Christoph Ransmayr: Die Schrecken des Eises und der Finsternis

Es gibt 2 Antworten in diesem Thema, welches 2.530 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Alice.

  • Der österreichische Schriftsteller Christoph Ransmayr veröffentlichte diesen Roman 1984.


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    Inhalt:
    Ein junger Mann aus Oberitalien stößt in Wien auf die Aufzeichnungen der Teilnehmer der österreichisch-ungarischen Polarexpedition von 1872/74, geführt von Carl Weyprecht und Julius Payer, die zur Entdeckung des letzten weißen Flecks Europas führte - des Inselarchipels nordöstlich von Spitzbergen - patriotisch von Julius Payer "Kaiser-Franz-Joseph-Land" getauft.
    Mazzini, der junge Mann der Rahmenhandlung und Nachfahre eines der teilnehmenden Matrosen, ist besessen von dieser Expedition und versucht diese mit den Mitteln der 80er Jahre nachzuvollziehen, scheitert aber an dem Packeis, das die Zufahrt zur Inselgruppe verhindert und verschwindet schließlich mit einem Schlittenhundegespann in den Weiten Spitzbergens.
    Der Schwerpunkt des Romans liegt aber auf der Darstellung - über weite Strecken mithilfe von Originalaufzeichnungen der Expeditionsteilnehmer - der Weyprecht/Payer-Polarfahrt. Sie scheitert bereits wenige Kilometer, nachdem das Schiff alleine an den Küsten der damals noch unbesiedelten sibirischen Insel Nowaja Semlja gen Norden aufbricht, weil sich die "Tegethoff" im Packeis festfährt, aus dem sie nie mehr befreit werden kann. Mithilfe der Polardrift gelangt die Besatzung samt Schiff dennoch nach einem Jahr zu dem bis dahin unbekannten Archipel auf 81/82° nördlicher Breite. Unter Aufbietung aller Kräfte und schlimmsten körperlichen Schmerzen wird die Inselgruppe erkundet, vermessen, getauft und kartografisch erfasst. Dann erfolgt - inzwischen nach dem zweiten Polarwinter der Fußmarsch mit schweren Walfangbooten von Bord der Tegethoff Richtung Nowja Semlja, wo sie schließlich, nachdem sie endlich offenes Wasser wiedergefunden haben, von Trantrawlern aufgegriffen werden und endlich in ihrer Heimat frenetisch gefeiert werden.


    Meine Meinung:
    Die Rahmenhandlung hätte sich Ransmayr auch sparen können: Sie ist genauso überflüssig wie er die Abenteuerreisen von heute findet. Dann hätte er sich diese ausführlich Schilderung auch sparen können. Dagegen faszinierte mich die Haupthandlung rund um die Weyprecht/Payer-Expedition. Hier hält sich das sprachliche Können Ransmayrs durchaus die Waage mit den Auszügen aus den Originalaufzeichnungen, die ungeheuer nah an einen herankommen. Man schämt sich, in seinem gemütlichen Sessel zu sitzen, wenn man diese Leute da sich selbst immer wieder überwinden sieht.

  • Ich habe diesen Roman neulich gelesen und er ist eines jener Bücher, die nicht nur etwas für meine Unterhaltung, sondern auch für meine Bildung getan haben. Atemlos bin ich der österreichisch-ungarischen Nordpolexpedition gefolgt, die lange vor dem Pol im Packeis festfror und dennoch von der Eisdrift an die bis dahin unentdeckten Küsten des Franz-Josef-Landes getrieben wurde - und beinahe vollzählig von dort zurückkehrte. Beim Lesen wächst die Ehrfurcht vor dem Mut und den Leistungen der Besatzung - und vor den glücklichen Zufällen, denen sie noch die Heimkehr verdankten.


    Parallel dazu begleiten wir Mazzini und seinen Blick auf das Spitzbergen der 80er Jahre, weitab von Abenteuer und Schlittenhundromantik. Dieser Handlungsstrang ist weniger packend, aber als Gegenpol zu der Abenteuergeschichte hat er durchaus seine Berechtigung.


    Eine absolute Empfehlung, vor allem, wenn man sich für die Arktis interessiert!


    5ratten

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    Christoph Ransmayr - Die Schrecken des Eises und der Finsternis


    Den Inhalt des Romans hat Finsbury oben schon sehr gut zusammengefasst.

    Das Besondere an diesem Buch ist aber für mich die Form - mittels diverser Kunstgriffe, die sich mir teilweise wohl erst bei einer 2. Lektüre restlos erschließen würden, schafft Christoph Ransmayr in seinem Roman eine ganz besondere Stimmung. Soviel davon immerhin habe ich aufnehmen können, dass ich absolut nicht der Meinung bin, dass ein rein "geradeaus erzählender" Abenteuerroman dem vorliegenden gleichwertig sein könnte.

    Ich habe das nicht vollständig analysiert - aber nach meinem zusammenfassenden Eindruck tritt Ransmayr selbst als Erzähler in seinen (dennoch detailreichen) Textteilen rein "menschlich emotional" immer zumindest einen halben Schritt zurück - was die reich eingestreuten persönlichen Berichte der Expeditionsteilnehmer um so eindringlicher wirken lässt..

    Die Eislandschaft des hohen Nordens selbst spielt eine tragende Rolle in den Beschreibungen der Expedition - ihre (ganz besonderen) Beschreibungen bieten sowohl Kulisse als auch Gegenpol zu den menschlich-körperlichen Leiden der in sie eindringenden Menschen.

    Der ganze Roman ist auch ein Kaleidoskop von geschichtlichen Ereignissen - die "gebrochene" Form ermöglicht es dem Autor außerdem, immer wieder (sehr passende) Zwischenbeschreibungen einzuschieben und dennoch ein harmonisches Ganzes zu erzielen; am Ende löst sich anstelle einer Zuspitzung alles auf, sowohl thematisch als auch politisch, und Handlung und Recherche kulminieren im abschließenden Satz:

    "(Ich).. stehe inmitten meiner papierenen Meere, allein mit allen Möglichkeiten einer Geschichte, ein Chronist, dem der Trost des Endes fehlt."


    Ein beeindruckendes Buch - für das man sich jedoch eigentlich etwas mehr Zeit nehmen sollte, als ich das dieses Mal getan habe.


    (Was mir nicht ganz klar geworden ist: Warum geht Ransmayr so wenig auf die anfangs geschaffene Querverbindung zwischen seinen beiden Zeitebenen ein, nämlich die Verwandtschaft zwischen Josef Mazzini und dem Matrosen Antonio Scarpa? Die Erzählungen über diesen durch seine Mutter entfachen ja erst das Interesse an der Expedition beim noch sehr jungen Josef..?!

    Eventuell erscheint Ransmayr die wiederholte "Nutzung" dieser Querverbindung als zuu "billig"?!)


    (Fühle mich gerade kaum berechtigt zu einer Wertung - die aber bei *4Rattenaufwärts* liegen würde.)

    3 Mal editiert, zuletzt von Alice ()