Daniel Keyes - Blumen für Algernon

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  • Nach langer Zeit habe ich mich jetzt doch an dieses Buch herangetraut und es war wirklich eine beeindruckende Leseerfahrung, wenn auch keine schöne. Es tat weh mitzuerleben, wie Charlie erkennen muss, dass sein bisheriges Leben vor der OP nicht so war, wie er es wahrgenommen hat. Und auch nach der OP werden seine Hoffnungen nicht erfüllt, denn mit seinen neu gewonnenen Erkenntnissen ändert sich auch sein Blick auf seine Umwelt und seine Mitmenschen.


    Dadurch, dass man das Erlebte direkt aus Charlies Mund hört bzw. aus den von ihm verfassten Fortschrittsberichten liest, hat man unausweichlich den gleichen Blickwinkel auf die Ereignisse und zumindest am Anfang teilte ich Charlies Meinung und seine Empörung darüber, wie er bisher von den Menschen behandelt wurde. Doch leider habe ich mich als Leserin im Laufe der Seiten auch von Charlie entfernt. Obwohl ich immer noch seine Erzählstimme wahrnahm, konnte ich sein Verhalten nicht mehr gut heißen - zum Teil waren seine Urteile von seiner (noch nicht voll entwickelten) emotionalen Reife beeinflusst und zum Teil hat sich sein Charakter aufgrund der jüngsten Erfahrungen und der Neubeurteilung seines Lebens vor der OP leider nicht positiv verändert, sondern er wurde verbittert und auch überheblich, was mich von ihm entfremdet hat.


    Trotz meiner späteren Schwierigkeiten mit der Hauptperson halte ich das Buch für unbedingt lesenswert - nicht weil es eine angenehme Lektüre ist, sondern weil sie zum Nachdenken und zur Selbstreflexion anregt.


    4ratten


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  • Meine Meinung
    Blumen für Algernonbeschäftigt sich mit der Frage, wie weit man im Namen der Wissenschaft gehen darf. Ist dieses Experiment noch gerechtfertigt oder sind die Ärzte zu früh zu weit gegangen?


    Es scheint, als ob es sich gelohnt hat, das hohe Risiko einzugehen. Aber Charlie merkt schnell, dass er derjenige ist, der den Preis zahlen muss. Menschen, die vorher seine Freunde waren, begegnen ihm auf zunächst mit Vorsicht, später sogar mit Feindschaft. Umgekehrt ist es genau so. Plötzlich erkennt er, was hinter scheinbar harmlosen Begebenheiten steht. Wie oft er vorgeführt wurde und wie grausam man manchmal mit ihm umgesprungen ist. Je mehr er das erkennt, desto mehr zieht er sich von den Menschen zurück, die er früher Freunde nannte.


    Ich fand es auch schwer, den neuen Charlie zu mögen. Ich hatte ihn als liebenswerten, warmherzigen Menschen kennengelernt. Im Verlauf der Geschichte wird er kälter und arroganter. Seine emotionale Intelligenz kann mit der geistigen nicht mehr mithalten. Vielleicht wäre es anders geworden, wenn seine Ärzte auch auf diesen Teil seiner Entwicklung geachtet hätten.


    Charlies Veränderungen sind nicht mehr aufzuhalten und was alle anfangs mit Begeisterung erfüllt hat, verschreckt sie später. Am allermeisten ihn selbst. Wie er sich weiter entwickelt ist gleichermaßen erschreckend und bewegend. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen ist es eine wunderbare Geschichte, die mich sehr berührt hat.
    5ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.