Interview mit Elke Heidenreich in der NZZ

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  • Hallo allerseits,


    ich bin gerade auf dieses wunderbare Interview mit Elke Heidenreich gestoßen. Ein Zitat daraus hat mich besonders berührt:


    Zitat

    Aber wollen die Feuilletons denn nicht auch die Phantasie anregen?


    Die missachten die einfachen Leute. Ich halte Eric-Emmanuel Schmitt auch für keinen grossen Schriftsteller. Aber er hat «Herr Ibrahim und die Blumen des Koran» geschrieben, eine hübsche kleine Geschichte darüber, wie Toleranz zwischen Menschen entsteht. Das liest man und vergisst es auch wieder. Aber damit krieg ich die Leute ans Lesen, danach kann ich ihnen «Zwei an einem Tag» von David Nicholls anbieten. Oder Martin Suter.


    «Sex und Leidenschaft gehören zusammen. Liebe ist etwas für sich»


    Liebe Grüße
    Suse

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Interessant finde ich hingegen das folgende Statement von Heidenreich:


    Zitat

    Gelesen wurde immer das Buch, das Reich-Ranicki besprochen hat, egal, ob er dagegen war oder dafür. Warum? Weil er es mit Emphase tat: Kritiker, die herumphilosophieren, begreifen nicht, dass zur Intelligenz auch Leidenschaft gehört. Nicht immer nur zeigen, wie schlau ich bin, sondern dass ich auch leidenschaftlich bin.


    Ich denke, sie liegt damit sehr richtig. Das ist auch der Grund, warum das heutige Lit. Quartett keinen Durchschlag mehr auf die Bestsellerlisten hat.


    Gruß, Thomas



  • Die FAZ missachtet den Autor nicht, sie schreibt über ihn, wenn sie auch nicht zu einem positiven Fazit kommen.
    http://www.faz.net/aktuell/feu…k/rosa-prosa-1119739.html


    Zitat

    In zwei Stunden hat man die Bändchen gelesen, ohne sich dabei mehr anzustrengen als eine Fliege beim Flügelschlagen. Erzählt wird hier und dort aus der Perspektive eines Jungen - ein Junge, wie er uns aus einem Kinderbilderbuch entgegenkullern kann.


    Zitat

    Wir lassen das Buch sinken - und während die einen aus der Schar der Schmitt-Leser noch eine Weile betreten vor dem Bett stehen werden, mit Rührung an den tapferen Jungen denken und allen Kindern eine Oma Rosa ins Gepäck wünschen, fassen wir uns an den Kopf: Ist's möglich, brauchen Erwachsene in ihrer weltlosen und gedankenverlorenen Betriebsamkeit, wo sie alles vergessen und verdrängen, was sich nicht zu Geld und Glück machen läßt, wieder Kinderbücher, die ihnen dabei helfen, über den Tellerrand zu schauen, wenigstens für eine Stunde? Sie brauchen solche Rosa-Prosa-Bücher. Schmitt liefert. Wir brauchen sie nicht,


    Ist das zu arrogant?


  • Interessant finde ich hingegen das folgende Statement von Heidenreich:



    Ich denke, sie liegt damit sehr richtig.


    Ja und nein. Weil: Das Statement hat auch eine Kehrseite: Es gehört nicht nur Leidenschaft zur Literaturkritik, sondern auch Intelligenz. MRR hatte beides, auch wenn ich oft mit ihm nicht einverstanden war. Elke Heidenreich hat nur Leidenschaft. Und das neue Literarische Quartett? Kann ich nicht sagen, nie 'reingeschaut...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Ja und nein. Weil: Das Statement hat auch eine Kehrseite: Es gehört nicht nur Leidenschaft zur Literaturkritik, sondern auch Intelligenz. MRR hatte beides, auch wenn ich oft mit ihm nicht einverstanden war. Elke Heidenreich hat nur Leidenschaft. Und das neue Literarische Quartett? Kann ich nicht sagen, nie 'reingeschaut...
    [/quote]


    Ich kannte das alte Lit. Quartett mit dem Literaturpapst, Sigrid Löffler & Co. - das heutige Quartett reicht m.E. nicht an diese Literaturkritiker heran und ich fand es auch nicht sonderlich unterhaltsam bzw. positiv, mir dies anzuschauen:


    Die Sendung von Elke Heidenreich (LESEN!), die ja dann abgesetzt wurde, fand ich hingegen total klasse - und notierte da so manchen Buchtipp! Ich muss Dir im zweitletzten Satz Deiner Meinung widersprechen: Elke Heidenreich hat Intelligenz UND Leidenschaft!

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Im Ernst? Jemand, der meint, Suter sei eine so komplexe Lektüre, dass man durch Schmitt daran herangeführt werden müsse bzw. könne?

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Im Ernst? Jemand, der meint, Suter sei eine so komplexe Lektüre, dass man durch Schmitt daran herangeführt werden müsse bzw. könne?


    Ich glaube, du hast da den Kern ihrer Aussage nicht so aufgefasst, wie ich ihn verstanden habe. Es gibt nunmal jenseits der elitären Gesellschaft sehr viele Menschen, die einen Suter nicht lesen, weil er zu komplex ist. Warum soll man dann nicht mit noch etwas leichterem beginnen? Und wenn man mit Shades of Grey die Menschen zum Lesen verführt? So what? Alle haben mal klein angefangen. Ich verschlang früher Nackenbeißer, lese zur Zeit überwiegend Gegenwartsliteratur (sogenannte Weltliteratur sogar). Hätte ich mit meinen Nackenbeißern nicht so viel Freude gehabt, wäre ich vielleicht gar nicht am Ball bzw. Buch geblieben. Und das ist es, was Elke Heidenreich ausdrücken will, meiner Meinung nach. Und ja, das halte ich für sehr intelligent. Besser, als elitäres Gehabe von oben herab und den Menschen immer wieder zu vermitteln: Wenn du nichts Gescheites liest, dann hast du sowieso keine Ahnung.

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Es gibt nunmal jenseits der elitären Gesellschaft sehr viele Menschen, die einen Suter nicht lesen, weil er zu komplex ist.


    Ich habe ja nichts dagegen, wenn jemand nicht-elitäre Literatur liest. Und dass der Einstieg zu komplexen Büchern über weniger komplexe geht, ist so wahr wie banal. Der Kern meiner Aussage :breitgrins: war ein anderer: Suter ist nicht komplexer als Schmitt. (Vielleicht stimmt sogar das Gegenteil: Schmitt hat - zumindest, wenn man ihn im Original liest - jenseits des wirklich schwachen und alles durch eine rosa Brille betrachtenden Plots - sprachliche Qualitäten, schon fast lyrisch oder musikalisch zu nennende Passagen, die man beim Werbetexter Suter umsonst sucht. Aber das ist auch eine Sache der persönlichen Preferenz: Wer plotlastig liest, wird Suter als komplexer emfpinden, als wer sprachlastig liest.)

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  • Also, ich habe Eric-Emmanuel Schmitt nicht im Original gelesen, sondern in der Übersetzung. Und die fand ich sprachlich nicht sonderlich anspruchsvoll :schulterzuck: Ist wohl Ansichtssache und vermutlich hat Heidenreich das Buch auch nicht im Original gelesen. Allerdings habe ich Suter noch nicht gelesen (sollte der aber sprachlich auf noch niedrigerem Niveau sein, dann lande ich wohl beim kleinen Prinzen :breitgrins: )

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.


  • Das fand ich auch gut... :zwinker:

    Liebe Grüße JaneEyre

    Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück.

    Theodor Fontane

  • Die wichtigste Eigenschaft von MRR war wohl nicht Leidenschaft und Intelligenz. Das könnte man wohl auch den heutigen Diskutanten des LQ bescheinigen. Aber MRR hatte zudem Witz. Und vielleicht lag es auch an seiner "akademischen Ahnungslosigkeit", er war fern aller Literaturtheorien.


    Gruß, Thomas

  • Hagiografie in pötischem Stil ... Die Süddeutsche kann das normalerweise besser ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Ja und nein. Weil: Das Statement hat auch eine Kehrseite: Es gehört nicht nur Leidenschaft zur Literaturkritik, sondern auch Intelligenz. MRR hatte beides, auch wenn ich oft mit ihm nicht einverstanden war. Elke Heidenreich hat nur Leidenschaft. Und das neue Literarische Quartett? Kann ich nicht sagen, nie 'reingeschaut...


    Ja, das stimmt genau. Im neuen literarischen Quartett gibt es nur noch Leidenschaft - obwohl das Wort für einen Maxim Biller auch schon zu hoch gegriffen ist. Das ist Krawall - ohne Intelligenz und ohne wirkliche Leidenschaft. Völlig ungenießbar.


    Und zu Elke Heidenreich: sie gibt in den Diskussionen gerne die Anwältin der 'einfachen Leser' und tut das mit Verve und Leidenschaft. Damit bringt sie bewusst sekundäre Aspekte in die Bewertung von Literatur hinein und beharrt auch noch darauf, dass diese ggf. höher zu bewerten sind als die literarischen Aspekte. Das ist an sich schon problematisch, und nicht selten hat sie berechtigte Argumente einfach vom Tisch gewischt. Man kann ja offen sagen, wenn ein Buch literarisch gut und wertvoll ist, aber schwer zu lesen. Dann wissen die Leute, woran sie sind. Denn recht eigentlich ist ihre Art, Bücher mit minderer Qualität schönzureden, weil sie den 'einfachen Leserinnen' gefallen, doch im Grunde genommen eine Herablassung und Beleidigung. Es hat was von: "Ist zwar nicht so gut, aber für Dich reicht's schon..." Schließlich können Bücher literarisch gut und wertvoll und gleichwohl leicht zu lesen sein. Dafür gibt es unzählige Beispiele. Und das kann man dann auch empfehlen.

    Einmal editiert, zuletzt von Tomke ()