Adrian McKinty - Der katholische Bulle/The Cold Cold Ground (Sean Duffy 1)

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    Originaltitel: The Cold Cold Ground


    „Katholischer Polizist ermittelt in den 1980er Jahren in Belfast“ – das klang nach einer interessanten Grundkonstellation und so wanderte das Buch in mein Ausleihkörbchen. Als ich dann feststellte, dass ich von dem Autor ja schon ein Buch gelesen hatte, welches mich nicht sonderlich begeisterte, habe ich erst mal innerlich aufgeseufzt und nur zögernd zu lesen begonnen – eine gute Entscheidung, wie sich herausstellte.


    Ich war Mitte der 1990 Jahre auf der irischen Insel und bin dabei auch durch die (damals aufgrund des Waffenstillstands relativ unbesetzten) Grenzmauern gefahren und habe auch die schweren Befestigungen an Polizeistationen gesehen, wenn ich mir dazu dann noch massenhaft maschinengewehrbewehrte Polizisten in Kampfausrüstung vorstelle, lande ich langsam in der Welt, wie McKinty sie in seinem Buch als Alltag beschreibt. Jeden Morgen, wenn Sergeant Sean Duffy zur Arbeit fährt, schaut er zunächst unter sein Auto, ob jemand dort eine Bombe befestigt hat – Routine für einen Polzisten und noch wichtiger für ihn, der als „katholischer Bulle“ zwischen den Fronten steht. Er ist auf dem Land in der tiefsten nordirische Provinz aufgewachsen und landete nach der Universität bei der Polizei – ganz bestimmt kein alltägliches Arbeitsumfeld für einen Katholiken im Bürgerkriegsnordirland der frühen 1980er Jahre. Dabei ist ihm Religion eigentlich egal und er sieht ganz klar, dass das auch bei so einigen der aktiven Kämpfer auf beiden Seiten so ist, die IRA und ihre protestantischen Pendants sind vielfach einfach nur ein Sammelbecken für Kriminelle.


    Zu Beginn des Buches wird Duffy zu einer Leiche gerufen, die sich als IRA-Mitglied und schwul (eine absolut verdammenswerte Sünde) herausstellt. Schwulenhassender Serienkiller oder doch interne Querelen sind beides keine besonders angenehmen Ermittlungsansätze, denen Duffy nachgeht und da ist auch noch der Tod der Frau eines IRA-Hungerstreikenden, die scheinbar Selbstmord begangen hat, über den er nachgrübelt. Na ja, wenn er zwischen Bierchen trinken mit den Kollegen und Ärztin anflirten Zeit findet...


    Der Tonfall ist mir manchmal zu flapsig, Duffy wirkt etwas zu cool und locker drauf, aber insgesamt finde ich die Stimmung sehr gut eingefangen und interessant, einzig bei der Verwendung von damals und/oder für Nordiren durchaus verständlichen, mich aber eher verwirrenden Abkürzungen (IRA, RUC, UVF, UDA,…) hätte der Autor sich vielleicht etwas mehr zurückhalten sollen. Jedenfalls freue ich mich, dass die Fortsetzung bereits in meiner Onleihe auf mich wartet und bin gespannt, ob sich der „Flair“ Belfasts abnutzt oder noch ein paar Bände durchhält.


    4ratten



    Sean Duffy Serie


    1. The Cold Cold Ground / Der katholische Bulle
    2. I Hear The Sirens in the Street / Die Sirenen von Belfast
    3. In The Morning I'll Be Gone / Die verlorenen Schwestern
    4. Gun Street Girl (auch Originaltitel)
    5. Rain Dogs (auch Originaltitel)
    6. Police at the Station and They Don’t Look Friendly / Dirty Cops
    7. The Detective Up Late / Cold Water
    8. Hang On St Christopher (2019)
    9. The Ghosts of Saturday Night (2020)

    2 Mal editiert, zuletzt von illy ()

  • Meine Meinung
    Adrian McKinty fängt die Stimmung der damaligen Zeit sehr gut ein. Sean Duffy weiß nie, was der Tag bringen wird und ob er abends am Leben ist. Bringt ihn keine Bombe um, dann ist es vielleicht ein Verbrecher, die Protestanten oder vielleicht auch die Katholiken... mehr zwischen die Stühle setzen als er es getan hat, ist kaum möglich.


    illy hat recht wenn sie schreibt, dass der Ton manchmal ein bisschen locker ist. Aber vielleicht muss man manchmal einfach so sein, wenn man in diesem Schmelztiegel der Gewalt sitzt.
    5ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

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    Als Katholik ist Sean Duffy beim Royal Ulster Constabulary, der nordirischen Polizei, ein ziemlicher Exot - erst recht im Jahre 1981, in dem das Buch spielt. Unter den Kollegen spielt seine Religionszugehörigkeit keine allzu große Rolle bis auf ein paar liebevolle Frotzeleien, aber in und um Belfast toben die "Troubles" mit aller Härte. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht irgendwo eine Bombe hochgeht, Straßen wegen brennender Busse gesperrt sind oder katholische und protestantische Fanatiker sich gegenseitig erschießen.


    Vor diesem höchst ungemütlichen Hintergrund geschieht ein Mord, der zumindest auf den ersten Blick nichts mit den Auseinandersetzungen zu tun hat. Ein Unbekannter wird erschossen in einem Auto aufgefunden, der Leiche wurde eine Hand abgetrennt und es gibt Indizien, die darauf hindeuten, es könne sich bei dem namenlosen Mann um einen Homosexuellen handeln. Der Verdacht bestätigt sich, und als es wenig später einen zweiten Toten mit ähnlichen Merkmalen gibt, scheint sicher, dass hier jemand sein Unwesen treibt, der etwas gegen Schwule hat. Eine Haltung, die zu Beginn der 80er Jahre im konservativen Irland noch mehr als salonfähig ist.


    Duffy und sein Team ermitteln, er auch gerne mal etwas unorthodox, und bald ist klar, dass gar nichts klar ist und zumindest einer der Ermordeten brisante Connections hatte. Und dann ist da noch diese junge Frau, die sich augenscheinlich im Wald erhängt hat, aber auch da passen gewisse Fakten nicht so ganz ins Bild ...


    Der Auftakt zu mittlerweile achtteiligen Serie um Sean Duffy hat mir ausgesprochen gut gefallen. McKinty erzählt temporeich und packend, hält gekonnt die Balance zwischen Krimispannung und politischer Brisanz und hat ein Ohr für bissig-witzige Dialoge. Ich habe das Buch im englischsprachigen Original gelesen und mochte da auch den deutlich irischen Tonfall, sogar mein Lieblingswort "banjaxed" (kaputt, im Eimer) kam vor :breitgrins:


    Die "Troubles" sind dauerpräsent, die permanente Bedrohung durch Anschläge und Straßenkämpfe ist schon beinahe Normalität geworden für die Menschen in Nordirland, auch wenn das natürlich nicht heißt, dass man sich an diese Dauerbelastung gewöhnt hätte. Ohne trocken zu dozieren oder den Zeigefinger zu erheben vermittelt McKinty nebenbei dieses furchtbare Stück Zeitgeschichte, das gefiel mir sehr.


    Duffy ist an sich ein sympathischer Typ, dessen Privatleben nach einer Trennung ein wenig durchhängt. Seine Einstellung zu Frauen wirkt manchmal ein bisschen sehr 80er-Jahre-mäßig, passt damit aber natürlich gut ins Bild, und die unvermeidliche sich anbahnende Romanze hat mich zunächst ein bisschen genervt, verlief dann aber so herrlich holprig-menschlich, dass es mich am Ende nicht mehr gestört hat.


    Ein gelungener Nordirlandkrimi mit vielen überraschenden Wendungen und düsterem Humor, genau mein Ding.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • illy hat recht wenn sie schreibt, dass der Ton manchmal ein bisschen locker ist. Aber vielleicht muss man manchmal einfach so sein, wenn man in diesem Schmelztiegel der Gewalt sitzt.

    Mich hat der Tonfall gar nicht gestört. Ohne Galgenhumor wäre man in der Situation seinerzeit vermutlich einfach durchgedreht.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich habe den ersten Band der Krimireihe um Sean Duffy im zweiten Anlauf endlich fertig gelesen und er hat mir ganz gut gefallen. Der Protagonist ist sympathisch und das Setting im Belfast der frühen 80er Jahre gut beschrieben (soweit ich das beurteilen kann). Die Hartnäckigkeit, mit der Sean seine Ermittlungsansätze verfolgt, und sein Gespür für seine Fälle zeichnen ihn auf jeden Fall aus.

    Ebenfalls gut gefallen hat mir die Zeichnung der Nebenfiguren, egal ob es Seans Kollegen oder die NachbarInnen (die ihn durchaus kritisch betrachten sind), dank kleiner Details werden sie durchaus auch greifbar, auch wenn der Fokus ganz klar auf dem Protagonisten liegt.


    Ich werde die weiteren Fälle auf jeden Fall auch lesen, da dieser erste Band Lust auf die gesamte Krimireihe macht, insbesondere weil das Ende direkt eine Frage für den nächsten Band aufwirft.


    4ratten

  • Ebenfalls gut gefallen hat mir die Zeichnung der Nebenfiguren, egal ob es Seans Kollegen oder die NachbarInnen (die ihn durchaus kritisch betrachten sind), dank kleiner Details werden sie durchaus auch greifbar, auch wenn der Fokus ganz klar auf dem Protagonisten liegt.

    Das mochte ich auch gerne, wie McKinty mit wenigen "Pinselstrichen" Orte, Stimmungen und auch Menschen einfängt.


    Ich habe mir kürzlich Teil 2 besorgt und freue mich schon sehr drauf.

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