Michael Köhlmeier - Zwei Herren am Strand

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  • Michael Köhlmeier - Zwei Herren am Strand


    Zwei große Herren des 20. Jahrhunderts sind befreundet und teilen in dieser Freundschaft eine tragische Gemeinsamkeit, Depressionen und Selbstmordgedanken. Sie helfen sich gegenseitig den schwarzen Hund zu bekämpfen, mit der Methode des Clowns. Hierbei handelt es sich um einen Roman, keine Biographie, doch dass muss man sich im Buch immer wieder vor Augen führen, sonst denkt man immer wieder man liest eine Biographie.


    Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, auch wenn ich überrascht war vom zentralen Thema, Tod und Selbstmordgedanken. Diese Grundgedanken sind für die Personen autobiographisch, doch die Geschichte eines Paktes zur Bekämpfung der Gefahr hat Köhlmeier erfunden. Der Autor schafft es Tragik und Komik zu verbinden, oft muss man schmunzeln auch wenn die Situation ernst, lebensgefährlich ist. Durch eine zweite Ebene im Buch, eine Geschichte über ICH-Erzähler (NICHT Autor) und seine Vater, der angebliche Verbindungen zu Churchill hatte. Beim Lesen war mir dies nicht bewusst, aber ich empfand es auch nicht tragisch, dass der Autor mich an der Nase herumführt.
    Ich war angetan von den Erzählungen, wie die Personen mit diesen Depressionen umgehen, welche Methoden sie entwickeln. Man lernt hier viel über diese Krankheit und damit umzugehen. Man erfährt auch, dass diesen tragischen Situationen oft nur mit Komik begegnen kann.
    Das Spazierengehen ist (neben Malen und der Methode des Clowns) ein Hilfe gegen den schwarzen Hund und das fand ich sehr schön und empfindsam.


    Ich finde es schwer dass Buch zu beschreiben und zu bewerten, ich kann nur einfach sagen, es war ein Genuss das Buch zu lesen und ich kann es weiterempfehlen. Es hat inspiriert mich etwas mehr mit Chaplin und Churchill zu beschäftigen.


    Ich habe mir sowohl vom WDR5 als auch vom Domradio die podcasts angehört und fand diese sehr spannend und man bekommt durch Herrn Köhlmeier nochmal eine näheren Zugang zum Buch. Danke dafür. Ein Autor den ich für mich entdeckt habe und von dem ich noch mehr lesen möchte.


    Viele Grüße
    schokotimmi

  • Als ich das Buch zum ersten Mal wahrgenommen habe, war ich von der Inhaltsbeschreibung (die Freunde Chaplin und Chamberlain) ziemlich begeistert. Zwischenzeitlich habe ich aber ein paar Rezensionen gelesen, deren Haupttenor Enttäuschung wegen nicht erfüllter Erwartungen war. Aus diesem Grund habe ich mich bemüht, möglichst unvoreingenommen an das Buch heranzugehen – und das war gut so.


    Die Freundschaft der beiden Männer nimmt nämlich zum Einen deutlich weniger Raum ein, als die Beschreibung erwarten lässt, zum Anderen klingt das Buch nicht wirklich wie ein Roman. Stilistisch ist es eher ein Sachbuch, eine Biographie, ein Erzähler dokumentiert die Begegnungen der beiden bzw. einzelne Phasen in ihren Leben. Der Zusammenhang wird dadurch hergestellt, dass beide unter Depressionen leiden und verschiedene Strategien dagegen erproben und sich darüber austauschen. Die Details über die zwei Persönlichkeiten fand ich tatsächlich ganz interessant und so gefiel mir das Buch nicht schlecht, nur einen normalen Roman darf man halt nicht erwarten, der Autor spielt da ein wenig mit der Gattung Biographie.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Zum Inhalt wurde bereits einiges gesagt. Der Roman handelt von Winston Churchill und Charlie Chaplin, die sich eines Tages kennenlernen und bei allen Unterschieden eine Gemeinsamkeit entdecken: Beide leiden an Depressionen, die Churchill den "großen schwarzen Hund" nennt.

    Man schließt feierlich einen Pakt:

    Zitat


    "Wir wollen einander versprechen, dass, wenn immer einer Hilfe benötigt, der andere, wo immer auf der Welt er ist, alles liegen und stehen lässt und kommt!" (S. 54)

    Neben den großen schwarzen Hund gibt es noch einen weiteren gemeinsamen Feind, an den sich beide abarbeiten: Adolf Hitler. Chaplin zieht ihn mit seinem Film "Der große Diktator" durch den Kakao. Churchill wird gegen ihn als englischer Premierminister Krieg führen.


    Nachdem ich offen gestanden auch etwas auf den (schwarzen) Hund gekommen war, bin ich auf dieses Buch gestoßen. Was mich anfänglich total fasziniert hat, ist die Verschränkung der Ebenen Fiktion und Geschichte. Das Buch liest sich eher wie eine Biografie als ein Roman. Aber ohne dass ich die geschichtlichen Hintergründe kenne, hat man doch den Eindruck, dass der Autor auch einiges an Imagination und erdachtem Personal in das Buch hineinschmuggelt, ohne dass man - mangels Überprüfung - immer wüsste, wo die Grenzlinien zwischen Dichtung und Wahrheit verlaufen. Dieses Spiel mit Fakt und Fiktion finde ich ziemlich brillant und außerdem sehr inspirierend.


    Etwas schwierig fand ich im weiteren Verlauf allerdings, dass durch die zwei Protagonisten sehr viel Zeitgeschichtliches in das Buch Eingang gefunden hat: Politik, Hollywood, Chaplins Scheidung, Churchills Familie samt Kindern und Vorfahren, dazu der private Hintergrund des Erzählers, dessen Vater auch Berührungspunkte mit C & C aufweist. Das war mir mitunter etwas zu viel, und ich hatte das Gefühl, dass der Roman durch die Last dieser vielen disparaten Versatzstücke mitunter etwas inkohärent wirkt. Hie und da ging die Fabulierlust des Autors, auch wenn sie insgesamt sehr gefällig ist, mir auch etwas zu weit.


    Dennoch fand ich die Lektüre sehr kurzweilig und die Idee hinter dem Buch sehr gut.

    "Den Alltagsdingen den Charme des Neuen zu verleihen und ein dem Übernatürlichen ähnliches Gefühl hervorzurufen, indem die Aufmerksamkeit aus der Lethargie des Gewohnten erweckt und auf den Reiz und die Wunder der vor uns liegenden Welt gelenkt wird."

    (William Wordsworth)