Wolfgang Herrndorf - Sand

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    Es ist 1972 und in München wird das Olympische Dorf von Palästinensern überfallen. Aber das ist nur eine Randnotiz in diesem Roman. Hauptschauplatz ist ein nicht näher bezeichnetes Land in Nordafrika mit Anbindung an das Meer und an die Sahara. In einer internationalen Hippie-Kommune werden 4 Bewohner ermordet und ein Geldkoffer verschwindet. Der Täter ist schnell gefasst, kann aber wieder entkommen.
    Währenddessen erwacht ein Mann in einer Scheune nachdem ihm jemand den Schädel "eingeschlagen" hat. Allerdings hat er sein Gedächtnis verloren und weiß somit nicht mehr, wer er ist und was er eigentlich da gemacht hat. Er erinnert sich an das Wort "Mine". Aber als typisches Teekesselchen hat das Wort mehrere Bedeutungen. Und welche davon zur Auflösung seiner Frage "Wer bin ich?" führt, gilt es zu entschlüsseln. Zu Hilfe kommt ihm bei der Identitätssuche die blonde amerikanische Kosmetikvertreterin Helen.


    Die ersten 100 Seiten sind ein Sammelsurium aus merkwürdigen Personen, Orten und Begebenheiten. Es werden Handlungsstränge aufgebaut, die aber, so scheint es anfangs, im Sande verlaufen. Aber je weiter man liest, desto mehr taucht man in dieses meisterliche Verwirrspiel ein, das noch zusätzlich durch die dem jeweiligen Kapitel vorangestellten Zitate von Dagobert Duck bis Herodot intensiviert wird. Dazu kommt ein kurzer eingefügter plötzlicher Perspektivwechsel zum Ich-Erzähler. Diese Zäsur schüttelt man aber leicht wieder ab, denn Herrndorf schafft einen unglaublichen Spannungsaufbau.


    Er lässt seinen amnesiegeplagten Hauptprotagonisten von einer Misere in die Nächste tappen.
    Manche Situationen und Dialoge sind derart amüsant und überspitzt, dass es fast an einen Comic erinnert. Und nicht umsonst finden sich auch Anspielungen auf Asterix und Obelix. Selbst das Auftauchen eines mythisch wirkenden nicht existierenden Tieres fügt sich wunderbar in den realen Kontext ein. Die Nebenhandlungen laufen bruchstückhaft zum Finale zusammen. All die kleinen feinen Spitzfindigkeiten fügen sich zu einem bizarren Gesamtbild wie einzelne Sandkörnchen zu einer großen Wüste, der Todeszone schlechthin.


    Fazit


    Mit Hilfe seines teilweise sehr skurril anmutenden Personals entwirft Herrndorf in diesem Roman ein irgendwie typisches postkoloniales Bild eines nordafrikanischen Staates aus Verbrechen, Gewalt, Korruption, Armut und Reichtum. Und irgendwie ist es auch eine Satire, die das Genre der Spionagethriller gewaltig auf die Schippe nimmt und dabei gleichzeitig melancholisch und schreiend komisch wirkt.


    4ratten