Nach langer Zeit habe ich mich jetzt doch an dieses Buch herangetraut und es war wirklich eine beeindruckende Leseerfahrung, wenn auch keine schöne. Es tat weh mitzuerleben, wie Charlie erkennen muss, dass sein bisheriges Leben vor der OP nicht so war, wie er es wahrgenommen hat. Und auch nach der OP werden seine Hoffnungen nicht erfüllt, denn mit seinen neu gewonnenen Erkenntnissen ändert sich auch sein Blick auf seine Umwelt und seine Mitmenschen.
Dadurch, dass man das Erlebte direkt aus Charlies Mund hört bzw. aus den von ihm verfassten Fortschrittsberichten liest, hat man unausweichlich den gleichen Blickwinkel auf die Ereignisse und zumindest am Anfang teilte ich Charlies Meinung und seine Empörung darüber, wie er bisher von den Menschen behandelt wurde. Doch leider habe ich mich als Leserin im Laufe der Seiten auch von Charlie entfernt. Obwohl ich immer noch seine Erzählstimme wahrnahm, konnte ich sein Verhalten nicht mehr gut heißen - zum Teil waren seine Urteile von seiner (noch nicht voll entwickelten) emotionalen Reife beeinflusst und zum Teil hat sich sein Charakter aufgrund der jüngsten Erfahrungen und der Neubeurteilung seines Lebens vor der OP leider nicht positiv verändert, sondern er wurde verbittert und auch überheblich, was mich von ihm entfremdet hat.
Trotz meiner späteren Schwierigkeiten mit der Hauptperson halte ich das Buch für unbedingt lesenswert - nicht weil es eine angenehme Lektüre ist, sondern weil sie zum Nachdenken und zur Selbstreflexion anregt.
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