Lilly Lindner, Lisa Wöhling: Die Autobiographie der Zeit

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    Der Grundbestand der Erde wurde in vier Mächte unterteilt:
    Kevin war der Raum
    David die Beständigkeit
    Shay der Abgrund
    Ich war die Zeit.
    Gerne hätte ich mit jemandem getauscht, aber das ging nicht, den wir hatten alle unsere Bestimmung. Von diesem Tag an waren wir unsterblich, aber es war nicht schön unsterblich zu sein und so hatten wir alle irgendwann Selbstmordgedanken. Aber was lässt man nicht alles über sich ergehen, wenn man allmächtig sein will? Meine Eltern ermunterten mich wie wichtig ich wäre, den die Zeit halte alleine die Welt zusammen. Eigentlich hatte ich mir das als Kind immer gewünscht mächtig zu sein und so ereilte mich an meinem 15.Geburtstag der Tod. Er holte mich ohne das ich mich von meinen Eltern verabschieden konnte. Jedoch als unsterbliche Hülle lebte ich weiter, den ich war auserwählt worden die Zeit zu sein. Irgendwann merkte ich das ich mich durch einen Trick sichtbar und unsichbar machen kann. Wir vier waren sehr jung, als wir alle am selben Tag starben um unsere Bestimmung zu bekommen, ob wir wollten oder nicht.
    Meine Meinung:
    Dieses Buch erschließt sich einem nicht sofort, es ist ein Werk das man auf sich einwirken lassen muss und sicher mehrmals lesen sollte, ehe man umfassen kann was Lilly Lindner uns hier mit auf den Weg geben will. Streckenweise erinnerte es mich an "Der kleine Prinz" den ich auch mehrmals las ehe ich ihn bis ins tiefste begriff. Was bringt eine junge Frau dazu sich solche Gedanken zum Thema Zeit zu machen? Sind es ihre schrecklichen Erfahrungen in der Kindheit, die sie in ihrem provokanten Buch "Spitterfasernackt" beschrieben hat? Ich kenne diese Buch leider nicht, nur beim hineinblättern im Internet, stellte ich fest das es ganz anders aufgemacht ist wie dieses Werk. Durch kurze prägnante Sätze voller Weisheit, Tiefgang und Kraft nimmt sie uns mit auf die Reise mit der Zeit. Die Zeit wird hier in Ich-Form geschrieben und wirkt allzu menschlich, wie auch die anderen 3 Mächte die sie durch das Buch begleiten. Aufgeteilt in 3 Abschnitte mit mehreren Kapiteln: Der Anfang der Zeit / Der Ozean im Meer / Das Ende der Zeit, wird dieses Buch aufgelockert durch wunderschöne Bilder, eines davon ziert auch das Cover des Buches. Die 1985 geborene Schriftstellerin gilt als zurückhaltend und als absolutes Ausnahmetalent. Mit 15 Jahren schrieb sie schon erste Romane und Texte. Dieses Buch ist für mich absolut meisterhaft und verdient 5 von 5 Sterne. :klatschen:

  • Die Geschicke der Menschheit werden von vier Mächten begleitet: Kevin, dem Raum, Shay, dem Abgrund, David, der Beständigkeit, und der namenlosen Zeit.
    Die Zeit berichtet, wie sie auf ihrem Heimatplaneten Winter auserwählt wurde, eine der unsterblichen Mächte zu werden, und wie es für sie und die anderen in der Menschenwelt weiterging. Sie erzählt über einen großen Zeitraum hinweg, und sie erzählt, wie einer nach dem anderen von ihnen, den Mächten, an der Aufgabe, der Unsterblichkeit und nicht zuletzt an den Menschen zerbrach. Vor allem aber geht es um sie selbst, die sich mit ihrer Aufgabe nicht anfreunden kann, sich von den anderen Mächten nicht verstanden und einsam fühlt, und sie ständig auf der Suche ist. Vielleicht nach Ruhe, vielleicht nach Verstehen. Und am Ende stellt sich heraus, dass die Mächte vielleicht unsterblich sind, die Personen, die sie darstellen, aber nicht.
    „Ich starb unsichtbar und lautlos. Und dann. Dann kam eine neue Zeit.“


    Das Buch ist in drei Abschnitte unterteilt – Der Anfang der Zeit, Der Ozean im Meer, und Das Ende der Zeit – die jeweils relativ kurze, manchmal nur ein, zwei Sätze umfassende Kapitel beinhalten.
    Lilly Lindner wird immer wieder für ihr Sprachgefühl gelobt und gilt als Ausnahmetalent der deutschen Literatur. Doch genau diese Sprache funktionierte für mich dieses Mal nicht. Während ich in Was fehlt, wenn ich verschwunden bin hineinsank, fand ich zu Die Autobiografie der Zeit keinen Zugang. Die Sprache wirkte oft gewollt poetisch, zu konstruiert, was sie unglaublich anstrengend zu lesen machte. Die Interpunktion ist mühselig, der Verlauf der Geschichte zäh. Die Leichtigkeit Lindners Sprache, von der Kritiker immer schwärmen, war hier nicht vorhanden. Hier nutzte sie ihr Sprachgefühl, um eine ungeheure Sperrigkeit und Schwere zu erzeugen. Das sind vermutlich beabsichtigte Stilmittel der Autorin, ich vermute, um die Schwermütigkeit der Zeit und ihr unterbrochenes Selbst zu unterstreichen, und sie machen den Roman zu einem durchdachten Werk. Trotzdem fühlte ich mich immer außen vor und konnte mit der Zeit kaum mitfühlen.
    Die Illustrationen von Lisa Wöhling in diesem Buch sind wunderschön und stellen mit ihrem leichten Aquarellstil einen Bruch zur sperrigen Sprache dar.


    3ratten

  • Meine Meinung:


    „Wenn Worte meine Sprache wären“


    Was Tim Bendzko für die Musik ist, ist Lilly Lindner für die Literatur. Ihr Name war mir bis dato kein Begriff. Aber an diesem Büchlein mit dem auffälligen Titel und der wunderschönen Gestaltung kam ich einfach nicht vorbei. Das Cover ziert eine aufgeklappte Taschenuhr, aus der Wasser fließt, auf dem wiederum ein Papierboot schwimmt. Das nennt man wohl Zeitfluss?! Und genau diese Zeit verging beim Lesen wie im Flug.


    Der Roman umfasst nur 240 Seiten, von denen längst nicht alle komplett beschrieben sind und die viele herausragende Illustrationen enthalten. An dieser Stelle auch ein großes Lob an Lisa Wöhling. Die Inhaltsangabe selbst sagt sehr wenig über den Inhalt des Buches aus. Aber gerade das alles zusammen hat mich noch neugieriger auf „Die Autobiographie der Zeit“ gemacht.


    Protagonistin ist die 15-jährige Ich-Erzählerin, die Zeit. Als sie stirbt und der Tod kommt, um sie abzuholen, lastet er ihr eine unheimliche Bürde auf. Sie muss ihren Heimatplaneten „Winter“ verlassen, um zukünftig für „den Rest der Zeit“ als unsterbliche Macht über die Welt zu wachen. Zusammen mit den anderen Mächten – Kevin (dem Raum), David (der Beständigkeit) und Shay (dem Abgrund) versucht sie, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Aber gerade die Menschen lassen diese Aufgabe zu einem schwierigen und komplexen Unterfangen werden …


    Die Sätze sind zwar sehr kurz und bündig, aber wählt man die richtigen Worte aus, sagen sie weitaus mehr aus als manch ein langer Roman. Die Autorin muss die Seiten nicht komplett mit Wörtern füllen, denn sie überlässt es uns Lesern, etwas Wortgewaltiges daraus zu machen. Lilly Lindner schreibt über Glück und Unglück, Mut und Angst und auch über Hoffnung und tiefe Hoffnungslosigkeit. Alles in der Macht stehende tun, um ein Unheil abzuwenden? Wie sollen die vier Mächte das schaffen, wenn der Mensch sich selbst zugrunde richtet?


    Die Autorin hat mich mit ihren Worten tief bewegt. Ihr Buch handelt von uns Menschen, der Zeit und was wir aus dieser Zeit machen. Über all das machen wir uns viel zu wenig Gedanken und nehmen vieles als selbstverständlich hin. Wer nach diesem Buch nicht ins Grübeln gerät, hat die ganze Geschichte nicht verstanden. „Die Autobiographie der Zeit“ ist ein wundervolles und kostbares Werk, welches ganz sicher fünf Ratten verdient hat. Von mir gibt es eine ganz klare Empfehlung.


    5ratten

    Wer lesen will, der liest, und jedes Buch wird gefunden von dem, der es sucht.<br />(Eduard Engel)