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Einführung
Da ich mich langsam aber sicher durch möglichst viele Klassiker fressen möchte und ein blick in mein Klassikerregal mir deutlich machte, dass ich bislang kaum amerikanische Klassiker mein eigen nenne, fiel meine Wahl auf William Faulkner. Warum ausgerechnet auf ihn, weiß ich eigentlich auch nicht mehr so genau. Von daher wusste ich auch nicht mal annähernd, worauf ich mich einlasseen würde, als ich nun vor ein paar Tagen zu Schall und Wahn griff.
Klappentext
"Am Beispiel der Familie Compson aus Jefferson, Mississippi, erzählt Faulkner vom niedergang des alten amerikanischen Südens."
William Faulkner über Schall und Wahn: "Es ist dasjenige meiner Bücher, das ich am meisten liebe."
Meine Meinung
Ehrlich gesagt war ich anfangs etwas abgeschreckt von dem Buch und es hat einige Zeit gedauert, bis ich mit ihm warm wurde. Das liegt aber auch daran, dass es kein Buch ist, dass sich auf die übliche Art locker herunter lesen lässt. Dies liegt vor allem an dem Aufbau des Buches.
Am Anfang des Buches steht die über 14 Seiten gehende Einführung in die Familiengeschichte der Compsons. Dies Einführungskapitel ist in winzigkleiner Schrift und greift jeweils einen Charakter heraus und skizziert kurz sein Leben. Dabei wird ein Zeitrahmen von 1699 bis 1945 umfaßt. Zehn Personen werden ausführlicher beschrieben, vier werden nur kurz erwähnt.
Dann beginnt die eigentliche Geschichte. Schnell wird klar, dass sie aus der Sicht einer der beschriebenen zehn Personen erzählt wird, nämlich aus der Sicht des behinderten Benjamins. Dieser ist nicht nur körperlich, sondern auch geistig behindert, so dass seine "Erzählung" (eher ein direkter blick in seine Gedankengänge) ziemlich zusammenhangslos ist. Hätte man nicht die Vorkenntnisse aus der Personenbeschreibung, würde man total im Trüben fischen, aber auch so ist man ziemlich am rudern.
Zunächst dachte ich noch, welch genialer Einfall das Buch aus dieser Perspektive starten zu lassen. Da dachte ich auch noch, dass diese Perspektive wohl kaum länger als 10 Seiten beibehalten würde.
Als nach 20 Seiten immer noch Benjamin die kurzen Momentaufnahmen seines Lebens von sich gab, in denen man oft auch nur schwer erkennen kann, wer denn nun eigentlich alles beteiligt ist, wurde ich dann doch unruhig und nahm das Buch immer seltener und widerwilliger zur Hand, da der anfänglich gute Einfall nun ziemlich zäh wurde und ich langsam befürchtete, dass Buch würde nie mehr die Perspektive wechseln und wenigstens halbwegs verständlich werden.
Irgendwann tat ich dann, was ich sonst nie bei einem Buch mache: ich blätterte weiter, um zu schauen, wo das nächste Kapitel anfängt und ob es immer noch von Benjamin erzählt (gedacht) wird.
Benjamins Part dauert ganze 60 Seiten. Dann schwenkt die Zeit 10 Jahre in die Vergangenheit und man befindet sich nun in den Gedanken eines seiner Brüder. Dieser scheint auch irgendwie durch den Wind, aber zumindest geistig normal genug, um seinen Gedankengängen folgen zu können, wenn gleich diese mitunter auch sehr sprunghaft und zusammenhangslos sind. In diesem Part erkennt man nun wenigstens einen roten Faden und langsam beginnt die Geschichte einen einzuwickeln.
Der dritte Teil wird aus Sicht des dritten Bruders erzählt (gedacht). Man befindet sich nun einen Tag vor dem ersten Teil der Geschichte und freut sich ungemein darüber, dass man es anscheinend endlich mit einem Menschen zu tun hat, dessen Gedankengänge den Großteil der Zeit in klaren Bahnen verlaufen.
Die Geschichte verdichtet sich zunehmend und nun zeichnet sich auch langsam ab, warum diese verwirrenden Perspektiven überhaupt eingenommen wurden. Zeigt sich doch langsam, wie die äußerlich gleichen Ereignisse von jedem Menschen anders wahr genommen werden. Wobei man vieles in diesem Buch nur erahnen kann.
Der vierte Teil sticht nun heraus, da ein auktorialer Erzähler das Wort ergreift. Wer nun allerdings erwaret, dass jetzt die große Auflösung kommt, die nun wirklich alles haargenau aufklärt, der wird entäuscht. Das Puzzle wird um ein Teil ergänzt, wird stimmiger, einiges erklärt sich nun, aber es ist dennoch ein unvöllständiges Puzzle. einige Teile fehlen immer noch, so dass man das fertige Bild zwar sehr gut erahnen kann, manche Einzelheit einem aber dennoch verwehrt bleibt.
Faulkner schwingt sich in diesem letzten Teil zu wirklich wunderschönen Formulierungen auf.
Feierlich und hintergründig ticktackte die Uhr. Es hätte der dumpfe Pulsschlag des dem Verfall anheimgegebenen Hauses sein können; kurze Zeit darauf rasselte sie und räusperte sich und schlug sechsmal.
Fazit
Schall und Wahn ist kein Buch, dass man mal eben so nebenbei, zwischen lautem Getöse mal eben schnell runter liest. Dafür sind gerade die ersten beiden Teile zu verwirrend. Gerade der Anfang erfordert einiges an Konzentration, wenn man dem Geschehen auf der Spur bleiben bzw. erstmal auf diese kommen will.
Es ist auch kaum interessant, wenn man von Anfang bis Ende Hochspannung oder eine sich schnell entwickelnde Geschichte mit viel Handlung haben möchte.
Wer sich aber Ruhe und Zeit nimmt, wer Spaß daran hat eine Geschichte auf sich wirken zu lassen, wer verschlungene Pfade mag, der sollte unbedingt zugreifen.
Diese Geschichte hat ihren ganz eigenen Reiz, wenn man sich auf sie einläßt.
Ich bin jedenfalls höllisch froh, dass ich mich vom Anfang nicht habe schrecken lassen und am Ball geblieben bin, da ich dies Buch für mich als echte Bereicherung empfinde.
Insofern: ein Lesetipp für alle, die sich gern auch in komplizierterer Kost verbeissen.