7 - Die wiedergefundene Zeit

Es gibt 26 Antworten in diesem Thema, welches 7.261 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Doris.


  • Dann schließlich wird er eingelassen und erkennt viele der anwesenden Gäste kaum noch, da die Zeit ihre Spuren hinterlassen und Greise und dickliche Matronen aus einst jungen Männern und Frauen gemacht hat. Dass auch Marcel selbt kein junger Mann mehr ist, war ihm wohl nicht so bewusst.


    Wobei er bestimmt noch gut ausgesehen hat, wenn ich mir als Beispiel im Internet Bilder von Proust betrachte. Er sah auch älter noch ganz passabel aus und ist nicht in die Breite gegangen. Da ist es verständlich, dass ihm bzw. Marcel an den anderern Besuchern hauptsächlich die negativen Erscheinungsmerkmale auffallen. Hier kommt auch der Gedanke auf, dass er sich gerne mit jungen Frauen umgeben möchte, so wie damals in Balbec, als er Albertine kennen lernte (auch wieder ein Hinweis auf die Sehnsucht nach dem Vergangenen). Rachel, die er auch auf der Matinee trifft, verkörpert das genaue Gegenteil der jungen Mädchen. Er bezeichnet sie als "abscheuliche alte Frau", aber gerade er, der sich so viel mit anderen Menschen beschäftigt - zumindest gedanklich - sollte wissen, dass es auf andere Werte ankommt.


    Dieses ewige Ins-Rampenlicht-Stellen der altersbedingten Veränderungen hat etwas Finales, finde ich. Es versinnbildlicht den Tod, der immer näher rückt, und ist ein Vorbote für das Ende der Recherche. Jedenfalls kommt mir das so vor.



    À propos Bloch, der soll tatsächlich das Alter Ego von Proust sein? Den habe ich nämlich ehrlich gesagt auch eher als Nebenfigur angesehen und mich nicht wirklich näher mit ihm befasst :redface:


    Das geht mir genauso. Es wäre mir nicht bewusst gewesen, wenn ich es nicht in den Anmerkungen gelesen hätte.



    Mal schauen was die letzten Seiten noch bringen. Bisher ist mir noch nicht nach Taschentuch zumute :zwinker:


    Mir auch nicht. Ich hoffe ja, dass Marcel nicht auf der letzten Seite noch stirbt oder ähnliches.



    ich habe nur noch wenige Seiten vor mir, ein seltsames Gefühl, dass die Recherche danach wirklich zu Ende sein soll :sauer:.


    Ja. Ich habe hier noch so ein Werk liegen, vier Bände, von denen ich drei gelesen habe und den letzten schon lange vor mir herschiebe. Diese Bücher haben zwar inhaltlich etwas an Klasse verloren, aber der Gedanke, dass dass es mit dem vierte Band vorbei ist, gefällt mir gar nicht. Der letzte Band Proust war zwar nicht der beste des Zyklus', aber vorbei ist es dann trotzdem.

  • Hallo Doris :winken:,


    wie du weißt habe ich das Buch ja vorgestern beendet.


    Nachdem Marcel in der Bibliothek der Guermantes das Wesen der Zeit erkannt und das Thema seines Werkes gefunden hat, wird ihm bewusst, dass die menschen um ihn herum nicht nur Raum einnehmen, sondern auch in der Zeit über die Jahre hin ihren Platz haben. Er hofft und bangt, sein Werk, das von seinen Erlebnissen und seinen Eindrücken handeln soll, vollenden zu können. Denn nur das Kunstwerk vermag in seinen Augen die Zeit zu überdauern.


    Ich kann immer noch nicht glauben, dass die Recherche nun tatsächlich zu Ende sein soll. Ein großes Werk mit einer unerschöpflichen Anzahl an Themen und Figuren! Wegen mir können wir gerne in ein paar Jahren nochmal von vorne anfangen :zwinker:.


    Nun bin ich aber noch auf deine letzten Eindrücke gespannt. Bei mir muss immer noch alles verdaut werden...

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  • Ich bin heute auch fertig geworden und verdaue noch. Genauer auslassen werde ich mich aber erst morgen oder übermorgen, und dann will das Nachwort ja auch noch gelesen werden.


    Es ist wirklich ein seltsames Gefühl, dass der Zyklus nun beendet ist. Beim nächsten Lesen wird sicher einiges in ganz anderem Licht erscheinen. Vorausgesetzt, ich weiß noch, was alles passiert ist.

  • Glückwunsch Euch beiden, dass ihr bis zum Ende durchgehalten habt. Andere steigen auf einen 8000er, ihr habt hingegen einen Gipfel der Weltliteratur erklommen. Natürlich verblasst der Inhalt mit der Zeit, aber ihr habt ihn durch eure Notizen etwas stärker in eure Köpfe eingebrannt. Auf den letzten Seiten wird ja nochmals der Bogen zum Anfang des Romanes gespannt. Erinnert ihr euch daran zurück, wie ihr vor Monaten die ersten Seiten gelesen habt? Und nun schließt sich dieses eigene Universum, ich finde das hat etwas Großartiges. Gerade die letzten Seiten des siebten Bandes sind nicht als letztes entstanden, sondern schon viel früher. Das merkt man ihnen auch an, dass sie stärker durchkomponiert sind als andere Seiten, die Proust nicht mehr überarbeiten konnte.


    Gruß, Thomas

  • Danke für die Glückwünsche, Klassikfreund :smile:!



    Erinnert ihr euch daran zurück, wie ihr vor Monaten die ersten Seiten gelesen habt?


    Monate? Es sind Jahre! Zwei. Vor zwei Jahren im Januar haben wir mit "In Swanns Welt" angefangen. Ich hatte den ersten Teil der Recherche ja schon viele Jahre vorher mal angefangen, aber damals keinen rechten Zugang gefunden. Wie froh ich bin, dass ich mich nochmal auf dieses Werk eingelassen habe. Wer weiß, ob dass alleine auch der Fall gewesen wäre. Vielen Dank auf jeden Fall an dich, Doris, dass du fast so gut wie alleine mit mir diese Leserunde durchgezogen hast :knuddel:



    Und nun schließt sich dieses eigene Universum, ich finde das hat etwas Großartiges. Gerade die letzten Seiten des siebten Bandes sind nicht als letztes entstanden, sondern schon viel früher. Das merkt man ihnen auch an, dass sie stärker durchkomponiert sind als andere Seiten, die Proust nicht mehr überarbeiten konnte.


    Die letzten Seiten, in denen Marcel über das Thema seines Werkes nachsinnt und die meisten der Hauptfiguren und ihre Bedeutung noch einmal vor seinem inneren Auge vorüberziehen lässt, waren wirklich ein würdiger und runder Abschluss. Jetzt, ein paar Tage nachdem ich den letzten Band zugeklappt habe, werde ich tatsächlich ein bisschen sentimental :zwinker:

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  • Noch ein paar Gedanken von mir zum Schluss des Buches.


    Nachdem Marcel Gilbertes Tochter kennen gelernt hat, weiß er, dass es jetzt an der Zeit ist, sein Werk zu schreiben. Er ist sich seiner Sterblichkeit bewusst, und das spornt ihn an, bald mit dem Schreiben zu beginnen. Er weiß, dass er gesundheitlich nicht auf der Höhe ist. Wird er seinem Leben noch so viel Zeit abringen, um sein Werk zu beenden? Hier spielt viel von Proust mit hinein. Die letzten drei oder vier Bände der Recherche wurde ja auch erst nach seinem Tod veröffentlicht.


    Ja, so ganz kriege ich es immer noch nicht formuliert.


  • Ja, so ganz kriege ich es immer noch nicht formuliert.


    Daran wird sich wohl auch nichts mehr ändern. :redface:


    Bleibt nur noch eines: Danke für die Leserunde mit dir, knödelchen. Alleine hätte es sicherlich weniger Spaß gemacht. Solche Bücher lesen sich mit anderen doch immer leichter. Wobei ich eine Proust-Leserunde im Klassikerforum sicher nicht mitgelesen hätte. Da könnte ich das Niveau nicht halten. Um so schöner, dass wir auch hier solche Bücher lesen. Nur schade, dass uns Ophelia unterwegs abhanden kam.


    Liebe Grüße
    Doris