bzw. so erdrückend (Blaubart ist wirklich gruselig!), dass sie keine Namen brauchten. Obwohl kaum Dialoge vorkommen, fließt die Geschichte schön vor sich hin und wird dann zeitweise wirklich, wirklich gruselig. Ich habe mich sehr unterhalten gefühlt, auf die Art wie einen ein guter Horrorfilm unterhält.


    Carters Stil gefällt mir ausgezeichnet und ich freue mich schon auf die nächste Kurzgeschichte, die sich der Schönen und dem Biest widmen wird. :zwinker:

    Jahresziel: 2/52<br />SLW 2018: 1/10<br />Mein Blog

  • Ui, das klingt wirklich toll. Ich bin ja generell auch gar kein Kurzgeschichtenfan, aber das reizt mich jetzt irgendwie.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Inzwischen habe ich zwei Neuerzählungen von "Die Schöne und das Biest" gelesen. Die erste war im Grunde eine einfache Nacherzählung des Märchens, nur in einer modernen Zeit (das Telefon gibt es zumindest schon). Die zweite "The Tiger's Bride" spielt in Italien, wo der Vater seine Tochter beim Pokern verspielt :entsetzt:!


    Ich lese schon wieder alles mögliche parallel, aber gerade für abends eignen sich die Kurzgeschichten gut. Da kann ich immer sicher sein, dass ich eine komplette Geschichte schaffe und muss nicht schlafen gehen, wenn es grade spannend wird. :breitgrins:

    Jahresziel: 2/52<br />SLW 2018: 1/10<br />Mein Blog

  • In Angela Carters Version von "Der gestiefelte Kater" bin ich gerade über diesen köstlichen Satz gestolpert, den ich euch nicht vorenthalten will:


    I went about my ablutions, tonguing my arsehole with the impeccable hygienic integrity of cats, one leg stuck in the air like a ham bone;


    Wer jemals einer Katze beim sich-selbst-waschen zugesehen hat, weiß genau was damit gemeint ist. Ich musste gerade echt lachen. Dass man diese lächerliche Pose so fantastisch beschreiben kann! :totlach:
    Dieses Märchen ist insgesamt fröhlicher und lockerer im Tonfall, was eine nette Auflockerung nach den ernsten "Die Schöne und das Biest" Geschichten bietet. Carter bedient sich auch oft Worten, die sonst wenig verwendet werden. Sie wirft immer wieder Fremdwörter mitten in einen sonst englischen Satz, ohne weitere Erklärung - da diese meistens aus dem Französischen oder Italienischen stammen, komme ich ganz gut damit zurecht und sie schaffen es, auch in einer ganz kurzen Geschichte, die Welt, in der diese spielt, zum Leben zu erwecken.

    Jahresziel: 2/52<br />SLW 2018: 1/10<br />Mein Blog


  • I went about my ablutions, tonguing my arsehole with the impeccable hygienic integrity of cats, one leg stuck in the air like a ham bone;


    Das ist wirklich perfekt auf den Punkt gebracht :totlach: :totlach: :totlach:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • In Angela Carters Version von "Der gestiefelte Kater" bin ich gerade über diesen köstlichen Satz gestolpert, den ich euch nicht vorenthalten will:


    I went about my ablutions, tonguing my arsehole with the impeccable hygienic integrity of cats, one leg stuck in the air like a ham bone;


    :totlach:


    Allein deswegen muss ich dieses Buch haben! :breitgrins:

    Even when reading is impossible, the presence of books acquired produces such an ecstasy that the buying of more books than one can read is nothing less than the soul reaching towards infinity... - We cherish books even if unread, their mere presence exudes comfort, their ready access reassurance.

  • So, ein Buch habe ich doch geschafft für diese Monatsrunde.


    Meine Meinung:
    Angela Carters Märchen basieren auf ohnehin düsteren, gruseligen Geschichten, doch durch geschicktes Erzählen, Symbole und Atmosphäre, schafft es die Autorin den neu erzählten Märchen ein noch dunkleres, teilweise sexy Element zu verleihen. Ob es Werwölfe sind, die kleine Mädchen zum fressen gern haben, aber nicht damit rechnen, dass auch kleine Mädchen Willenskraft und Verlangen besitzen, oder Biester, die sich in schöne Jungfrauen verlieben, oder eine Vampir-Gräfin, die mit ihrem Schicksal hadert - eines haben die Geschichten alle gemeinsam: Angela Carters unglaubliches Talent für Sprache!


    Ich bin auf die Autorin gestoßen als ich nach "Autoren ähnlich wie Catherynne Valente" gesucht habe. Immer wieder wurde Angela Carter empfohlen, und obwohl ich nicht ganz so verliebt bin wie in Miss Valentes Bücher, kann ich den Vergleich nachvollziehen. Carters Geschichten sind, mit Ausnahme des köstlichen gestiefelten Kasters, sehr ernst und wenig verspielt. Sie schafft es aber, auf ganz wenigen Seiten, eine unglaubliche dichte Atmosphäre zu kreieren, sei es durch die Verwendung von Phrasen oder Wörtern in Fremdsprachen, oder durch die Bilder, die sie mit ihren Sätzen malt.


    His wedding gift, clasped around my throat. A choker of rubies, two inches wide, like an extraordinarily precious slit throat.


    Sexualität und Frauen spielen eine enorme Rolle in sämtlichen Geschichten und ich verstehe, warum Angela Carter als feministische Schriftstellerin gilt. Besonders gefallen hat mir die Rollenumkehr in The Lady in the House of Love, der einzigen Vampirgeschichte in dieser Sammlung. Ein schöner, jungfräulicher Offizier kommt ins Haus der Vampirin und es soll er sein, dessen in der "Hochzeitsnacht" das weiße Betttuch beschmutzt. Er ist die Jungfrau, sie diejenige, die ihm gut zuredet und verspricht, zärtlich zu sein. Dass es hier nicht um Sex geht sondern darum, dass sie sein Blut aussaugen will, ist nebensächlich.


    Jedes Märchen ist, wenn auch oft stark abgewandelt, noch als das "Original" erkennbar. Manchmal verwischen aber die Grenzen zwischen den Märchen, wie wir sie kennen. So wächst eine dichte Rosenhecke in eine Märchen, das mit Dornröschen gar nichts zu tun hat, oder Wolf-Alice - eigentlich ein Werwolf-Märchen - hat eine spezielle Beziehung zu ihrem Spiegel.


    Meine Favoriten waren mit Abstand die Titelgeschichte The Bloody Chamber, gruselig, atmosphärisch und mit einem tollen Ende, und Puss, einfach weil es die einzige leichtherzige und lustige Geschichte war, die diese Sammlung etwas aufgelockert hat. Zu meinem Lieblingszitat habe ich übrigens dieses fantastische Bild gefunden. :breitgrins:


    Insgesamt eine sehr empfehlenswerte Sammlung von wirklich düsteren, teilweise erotischen Märchen (wenn auch der Grusel meist überwiegt), die mir Lust auf längere Werke der Autorin gemacht haben. Wenn sie Schneewittchen auf 5 Seiten so gekonnt neu erzählen kann, was schafft die Dame dann erst in einem ganzen Roman? Ich bin jedenfalls gespannt.


    4ratten.

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