Diskussionsthread

Es gibt 28 Antworten in diesem Thema, welches 5.781 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von gagamaus.

  • In diesem Thread könnt ihr euch während des Lesens austauschen.
    Das Buch hat 4 große Teile, die sich als grobe Einteilung anbieten. Ihr könnt natürlich auch zwischendurch posten, gebt bitte bei einem Posting immer gut sichtbar an, bis wohin ihr gelesen habt (Seite/Kapitel) und nutzt ggfs. die Spoiler-Funktion :winken:


    Teil 1: Seite 7 - 90
    Teil 2: Seite 91 - 226
    Teil 3: Seite 227 - 332
    Teil 4: Seite 333 - 420

    LG, Dani


    **kein Forums-Support per PN - bei Fragen/Problemen bitte im Hilfebereich melden**

  • Bis Seite 50


    Ich kann nicht mehr bis Seite 90 warten. :zwinker: Mann, was für ein tolles Buch. Die Sprache und der Erzählstil sind so eindringlich, so glaubwürdig. Ich kann den Schmerz der Familie selber fühlen. Ich bekomme eine Enge im Hals - und feuchte Hände, weil ich weiß, dass Justin gefunden wird und die Situation bald kippen wird.


    Eric hat eine Geliebte, seine Frau fügt sich selber Schmerzen zu, will verhaftet werden, findet nur in der Delphinbeobachtung Ruhe und Kraft. Die Familie und die Ehe sind schwer erschüttert. Und doch spürt man, dass sie sich lieben und nur versuchen, den Verlust zu verdrängen.


    Und immer wieder Metaphern oder kleine Fragmente, die mich begeistern.


    Der kleine Vogel, der sich doch noch aus der Halle befreien kann. Und die Beschreibung, dass jetzt die zweite Welle käme, die sie bewältigen müssten.


    Schon jetzt bin ich heilfroh, dass ich hier auf das Buch aufmerksam geworden bin. :smile:

    :lesen:





  • 1. Abschnitt
    Ich habe mich mit der Schreibweise am Anfang etwas schwer getan. Es ist alles so bildhaft und sehr detailliert beschrieben. Doch je länger ich gelesen habe, umso schöner fand ich es.


    Man mag sich gar nicht vorstellen, was die Familie aushalten musste. Oft ist ein Ende mit Schrecken doch besser, als ein Schrecken ohne Ende. Vier Jahre lang nicht zu wissen, was mit Justin geschehen ist und die Hoffnung doch nicht aufzugeben., das muss einfach schrecklich sein. Vor allem in diesem kleinen Ort, wo jeder die Geschichte kennt. Obwohl sie in den Köpfen der anderen so nach und nach in den Hintergrund gerät, wird doch bei der Familie immer Rücksicht genommen, sei es die nicht zurückgebrachten Bücher oder auch die Rücksichtnahme auf Griff in der Schule. Jeder in der Familie leidet für sich. Griff hat sogar Schuldgefühle und mit niemandem darüber geredet.


    Dann taucht Justin auf. Er verhält sich relativ normal. Was ist mit ihm geschehen? Wenn er so nah war, warum ist er so lange weggebleiben? Hätte er eine Chance gehabt, zurück nach Hause zu gehen? Ziemlich geheimnisvoll.

  • 1. Abschnitt


    Die Sprache ist das, was ich ziemlich schlecht finde an diesem Roman. Gerade die Vergleiche und Metaphern sind oft gewollt und unpassend. Beispiele aus dem 3. Teil:


    Die Thematik ist das eigentlich Interessante an diesem Roman, wobei die Zeit bis zum Auffinden Justins eher zweitrangig ist (klar, man kann sich denken, was für einen Albtraum die Familie durchlebt). Auffallend finde ich die gestörte Kommunikation zwischen Laura, Eric und Griff. Jeder lebt seinen Schmerz allein: Eric hat eine Klischee-Affaire, Laura stürzt sich in wohltätige Betriebsamkeit, Griff wird zum Streuner (beides ebenso klischeehaft wie Ersteres).
    Spannend wird's erst in dem Moment, als sie mit Justin zusammentreffen - denkt man. Und dann ist die Begegnung völlig banal. Und was ich völllig unverständlich finde, ist, dass der Familie verboten wird, Justin Fragen zu stellen oder mit ihm über die letzten vier Jahre zu sprechen. Es werden also alle zur Kommunikationslosigkeit verdonnert. Alle spielen sich etwas vor. Daraus ergibt sich fast zwangsläufig, dass das irgendwann schief gehen muss.

    Einmal editiert, zuletzt von louzilla ()

  • Bis Seite 142


    Die Sprache ist das, was ich ziemlich schlecht finde an diesem Roman. Gerade die Vergleiche und Metaphern sind oft gewollt und unpassend.


    Das geht mir ganz anders. Ich finde die Sprache hervorragend gewählt. Einfach und klar werden die Gefühle und Gedanken beschrieben. Mich beeindruckt die Eindringlichkeit die schon dadurch entsteht, dass Kleinigkeiten und scheinbar Unwichtiges auf eine Art erzählt werden, die durchschimmern lassen, dass nichts unwichtig ist, das hinter allem mehr steckt.


    Wo zuerst Justins Fehlen ein Loch gerissen hatte, welches auch die erfolglose Suche nicht mehr ausfüllen konnte, da sind jetzt hundert Fragezeichen aufgetaucht, die das Gefühlsleben der Familie noch mehr durcheinander wirbeln, als sein Verschwinden vor vier Jahren.


    Kleine Hinweise auf erste tiefe Risse in der glücklichen Stimmung nach seiner überraschenden Widerkehr: Wie Justin in den Rückspiegel schaut, ausdruckslos zurück ohne ein Lächeln. Wie Eric sich die Pistolen betrachtet und versucht das Bild des Entführers aus dem Kopf zu bekommen. Als bei der Gartenfeier Griff ausplaudert, dass Justin eine Freundin hatte. Und immer wieder die Brücke. Wer wird sich von der Brücke stürzen?


    Alle gesagten und ungesagten Fragen stürzten da auf die Eltern - und auf den Leser - herein.
    Was ist wirklich passiert? Warum konnte so etwas im Nachbarort sein? Warum ist Justin nicht alleine zurückgekommen? Wenn er eine Freundin hatte, wie normal war sein Leben dann? War es überhaupt eine richtige Entführung? Wie wurde Justin unter Druck gesetzt? War es nur psychologisch? Wurde er misshandelt?
    Warum hinkt er? Diese Frage beschäftigt mich sehr. Diese und alle anderen.


    Ich finde es genial, wie der Autor langsam aber stetig eine Lawine beschreibt, die auf die Familie zurollt.
    Die Gefühle der Familienmitglieder sind teilweise sehr unterschiedlilch und sie reagieren verschieden. Schön auch, wie der Bruder beschrieben wird. Sein Wunsch, dem Bruder zu helfen. Sein Gefühl verliebt in ihn zu sein. Wie er versucht zu begreifen, dass der Bruder nicht mehr ist wie er ihn in Erinnerung hatte. Ihre Beziehung ist eine andere, steht unter neuen Vorzeichen. Dennoch ist er auch irgendwie der alte Justin.


    Die Familie versucht an das Leben von vor vier Jahren anzuknüpfen. Aber das geht nicht mehr. Mir gefällt, wie dieses versinken der Vergangenheit vor einer übermächtigen Gegenwart erzählt wird.


    Immer wieder berühren mich kleine Fragmente in dieser Erzählung. Ich habe selber zwei Söhne und finde sie immer wieder in kleinen Teilen wieder. Justin hat sich das Nackenknacken angewöhnt. Das macht mein Ältester auch immer - und mir stellt es dabei die Haare auf. :klatschen:

    :lesen:





  • Teil 2 + 3 bis S. 256



    Mich beeindruckt die Eindringlichkeit die schon dadurch entsteht, dass Kleinigkeiten und scheinbar Unwichtiges auf eine Art erzählt werden, die durchschimmern lassen, dass nichts unwichtig ist, das hinter allem mehr steckt.


    Diese Eindringlichkeit empfinde ich als Problem, weil Vieles einfach zu durchsichtig ist. Die Sache mit dem Stein - man hegt nicht den allergeringsten Zweifel daran, dass dieser Stein wieder eine Rolle spielen wird. Genauso verhält es sich mit dem Hinken... Was da echt erstaunlich ist, ist, dass niemand nachfragt; alle nehmen es zur Kenntnis und gut ist.



    Alle [...] ungesagten Fragen stürzten da auf die Eltern - und auf den Leser - herein.


    Genau das ist das Problem...



    Wer wird sich von der Brücke stürzen?


    Ist für mich inzwischen (Mitte Teil 3) die spannendste Frage, die mich noch am Lesen hält.


    Völlig unsympathisch ist mir Laura. Ich finde sie viel zu gluckig, was man natürlich mit der Situation erklären kann. Für meinen Geschmack jedoch nimmt sie zu viel Anteil am Sexleben ihrer Jungs. Sie ist eifersüchtig auf Justins Freundin in der "Gefangenschaft", sie muss eine halbe Stunde (!) lächeln als sie die Socken in Griffs Versteck findet :rollen: (dass sie sie überhaupt findet, finde ich übergriffig).


    Noch zu einem anderen Aspekt: Man bekommt interessante Einblicke in die amerikanische Energie-Dekadenz: Ständig laufen Klimaanlagen, der Gipfel war für mich das hier: "Sobald Laura das Gebäude verlassen hatte, war ihr klar, dass sie zuerst die Klimaanlage anschalten und die Autoscheiben trocknen lassen musste, bevor sie losfahren konnte." (S:248) :entsetzt:


    Automarke von vorbeifahrenden Autos gibt's auch nur eine: Sedan :zwinker:.


    Der Roman hat bisher seine Längen. Kurz bevor ich ihn weglegen wollte, gab es eine Wendung

    , deren Gründe leider wieder völlig im Dunkeln liegen :rollen:.


    Insgesamt würde ich es viel besser finden, wenn eine Art Psychogramm von Täter / Opfer und Familiengefüge dargestellt werden würde. So will der Roman nur vermeintlich spannend sein und lässt das Wichtigste aus.

  • Diese Eindringlichkeit empfinde ich als Problem, weil Vieles einfach zu durchsichtig ist. .... Was da echt erstaunlich ist, ist, dass niemand nachfragt; alle nehmen es zur Kenntnis und gut ist.



    Genau das ist das Problem...


    Was ist das Problem? Verstehe ich nicht. :sauer: Mir gefällt, dass Erwartungen geschürt werden, Vermutungen angefacht. Klar erkennen wir als Leser schon mehr als die Akteure. Die sind zu nah dran und von ihren Gefühlen und Ängsten gebeutelt. Im Gegensatz zu uns.
    Keiner wagt nach dem Hinken zu fragen. Weil sie nicht fragen sollen. Und weil sie Angst haben, wie die Antwort ausfallen könnte. Verstehe ich sehr gut und finde ich nachvollziehbar.


    Völlig unsympathisch ist mir Laura. Ich finde sie viel zu gluckig, was man natürlich mit der Situation erklären kann. Für meinen Geschmack jedoch nimmt sie zu viel Anteil am Sexleben ihrer Jungs. Sie ist eifersüchtig auf Justins Freundin in der "Gefangenschaft", sie muss eine halbe Stunde (!) lächeln als sie die Socken in Griffs Versteck findet :rollen: (dass sie sie überhaupt findet, finde ich übergriffig).


    Ich mag alle Mitglieder der Familie auch Laura. Ich würde wohl ähnlich wie sie empfinden. Der Wunsch den Sohn zu beschützen, anzufassen, zu lieben ist jetzt übermächtig. Es sind ja auch erste wenige Tage, Wochen vergangen nach den 4 Jahren Horror. Das dauert sicher Monate oder Jahre, bis sie wieder zur Normalität finden wird. Wie alle anderen auch.
    Was ist übergriffig daran, dass sie bei einem 12 Jährigen Interesse an seinem Sexleben hat und dessen Zimmer aufräumt. Verstehe ich nicht. Hatte ich auch. Und da wir sehr offen mit dem Thema umgegangen sind wurde ich von meinen Söhnen freiwillig auch ständig zu Rate gezogen, wenn es Probleme mit der Freundin oder dem Sexleben gab. Gott sei Dank muss das keine heimliche, verklemmte Angelegenheit mehr sein.
    Laura ist natürlich noch aufmerksamer als andere Mütter am Leben ihrer Söhne. Weil sie weiß, wie schnell alles vorbei sein kann und sie gar nichts mehr hat. Sicherlich eine Ausnahmesituation nach der man nicht mehr all seine Gefühle unter Kontrolle hat.


    Mir gefallen auch die Schwächen, die die Hauptpersonen hier haben.


    Der Roman hat bisher seine Längen. Kurz bevor ich ihn weglegen wollte, gab es eine Wendung

    , deren Gründe leider wieder völlig im Dunkeln liegen :rollen:.


    Insgesamt würde ich es viel besser finden, wenn eine Art Psychogramm von Täter / Opfer und Familiengefüge dargestellt werden würde. So will der Roman nur vermeintlich spannend sein und lässt das Wichtigste aus.


    Für mich hat der Roman bis jetzt keine Längen. Er ist teilweise sehr ausführlich in den Beschreibungen der Gefühle. Aber überraschender Weise stört mich das gar nicht. Für mich ist es kein Thriller. Und dennoch ist es ungemein spannend. Das Psychogramm entsteht doch durch die Beschreibungen, die Gespräche, die langsame Entwicklung. Wir lernen den Täter und die Tat so kennen, wie auch die Familienmitglieder. Mir gefällt das extrem gut. Der Leser weiß nicht mehr. Der Täter ist eigentlich auch gar nicht wichtig. Es geht einfach darum wie eine Familie mit solch einem Schicksalschlag fertig wird - oder auch nicht fertig wird.


    Ich hätte nicht gedacht, dass das Buch so unterschiedliche Emotionen auslöst was den Erzählstil betrifft. :zwinker:

    :lesen:






  • Was ist das Problem?


    Das Problem besteht für mich darin, dass dem Leser Banales ins Gesicht geschleudert und wirklich Interessantes weggelassen wird.



    Und da wir sehr offen mit dem Thema umgegangen sind wurde ich von meinen Söhnen freiwillig auch ständig zu Rate gezogen, wenn es Probleme mit der Freundin oder dem Sexleben gab. Gott sei Dank muss das keine heimliche, verklemmte Angelegenheit mehr sein.


    Wenn deine Söhne auf dich zukommen, ist das völlig in Ordnung. Dieses Thema sollte auch nicht tabuisiert werden. Aber: Auch Jugendliche haben eine Privatsphäre. Als Zwölfjährige hat meine Mutter mein Zimmer nicht mehr aufgeräumt (der hätte ich auch was gehustet :breitgrins:). Griff wollte nicht, dass man die Socken findet.


    Und wenn Laura Justins Kompliment, dass ihr lange, offene Haare besser stehen, so verarbeitet, als ob sie von einem Mann (Partner/Liebhaber) kämen, dann, finde ich, ist eine Distanzlinie überschritten. Da stimmt was nicht auf den Beziehungsebenen; diese werden offenbar vermischt.



    Das Psychogramm entsteht doch durch die Beschreibungen, die Gespräche, die langsame Entwicklung. Wir lernen den Täter und die Tat so kennen, wie auch die Familienmitglieder. Mir gefällt das extrem gut. Der Leser weiß nicht mehr. Der Täter ist eigentlich auch gar nicht wichtig. Es geht einfach darum wie eine Familie mit solch einem Schicksalschlag fertig wird - oder auch nicht fertig wird.


    Das, was du hier beschreibst, trifft doch alles überhaupt nicht zu: Vom Täter erfahren wir - nichts. Vom Opfer erfahren wir - praktisch nichts. Und die Familie schweigt sich nur an (und wird mit gar nichts fertig, deshalb ist nachher auch einer tot).



    Ich hätte nicht gedacht, dass das Buch so unterschiedliche Emotionen auslöst was den Erzählstil betrifft. :zwinker:


    Na, sonst hätten wir nichts zu diskutieren :zwinker:.


  • Das Problem besteht für mich darin, dass dem Leser Banales ins Gesicht geschleudert und wirklich Interessantes weggelassen wird.


    Was ist banal, was ist interessant? Das Leben ist halt öfters banal. Ich bin noch nicht so weit im Buch wie Du, bis jetzt fehlt mir nichts interessantes bzw. ich schätze das kommt noch. :breitgrins:


    Aber: Auch Jugendliche haben eine Privatsphäre. Als Zwölfjährige hat meine Mutter mein Zimmer nicht mehr aufgeräumt (der hätte ich auch was gehustet :breitgrins:). Griff wollte nicht, dass man die Socken findet.


    Er wusste doch sicherlich, dass seine Mama sein Zimmer aufräumt. Dann hätte er es wohl wo anders verstecken müssen. Ich hatte das Gefühl, es wäre fast ein Spiel. Die T-Shirts ständig woanders hinzu räumen hat ja auch nicht funktioniert. Meine Söhne fanden echt nichts dabei, wenn ich ihr schmutziges und unordentliches Zimmer aufgeräumt habe. Es war nicht schnüffeln sondern aufräumen. Auch bei Laura.


    Vom Täter erfahre ich immer wieder einen Happen, wie auch vom Opfer. Nie genug, aber das ist für mich das Spannende. Wobei der Täter mich nicht so richtig interessiert.
    Aber er ist dick, eher schmuddelig, man erfährt das sie Zeitungen aufgetragen haben und Bingo gepielt. Dass Justin eine Freundin hatte, einen anderen Rythmus hatte, sie sich darüber unterhalten haben, was er vor Gericht sagen wird, wenn er angeklagt wird (der Täter). Immer wieder kleine Häppchen. Klar sucht man noch nach einer Erklärung. Aber ich finde, gerade das ist das Spannende. Nicht auf zwei, drei Seiten alles was passiert ist. So ist es ja oft in Büchern. Sondern einfach nur Puzzleteile, die mehr Fragen aufwerfen als Rätsel lösen.
    Und das Schweigen finde ich ziemlich realistisch und kenne es von tatsächlichen Familienschicksalen. Irgendwann gehen einem die Worte aus und man fürchtet durch das aussprechen von Dingen alles noch schlimmer zu machen. Deshalb braucht man ja dringend einen Psychologen, der da weiterhilft.


    Überrascht bin ich, weil mir das Buch wirklich sooo gut gefällt. Da bin ich immer überrascht, wenn jemand es so schrecklich findet. :zwinker: Als würden wir zwei verschiedene Bücher lesen. Aber ja, das gibt es natürlich öfters.

    :lesen:






  • 1. Abschnitt
    Spannend wird's erst in dem Moment, als sie mit Justin zusammentreffen - denkt man. Und dann ist die Begegnung völlig banal. Und was ich völllig unverständlich finde, ist, dass der Familie verboten wird, Justin Fragen zu stellen oder mit ihm über die letzten vier Jahre zu sprechen. Es werden also alle zur Kommunikationslosigkeit verdonnert.


    Unverständlich ist es teils schon, teils sogar nachzuvollziehen. Wenn die Polizie jemanden überführen möchte, dann es es dumm, wenn das Thema schon x-mal durchgekaut wurde. Es verfälscht die Aussagen. Aber man will als Familie natürlich wissen, was dem Kind in den Jahren widerfahren ist und sich dann zurückhalten müssen, ist schon blöde.

  • Ich habe es so verstanden, dass es auch aus psychologischen Gründen besser für Justin wäre, wenn man ihn von selber entscheiden ließe, was er seiner Familie genau erzählt. Man merkt ja, dass er so langsam auftaut und sich zuerst mal seinem Bruder etwas öffnet. Interessieren würde es mich natürlich schon, was er Polizei und Psychaterin erzählt. Aber das Buch spielt damit, dass wir als Leser nicht viel mehr wissen als die Familienmitglieder.

    :lesen:





  • Aber wie ungut dies ist, merkt man, je weiter man liest. Alle stellen nur Vermutungen über den anderen an, nichts, aber auch gar nichts wird geklärt. Dabei stehen ja drängende Fragen im Raum:
    Familie: Warum hat er nie versucht zu fliehen, Möglichkeiten gab es zu Hauf.
    Justin: Warum wurde ich nicht gefunden? Ich war doch immer präsent.


    Allein die Geschichte mit der Postkarte:


    Oder der Plan von Eric und Cecil: Was ist das denn für ein Unsinn? Dann macht Eric auch noch Laura gegenüber Andeutungen und dann schweigen sich alle wieder darüber aus. Ich finde das langsam ziemlich nervig und immer unrealistischer. Auf einer Seite gab es von Eric 6 "vielleichts" bezüglich seiner Frau :rollen: - Mann, macht doch alle einfach mal den Mund auf :grmpf:! - möchte man schreien.


  • Aber das Buch spielt damit, dass wir als Leser nicht viel mehr wissen als die Familienmitglieder.


    Das stimmt nicht: Der Leser weiß wesentlich mehr als jeder einzelne für sich genommen. Der kann die Puzzlestücke teilweise zusammensetzen (Vieles bleibt aber auch ungeklärt), die Familienmitglieder können das nicht.


    Dass man denkt, dass der Leser nicht viel mehr weiß, liegt daran, dass die Infos ja tatsächlich mehr als dünn und vage sind.

  • Schluss


    So! Auf Seite 400 ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich das Buch weglege.


    Damit hat sich der Roman endgültig für mich disqualifiziert. Ich werde mir die letzten 19 Seiten nicht mehr antun.

  • Eine toll beschriebene Szene finde ich, als Justin Griff nachts mitnimmt zum Ort seiner Entführung und ihm davon erzählt. Man spürt förmlich, dass Justin darüber reden MUSS und Griff macht es genau richtig und drängt ihn nicht. Die Frage des Missbrauchs wird zwar nicht eindeutig geklärt, aber ich habe das Gefühl, es ist schon zu einem sexuellen Übergriff gekommen.


    Der kleine Bruder möchte sein Vertrauen zeigen und fragt nicht, wo sie hinfahren. Aber er ist auch besorgt, die Eltern könnten sie suchen und verzweifelt sein. Sehr empathisch. :smile:


    Ich lese betont langsamer als sonst, um nichts zu verpassen.


    Belastend für den Großvater ist wohl, dass er den Täter oder zumindest die Eltern des Täters kennt, mit ihnen öfter geredet hat - auch über die Entführung. Für Eltern ist es ja immer schlimm. Für beide Seiten. Ich denke, da kocht auch nochmal der "Volkszorn" hoch.

    :lesen:





    Einmal editiert, zuletzt von gagamaus ()

  • So, ich bin mit dem zweiten Abschnitt zwar noch nicht durch, aber das ist ja ein Eiertanz. Alle sind froh, dass Justin zurück ist, aber keiner verhält sich wirklich normal. Griff reagiert eigentlich noch am natürlichsten, auch wenn seinen Bruder unnatürlich vergöttert. Es gibt fragen ohne Ende, aber keine einzige wird geklärt.


    Justin hat ein relativ normales Leben geführt in den Jahren im Nachbarort. Er hat anscheinend nie auch nur versucht nach Hause zu kommen. Würde das eine Junge nicht zumindest versuchen? Ich habe auch nicht den Eindruck, dass er wirklich glücklich darüber ist, wieder bei seiner Familie zu sein.


    Irgendwie geht mir das auf den Keks, dass sich nichts klärt und das Verhalten von allen immer merkwürdiger wird.


  • Spannend wird's erst in dem Moment, als sie mit Justin zusammentreffen - denkt man. Und dann ist die Begegnung völlig banal. Und was ich völllig unverständlich finde, ist, dass der Familie verboten wird, Justin Fragen zu stellen oder mit ihm über die letzten vier Jahre zu sprechen. Es werden also alle zur Kommunikationslosigkeit verdonnert. Alle spielen sich etwas vor. Daraus ergibt sich fast zwangsläufig, dass das irgendwann schief gehen muss.


    Ich hatte auch gedacht, dass die Polizei nur für die ersten Tage dieses Verbot gedacht hatte, aber da ändert sich ja nichts.


    Sehr seltsam finde ich auch, dass man sich nicht zusammensetzt und bespricht, wie es weitergehen soll und wo die Erwartungen sind - wenn schon die Vergangenheit ein Tabuthema ist.
    Aber nach ein paar Tagen muss doch auch eine Annäherung geschehen in Bezug auf die letzten vier Jahre.


    Justin ist so emotionslos. Wie er über die mögliche Todesstrafe spricht. Entweder fühlt er sich zu seinem Entführer hingezogen (Stockholm-Syndrom) oder zu seinen Eltern, aber ich spüre nichts von beidem.


  • Justin hat ein relativ normales Leben geführt in den Jahren im Nachbarort. Er hat anscheinend nie auch nur versucht nach Hause zu kommen. Würde das eine Junge nicht zumindest versuchen? Ich habe auch nicht den Eindruck, dass er wirklich glücklich darüber ist, wieder bei seiner Familie zu sein.


    So habe ich das gar nicht verstanden. Er hat tags geschlafen und durfte nur nachts mit seinem Entführer hinaus. Und villeichtg warst du noch nicht an der Stelle, wo er Griff erzählt, dass

    Ich muss immer wieder an das Mädchen Kampusch aus Österreich denken, die ja erst mit 18 entkommen ist. Und die durfte auch mit ihrem Entführer ein paar Mal zum Einkaufen usw. Bei Kindern ist so eine psychologische "Fessel" extrem fest, schätze ich.


    Justin ist so emotionslos. Wie er über die mögliche Todesstrafe spricht. Entweder fühlt er sich zu seinem Entführer hingezogen (Stockholm-Syndrom) oder zu seinen Eltern, aber ich spüre nichts von beidem.


    Ich schätze, in den letzten vier Jahren hat er gelernt seine Emotionen zu konrollieren. Vor dem Entführer nur keine Blöße geben und Stärke zeigen. Wie übrigens auch die Kampusch. Die wirkte auch im Fernsehen bei ihren ersten Interviews so klug und abgeklärt und kühl, dass die Leute ihr gar nicht geglaubt haben, dass der Kerl sie gefangen gehalten hat. So was kann man kaum nachempfinden, was da mit der Psyche eines Kindes gemacht wird. Innerlich tobt bei Justin sicherlich das Chaos.


    Mit einem "normalen" Verhalten rechne ich nicht. Jeder in der Familie hat ein Trauma erlitten. Die Eltern sollten dringend auch eine Therapie machen und alle zusammen vielleicht noch eine Familientherapie. Sie sind erst vier Jahre sprachlos in ihrem Unglück und jetzt in ihrem scheinbaren Glück - welches gar keines ist, denn die Wunden dieser Entführung sind noch lange nicht vernarbt.

    :lesen:






  • Eine toll beschriebene Szene finde ich, als Justin Griff nachts mitnimmt zum Ort seiner Entführung und ihm davon erzählt. Man spürt förmlich, dass Justin darüber reden MUSS und Griff macht es genau richtig und drängt ihn nicht. Die Frage des Missbrauchs wird zwar nicht eindeutig geklärt, aber ich habe das Gefühl, es ist schon zu einem sexuellen Übergriff gekommen.


    Das ist auch für mich die schönste und natürlichste Stelle im Roman. Schade, dass es solche Szenen nicht öfter gibt.



    Justin ist so emotionslos. Wie er über die mögliche Todesstrafe spricht. Entweder fühlt er sich zu seinem Entführer hingezogen (Stockholm-Syndrom) oder zu seinen Eltern, aber ich spüre nichts von beidem.


    Diese Emotionslosigkeit ist bei Missbrauchsopfern "normal". Sie ziehen sich innerlich zurück und kapseln ihre Gefühle ein, um (psychisch) zu überleben. Justin finde ich von allen Figuren am autentischsten; er ist der einzige, der halbwegs natürlich reagiert.


  • Das stimmt nicht: Der Leser weiß wesentlich mehr als jeder einzelne für sich genommen. Der kann die Puzzlestücke teilweise zusammensetzen (Vieles bleibt aber auch ungeklärt), die Familienmitglieder können das nicht.


    Dass man denkt, dass der Leser nicht viel mehr weiß, liegt daran, dass die Infos ja tatsächlich mehr als dünn und vage sind.


    Als Leser kennt man natürlich die Sichtweise aller Personen, nur bleibt trotzdem vieles im Dunkeln, weil es nur angedeutet wird. Jeder in der Familie lebt für sich und schleppt seine Gedanken und Gefühle mit sich herum.


    Justin mach seiner Familie heimlich Vorwürfe, dass sie ihn nie gefunden hat, obwohl die "Welt doch klein" ist. Da muss doch mal drüber geredet werden, warum er nicht geflohen ist und warum er nicht gesehen hat, dass er gesucht wurde. Natürlich war er lange Zeit mit dem kaputten Knöchel angebunden, aber die Zettel wurden von der Familie ja die ganzen vier Jahre immer wieder verteilt und ausgetauscht.


    Beim Lesen habe ich ständig das Gefühl, als ginge es weniger um Justin als um Laura. Natürlich wird berichtet, was Eric anstellt und dass Griff und Justin sich näherkommen, aber den größten Anteil nehmen die Gedanken von Laura ein und die drehen sich viel um sie selbst.


    Es ist schwer als Familie zusammen zu wachsen nach so langer Zeit, denn man ist sich fremd geworden, aber in dieser Familie ist nur ein Auseinanderdriften.