Robert Musil: Die Verwirrungen des Zöglings Törleß

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  • Diese berühmte Erzählung des Autors von "Der Mann ohne Eigenschaften" erschien 1906. Sie schildert die Jugendjahre des Kadetten Törleß an einem militärisch orientierten Institut, in der die Haute Vaulée der KuK-Monarchie erzogen wird, die später im Militär- und Verwaltungsapparat mitsprechen will.
    Schon die ersten Kapitel, in betörend-schöner Sprache, ganz differenziert und mit treffenden Adjektiven der Gefühlswelt nachspürend, zeigen, dass Törleß, empfindsam und ästhetisch orientiert, in dieser auf Hierarchie, Unterordnung, Sportlichkeit und Konkurrenz orientierten Erziehungsanstalt mit den entsprechenden Mitschülern nichts verloren hat, obwohl er selbst sich von seinen Eltern gewünscht hatte, dort aufgenommen zu werden.
    Nach einer Kinderfreundschaft zu einem schwärmerisch- katholischen Zöglings des Hochadels, den Törleß dann doch zwanghaft mit seiner vernunftorientierten Zergliederungssucht abstößt, ist er allein unter den pubertierenden, mit ihrer eingeschlagenen Richtung innerlich übereinstimmenden Mitschülern.

  • Ich bin ein bisschen vorangekommen:
    Törleß wird jetzt verwickelt in eine private Strafaktion, die seine beiden "Freunde" an einem Mitschüler, der einen von ihnen bestohlen hatte, durchführen. Hier - wie auch bei im weitesten Sinne erotischen Eskapaden - schwankt Törleß zwischen Ekel und der Faszination des Mitmachens: Ich denke, der Autor gibt hier ein sehr einprägsames Bild der Zerrissenheit in der Pubertät zwischen Idealen und der Faszination des Verbotenen.

  • Die Erzählung habe ich gestern beendet.



    Zum Inhalt:


    Der junge Törleß kommt auf eigenen Wunsch in eine KuK-Erziehungsanstalt militärischen Zuschnitts, wo die kommende Verwaltungs- und Militärelite Österreich-Ungarns herangezogen wird. Bald aber schon bemerkt er, dass er mit seinem reflexiv-ästhetischen Wesen nicht in diese Umgebung passt. Je älter er wird, desto deutlicher wird ihm, dass er im Gegensatz zu den anderen die Dinge immer von zwei Seiten betrachtet, von einer rationalen und einer dunklen, mehr gefühlten, die er bis zum Ende nicht recht benennen kann. Schließlich wird er in eine sadistische Strafaktion seiner "Freunde" gegenüber einem diebischen Mitschüler verwickelt und erlebt mit diesem auch eine erotische Affäre. Am Ende verlässt er auf eigenen Wunsch und auch auf Anraten der Schulleitung die Schule, da ihm eine Privaterziehung gerechter wäre.



    Meine Meinung:


    Was Törleß' Bewusstwerdung des eigenen Denkens und Fühlens angeht, wechseln sich sehr einfühlsame Stellen über pubertäre Unsicherheit und das tastende Zu-sich-selbst-Finden mit einigen verquasten Gefühlsschilderungen ab. Wirklich brilliant aber ist die Darstellung der beiden Freunde Törleß', die wie Jugendschilderungen intellektueller Faschisten daherkommt. Wie man das Quälen, ja Töten eines anderen zu einer "philosophischen" Notwendigkeit vom Standpunkt des Herrenmenschen macht, das erinnert mich an Himmler- und Goebbels-Reden, wenn hier auch nicht der rassische Standpunkt, sondern der sozial/"utilitaristische" angewendet wird.

    Einmal editiert, zuletzt von finsbury ()

  • Ich habe hier mit großem Interesse mitgelesen. Seit ich einmal in Musils "Mann ohne Eigenschaften" reingelesen habe, war er eigentlich ein Autor, der mir für meine Erwartungen zu schwierig erschien. Aber nun werde ich mir doch irgendwann den "Zögling Törleß" einmal vornehmen. Ich glaube, um Musil besser kennen zu lernen, ist es vom Umfang und Inhalt besser geeignet. Auf jeden Fall hört es sich bekömmlicher an :zwinker:.

  • Mir ging es da ähnlich wie dir, Doris. Ich habe auch den "Mann ohne Eigenschaften" hier stehen, aber der muss wohl noch eine ganze Weile warten, bis er gelesen wird. Dazu braucht man sehr viel Muße, um auch drumherum nachzuschlagen und zu stöbern.
    Den "Törleß" hatte ich mir schon immer vorgenommen, aber dann fand ich nie so einen rechten Anlass, um die Erzählung wirklich zu lesen. Er passte jetzt eben gut in die Leserunde, und ich bin froh, ihn nun gelesen zu haben. Wobei ich überrascht bin, dass für mich die Darstellung der Nebenfiguren bedeutsamer wurde als die des Törleß selbst. Du wirst sicher auch Freude daran haben, auch an den atmosphärischen Schilderungen, die schön dicht geraten.

  • Ich habe den Zögling gelesen und bin


    a) verstört
    b) froh, dass das für mich keine Schullektüre war.


    Ich fand das Buch ziemlich grausam, aber auch sehr eindringlich.


    Und dann zur Auflockerung noch dieses Fundstück:


    Zitat

    Aber schon der nächste Tag brachte eine arge Enttäuschung. Törleß hatte sich nämlich gleich am Morgen die
    Reklamausgabe jenes Bandes gekauft, den er bei seinem Professor gesehen hatte, und benützte die erste
    Pause, um mit dem Lesen zu beginnen. Aber vor lauter Klammern und Fußnoten verstand er kein Wort und
    wenn er gewissenhaft mit den Augen den Sätzen folgte, war ihm, als drehe eine alte, knöcherne Hand ihm das
    Gehirn in Schraubenwindungen aus dem Kopfe.


    So geht es mir auch immer, wenn ich dann doch mal einen philosophischen Text lese...

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.

  • Den Törleß nochmal zu lesen, würde mich auch reizen.



    An die Stelle kann ich mich noch erinnern (es ging doch da um Kant, oder?) Eine andere war, wo Törleß enthusiastisch Gedichte schreibt und anderntags feststellt, dass seine poetischen Ergüsse doch nicht so toll waren und er sie verwirft. Kommt mir irgendwie bekannt vor. :breitgrins:

    "Den Alltagsdingen den Charme des Neuen zu verleihen und ein dem Übernatürlichen ähnliches Gefühl hervorzurufen, indem die Aufmerksamkeit aus der Lethargie des Gewohnten erweckt und auf den Reiz und die Wunder der vor uns liegenden Welt gelenkt wird."

    (William Wordsworth)