Harald Lesch / Wilhelm Vossenkuhl: Die Großen Denker. Philosophie im Dialog

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  • Zugegeben: Ich bin das falsche Publikum für dieses Buch. <em>Die Großen Denker</em> hat seinen Ursprung in einer Reihe des Bayrischen Rundfunks <em>Denker des Abendlandes</em>, die auf <em>Bayern Alpha</em> gelaufen ist. Bildungsfernsehen also, hergestellt für ein Publikum interessierter Laien. Für <em>Die Großen Denker</em> weiss ich bereits zu viel von Philosophie.


    Bei vielen Kapiteln habe ich eigentlich nichts Spezielles anzumerken. Vor allem bei den Vorsokratikern scheint mir diese Philosophiegeschichte durchaus gelungen zu sein - aber die Vorsokratiker stellen auch die Epoche dar, in der ich mich (neben der Gegenwartsphilosophie) am wenigsten auskenne.


    Dies vorausgeschickt, nun meine beiden hauptsächlichen Kritikpunkte:


    Da ist zum einen die Sprache: salopp, leger, ja zum Teil flapsig. Das mag bei einem Dialog (selbst wenn er, wie es diese hier wohl waren, geskriptet ist) durchaus angehen. Selbst bei einem schriftlichen Dialog, wie er z.B. in einem Forum (im Idealfall) vorkommt, mag das noch hingehen. In einem Buch zu einem seriösen Thema, das offenbar im Grunde genommen auch seriös behandelt sein will, stört das immens. Und diese Flapsigkeit betrifft nicht nur (aber auch!) die Wortwahl. Auch inhaltlich wird geschludert. Dass der junge Augustin als <em>Playboy</em> bezeichnet wird, hätte ich wohl vor dem Bildschirm durchgehen lassen. Gedruckt, schwarz auf weiss, wirkt es pubertär. Schlimmer aber finde ich, dass Lesch und Vossenkuhl diese Aussage ungeprüft in den Raum werfen. Tatsächlich wissen wir vom Leben des jungen Augustin nur, was uns der bereits bekehrte und mittlerweile rigide Gesetze des Christentums aufstellende ältere Augustin mitteilt. Und dieser ältere Augustin hatte viele Gründe, sein jüngeres Ich möglichst rabenschwarz darzustellen. Noch schlimmer ergeht es Sokrates, der eingeführt wird, wie ihn seine zänkische Frau mit einem Kübel Putzwasser übergiesst. "Wenn meine Frau es donnern lässt, dann regnet's auch!", soll er daraufhin gemeint haben, und pudelnass weiter in die Stadt gezogen sein. Kein Wort davon, dass diese Anekdote apokryph ist, so apokryph, dass sogar das antike Lästermaul Diogenes Laertius nichts davon weiss oder wissen will...


    Schwerwiegender noch sind die Lücken, die unsere beiden Philosophen (d.h., Lesch ist Astrophysiker) hinterlassen: Natürlich können auf knapp 700 Taschenbuch-Seiten nicht alle Philosophen und alle Themen behandelt werden. Ein 10-faches an Umfang würde wohl dazu nicht ausreichen. Lücken sind vorprogrammiert. Nur scheinen mir bei Lesch und Vossenkuhl diese Lücken System zu haben. Wer zum Beispiel eine kleine Einführung in Kants <em>Kritiken</em> erwartet hat, wird enttäuscht. Es ist sicher verdienstvoll, darauf hinzuweisen, dass Kant ein ausgezeichneter Physiker war, denn das pflegt man heute beiseite zu schieben. Aber in einer Philosophiegeschichte erwarte ich halt die <em>Kritiken</em>. Wenn es dann dazu nur heisst, Kant habe eine Art moralischen Gottesbeweises geführt, wird das philosophische Denken des "Alleszermalmers" grob verfälscht - gerade Kant hat darauf hingewiesen, dass es so etwas wie einen Gottesbeweis nicht geben könne. Dass - mit Ausnahme Voltaires, der eine allzu schillernde Figur war, um aussen vor gelassen werden zu können - die französischen Materialisten und Atheisten des ausgehenden 18. Jahrhunderts mit Schweigen übergangen werden, dafür der explizit katholisierende Schelling sich ein Kapitel mit Fichte teilen darf, zeigt eine weitere mir nicht behagende Tendenz dieser Philosophiegeschichte auf, die nämlich, Philosophieren nicht nur als Suche nach Sinn zu begreifen, sondern als Suche nach Gott, dem christlichen Gott womöglich. Wie Lesch seinen Glauben an Gott mit seiner Wissenschaft vereinen will, ohne in einen in Bezug auf Religion sterilen Pantheismus à la Spinoza zu verfallen (<em>Deus sive Natura</em>), wird leider nicht erklärt.


    <hr />


    Zum Schluss noch eine Auflistung der Kapitel (die bei jedem Philosophen, jeder Epoche, hinzugefügten Jahreszahlen lasse ich allerdings weg):


    Über Philosophie:
    Zur Weisheit:
    Die Naturphilosophen aus Milet
    Pythagoras
    Heraklit & Parmenides
    Empedokles & Philolaos
    Leukipp & Demokrit
    Anaxagoras & Diogenes
    Die Sophisten
    Die Vorsokratiker - eine Bilanz
    Sokrates
    Platon
    Aristoteles
    Stoa
    Epikur
    Cicero
    Neuplatonismus
    Antike Philosophie - ein Rückblick
    Augustinus - eine Zeitenwende
    Anselm von Canterbury und sein Gottesbeweis
    Hochscholastik - Albertus Magnus und Thomas von Aquin
    Nominalismus - Johannes Duns Scotus und Wilhelm von Ockham
    Nicolaus Cusanus und die Renaissance
    Beginn der Naturwissenschaften - Keppler [sic! - im Text dann aber immer mit nur einem 'p' geschrieben; P.H.], Galilei und Bacon
    Descartes - Aufbruch in die Moderne
    Thomas Hobbes und John Locke - Der englische Empirismus
    Die ersten Systeme der Philosophie - Spinoza, Leibniz, Newton
    Der Weg zur Aufklärung - Montaigne, Pascal, Voltaire
    David Hume - Eine Revolution der Moral
    Immanuel Kant - Der Höhepunkt der Aufklärung
    Goethe und Schiller
    Fichte und Schelling
    Hegel und Marx
    Feuerbach und Kierkegaard
    Arthur Schopenhauer & Friedrich Nietzsche
    Fundamente der Moderne - Darwin, Freud, Max Weber
    Alfred North Whitehead und Bertrand Russell
    Eine Revolution in der Naturphilosophie - Albert Einstein und Nils Bohr
    Der Wiener Kreis und Ludwig Wittgenstein
    Husserl und Heidegger
    Philosophische Hauptströmungen im 20. Jahrhundert
    2500 Jahre Philosophie-Geschichte - eine Bilanz



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    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Es wird eine große Rolle spielen, mit welchem Vorwissen man an dieses Buch herangeht. Wenn sich ein interessierter, wenn auch blutiger Laie damit beschäftigt, dürfte er angesichts des umfangreichen Inhaltes (nicht nur an Seiten, sondern von meiner laienhaften Vorstellung aus auch an Themen) beeindruckt und anschließend zufrieden sein. Oft sind solche Bücher bewusst oberflächlich gehalten, weil man davon ausgeht, dass sich geneigte Leser selbst weitere Informationen beschaffen.


    Geschichten wie die von Sokrates und seiner Xanthippe lockern den Stoff auf, und gleiches tut auch Harald Lesch, von dem ich vermute, dass er für die flapsige Sprache verantwortlich ist. In seinen Sendungen ist diese Darstellung normal. Vossenkuhl ist mir nur dunkel ein Begriff, aber Lesch ist ein Anzeichen dafür, dass man als Zielgruppe unter den Lesern keine Experten ansprechen möchte. Wenn ich meine rudimentären Philosophiekenntnisse erweitern wollte, könnte ich mir das Buch durchaus als Lektüre vorstellen. Klebt nicht ein Sticker mit "Sachbuch des Monats" darauf ? :zwinker:

  • Es wird eine große Rolle spielen, mit welchem Vorwissen man an dieses Buch herangeht. Wenn sich ein interessierter, wenn auch blutiger Laie damit beschäftigt, dürfte er angesichts des umfangreichen Inhaltes (nicht nur an Seiten, sondern von meiner laienhaften Vorstellung aus auch an Themen) beeindruckt und anschließend zufrieden sein. Oft sind solche Bücher bewusst oberflächlich gehalten, weil man davon ausgeht, dass sich geneigte Leser selbst weitere Informationen beschaffen.


    Richtig. Und das will ich ja auch nicht bemängeln. Was mich ärgert, ist die Tatsache, dass der Laie nichts über Kants grossen erkenntnistheoretischen Schritt erfährt, für den er in der Philosophie berühmt ist. Dafür über seine Physik (was nun eher den Spezialisten interessiert :zwinker: ) und eine Falschinformation, die aus Kant einen Gottessucher macht. Der er nicht war.


    Aber Du hast schon Recht. Andere haben auf Thalia dem Buch 5 Sterne gegeben, während ich nur 2 gab. Der Laie kann die Falschinformationen nicht ausmachen...


    Geschichten wie die von Sokrates und seiner Xanthippe lockern den Stoff auf, [...]


    Sind aber auch ziemlich frauenfeindlich - wie alles, das über Xanthippe kolportiert wurde.


    Klebt nicht ein Sticker mit "Sachbuch des Monats" darauf ? :zwinker:


    Nö. War aber ein Rezensionsexemplar... :zwinker:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Aber Du hast schon Recht. Andere haben auf Thalia dem Buch 5 Sterne gegeben, während ich nur 2 gab. Der Laie kann die Falschinformationen nicht ausmachen...


    Aber er kann die Bewertungen anderer Leser zu Rate ziehen. Das habe ich mittlerweile gemacht und muss sagen, dass ich von einem Kauf dieses Buches doch absehen würde. Wenn zwei Drittel der Leser mittelmäßig bis schlecht bewerten und das zum Großteil auch sachlich und nachvollziehbar begründen, werde ich vorsichtig. Bei Romanen kann die Meinung je nach Geschmack schon mal sehr auseinanderdriften, aber wenn bei Sachliteratur wesentliches fehlt, ist das keine Kaufempfehlung.


    Sind aber auch ziemlich frauenfeindlich - wie alles, das über Xanthippe kolportiert wurde.


    Sie hat einfach ihren Ruf weg. Nicht umsonst werden zänkische Frauen gerne als Xanthippe bezeichnet, zumindest kenne ich das aus meinem Verwandtenkreis. Wenige Menschen beschäftigen sich mit Philosophie und noch weniger mit den Gattinnen derselben. Da wird einfach übernommen, was man landläufig hört.