Anthony Doerr - Alles Licht, das wir nicht sehen

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    Ja, danke. Aber irgendwie komme ich nicht dazu, alles durchzulesen. Ist schon etwas länglich.


    Ich denke ich werde erstmal meine abschließende Meinung verfassen, und mir die Leserunde später ansehen.

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

  • Zu diesem Buch habe ich praktisch nur Positives gelesen und so habe ich es als vermutlich perfekte Urlaubslektüre mit in die Bretagne genommen. Auch wenn, wie im Buch beschrieben, fast die ganze Stadt zerstört wurde, ist doch ein Stück der Stimmung der ummauerten Stadt bestehen geblieben und zwischen Spaziergängen durch Saint-Malo gelesen, wird das Buch gleich noch interessanter.


    Die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Handlungssträngen sind, wie sollte es bei so einer Geschichte anders sein, schon ein wenig konstruiert, aber das kann man Doerr verzeihen. Dafür gelingt es ihm, die Lebenswelten der Figuren sehr nahe gehend zu beschreiben und die verschiedenen grauenvollen Aspekte eines Lebens in einer absoluten Diktatur ebenso wie im Krieg glaubwürdig darzustellen. Man fühlt selbst mit tendenziellen Nebenfiguren mit und hadert mit ihrem Schicksal, er hat wirklich ein Händchen dafür.


    Anthony Doerr arbeitet bei seinen Beschreibungen dann auch mit wunderbaren Bildern, manche Formulierungen kann man sich so richtig auf der Zunge zergehen lassen, dafür auch ein Lob an den Übersetzer, der das gut umgesetzt hat. Aber: Sprachlich gab es bei mir jedes Mal einen Rumpler, wenn vom Leben Werner und Juttas (überhaupt Jutta, ich habe das für einen absolut untypischen Namen für diese Zeit gehalten und extra nachgeschaut, aber ganz so modern wie ich gedacht hätte, ist Jutta doch nicht) im Zollverein die Rede ist. Die genannte Straße liegt zum einen einfach nur in der Nähe im Stadtteil Katernberg, viel wichtiger ist aber, dass es, wenn das (vermutliche durchaus zechenfinanzierte) Heim tatsächlich auf dem Gelände der Zeche stünde, auf Zollverein hieße – es heißt immer auf (Zeche) Soundso (und dabei ohne Artikel)!


    Das hat mich leider überkritisch werden lassen und mir ein bisschen den Genuss verdorben. Ich konnte mich nicht völlig in die Geschichte hineinfallen lassen. Trotzdem gefiel mir das Buch und ich bin gerne bereit Doerr eine weitere Chance zu geben, mich vollends zu begeistern.


    4ratten

  • Im Januar habe ich dieses Buch in der Monatsrunde gelesen, nun wird es endlich mal Zeit für mein abschließendes Resumee:


    Rückblickend gesehen, war dies eins meiner Lesehighlights dieses Jahres, bisher. Trotz des eher traurigen Grundtons werden die Geschichten der beiden jungen Leute fesselnd erzählt und spannend aufeinander zu bewegt. Auch wenn alles ein wenig konstruiert erscheint, tritt die Botschaft doch klar hervor und die Umstände der Zeit, in der die Handlung spielt, sind mit geringen Einschränkungen verständlich und glaubhaft beschrieben, vor allem, wenn man berücksichtigt, dass es ein Amerikaner ist, der hier schreibt und der für die Recherchen ja womöglich nicht auf die Berichte von Familienangehörigen zurückgreifen konnte.


    Das Ende, wie realistisch auch immer, hat mir gut gefallen, auch weil es kein zuckersüßes Happy-End ist, aber trotzdem hoffnungsvoll.



    Sprachlich gab es bei mir jedes Mal einen Rumpler, wenn vom Leben Werner und Juttas (überhaupt Jutta, ich habe das für einen absolut untypischen Namen für diese Zeit gehalten und extra nachgeschaut, aber ganz so modern wie ich gedacht hätte, ist Jutta doch nicht) im Zollverein die Rede ist. Die genannte Straße liegt zum einen einfach nur in der Nähe im Stadtteil Katernberg, viel wichtiger ist aber, dass es, wenn das (vermutliche durchaus zechenfinanzierte) Heim tatsächlich auf dem Gelände der Zeche stünde, auf Zollverein hieße – es heißt immer auf (Zeche) Soundso (und dabei ohne Artikel)!


    Die Namen Werner und Jutta finde ich nun absolut passend für Kinder dieser Zeit. Das mit dem falschen Sprachgebrauch bei der Zeche ist mir nicht aufgefallen, da ich nicht im Ruhrgebiet lebe, danke für den Hinweis. Mir sind nur ein paar geographische Unkorrektheiten aufgefallen, als Werner sich durch den Raum Naumburg/Leipzig bewegte, da ich mich dort ein wenig besser auskenne. Doch aus amerikanischer Sicht ist das wohl verzeihlich. Schulpforta fand ich auch ein wenig allzusehr auf die Napola reduziert. Diese Schule hatte ja schon vorher eine lange Geschichte, von der im Buch absolut nichts zutage trat in Form von Erwähnungen, Traditionen... Doch wer weiß, ich kenne mich da nicht wirklich aus und vielleicht wollte man all dies in der Nazizeit tatsächlich vergessen.


    Abgesehen von diesen winzigen Einschränkungen bekommt das Buch von mir


    5ratten

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

  • Lange habe ich es nicht geschafft meine Meinung zu diesem Roman zu formulieren. Ich weiß nicht genau weshalb es mir so schwer fällt. Denn Doerrs Roman hat mich sehr beeindruckt und ich muss immer wieder an bestimmte Szenen und Bilder daraus denken. Das passiert mir eher selten, vor allem wenn ich mir auch mit einer Bewertung schwer tue. Natürlich ist die Lektüre echt schon wieder drei Jahre her, aber trotzdem versuche ich gerade mir zu überlegen, was genau mich so beeindruckt hat.


    Mir schießen immer wieder bestimmte Bilder in den Kopf, vor allem wen ich an Marie-Laure denke, deren Blindheit so beschrieben wurde, das ich zumindest eine Ahnung davon bekam, wie es wohl ist, die Umgebung nur durch tasten, riechen und hören, nicht aber durch die Augen wahrzunehmen. Allein dies könnte schon eine Erklärung für mich sein, weshalb mich der Roman nicht richtig loslässt.

    Aber es ist auch die Mischung aus historischen Ereignissen und eben dieser Figurenkonstellation, wie wir sie hier vorfinden. Ich habe das Gefühl das Doerr genau dies mit einem sehr guten Gespür für seine Figuren erzählt hat.

    Werners Leben ist geprägt von seiner Erziehung in Deutschland und ich finde gerade er macht auch nachvollziehbar, wie man in ein Regime hinein wächst. Selbst wenn man nicht Hundertprozentig hinter allem steht, Werner schiebt solche Dinge beiseite um nicht so zu Enden wie sein Vater. Grade in Regimen, wie dem der Nationalsozialisten werden und wurden Ängste auch gezielt genutzt um Menschen an sich zu binden.

    Marie-Laures Leben ist zwar geprägt davon, das sie nicht sehen kann, aber das heißt nicht, das sie kein Leben hat. Es ist nur eben anders. Sie wächst in einer liebevollen Umgebung auf. Wie vor allem das Hören die beiden Figuren verbindet, das hat der Autor wirklich wunderbar beschrieben.


    Ich kann mich auch gerade an die letzten Kapitel gut erinnern. Welche Ereignisse dazu führen das die Geschichte der beiden Jugendlichen mit einander verbunden wird. Aber auch, wie es Doerr gerade hier gelingt, einen Weg zu finden, das Leid der Menschen und die Zerstörung der Stadt in Worte zu fassen. Krieg ist nie etwas das leicht zu beschreiben


    Meine Großmutter kam aus Frankreich, ein Teil meiner Familie lebt wieder dort. Ich habe daher auch ein sehr persönliches Verhältnis zur deutsch-französischen Geschichte, gerade was die Zeit des Nationalsozialismus angeht. Vielleicht war ich deshalb auch fasziniert davon, wie hier diese beiden Lebenswege verwoben wurden. Genau die Zeit betreffend, die mich historisch so oder so interessiert hat und gleichzeitig ein Blick dem ich beim Lesen tatsächlich eher selten begegne. Gerade zu Frankreich habe ich keine literarische Beziehung aufgebaut.

  • An dieses Buch muss ich auch immer mal wieder denken. Wir sind ja im Urlaub öfter mal in Saint-Malo, und es hat mir schier das Herz gebrochen, zu lesen, wie diese wunderschöne Stadt so sinnlos zerstört wurde :traurig: Ganz zu schweigen von dem, was die Menschen durchgemacht haben. Das Fort National auf dem Inselchen vor der Altstadt kann ich auch nicht mehr angucken, ohne an die Gefangenschaft der Männer dort zu denken.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Meine Meinung

    Eine wunderbare Geschichte. Trotz des ernsten Hintergrunds, oder vielleicht gerade deswegen. Denn der Autor hat es geschafft, eine Geschichte aus dem Krieg zu erzählen, bei der nichts beschönigt wird und die trotzdem nicht nur traurig ist. Neben den fast alltäglichen Grausamkeiten bleibt viel Raum für Träume und Sehnsüchte.


    Manchmal konnte ich fast vergessen, zu welcher Zeit die Geschichte spielte. Dann hat mich die Realität wieder eingeholt. Gerade Werners Geschichte konnte mich immer wieder erschrecken mit dem, was er erlebt hat. Manchmal habe ich vergessen, wie jung er und seine Kameraden eigentlich sind. Anthony Doerrs Geschichte hat mich sehr berührt.

    5ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Valentine

    Hat den Titel des Themas von „Anthony Doerr - Alles Licht das wir nicht sehen“ zu „Anthony Doerr - Alles Licht, das wir nicht sehen“ geändert.
  • Einen reRead stelle ich mir spannend vor, weil ich einiges, das ich gelesen habe, schon vorher angedeutet gesehen habe, aber noch nicht zuordnen konnte.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ich möchte das Buch auch gerne noch mal lesen, alleine schon, um die Sprache richtig zu genießen. Beim ersten Durchgang war ich zwar auch sehr angetan von der schönen Sprache, aber ich habe sehr schnell gelesen, weil ich es so fesselnd fand und unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen