Ernst Peter Fischer - Noch wichtiger als das Wissen ist die Phantasie

Es gibt 1 Antwort in diesem Thema, welches 537 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kirsten.

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Ernst Peter Fischer: Noch wichtiger als das Wissen ist die Phantasie: Die 50 besten Erkenntnisse der Wissenschaft von Galilei bis Einstein, München 2016, Penguin Verlag, ISBN 978-3-328-11111-5, Softcover, 318 Seiten, Format: 12,1 x 2,7 x 18,8 cm, Buch: EUR 9,00 (D), EUR 9,30 (A), Kindle Edition: EUR 7,99.


    So ganz klar war mir nicht, was mich in diesem Buch erwarten würde. Werden hier, für den Laien verständlich, die bedeutendsten wissenschaftlichen Entdeckungen erklärt und vielleicht noch beschrieben, welche Auswirkungen dieser Erkenntniszuwachs auf die Gesellschaft hatte? Oder geht es darum, wie ausgewählte WissenschaftlerInnen auf ihr Lebensthema oder ihre Problemlösungen gekommen sind? Wurden geniale Menschen womöglich von ganz banalen Alltagsdingen zu ihren Geistesblitzen inspiriert? Und erfahren wir das jetzt?


    Die Weisheit des Westens
    Ein bisschen was von alledem ist in diesem Buch zu finden, doch die Grundidee ist eine andere. Der Autor hat sich gefragt, warum man eigentlich in westlich ausgerichteten europäisch-abendländischen Kulturen die Weisheit im Osten sucht. Man braucht ja nur mal zu googeln: Beim Stichwort „östliche Weisheit“ wird man von –zigtausenden Suchergebnissen erschlagen, der Begriff „westliche Weisheit“ liefert eine dramatisch geringere Anzahl an Treffern.


    Ja, haben unsere eigenen klugen Köpfe denn nichts Griffiges zu sagen? Ernst Peter Fischer konnte das nicht glauben. Also hat er sich auf die Suche gemacht und ist zu dem Schluss gekommen: „Es gibt sie, die Erkenntnisse, die Weisheiten der westlichen Wissenschaft, die von Frauen und Männern geäußert worden sind, die das dazugehörige Wissen erworben und sich ihre Phantasie bewahrt haben. Dieses Buch stellt einzige dieser Denkschätze und die dazugehörigen Forscher vor – wobei die jeweils zitierte Erkenntnis für sich stehen bleibt und nicht (...) kommentiert wird. Witze und Weisheiten sollte man wirken lassen und nicht erklären.“ (Seite 12)


    Hier findet man nun die Kurzporträts von 50 Wissenschaftlern (darunter drei Frauen) aus den Bereichen

    • Astronomie und Physik
    • Mathematik und Informatik
    • Naturforschung und Biologie
    • Chemie und Medizin
    • Molekularbiologie und Genetik
    • Und in der Rubrik „Noch mehr Erkenntnisse“ kommen kluge Menschen zu Wort, die keine praktizierenden Naturwissenschaftler waren.


    Forscherporträts und Zitate
    Jede der 50 Kurzbiographien der – meist bekannten – WissenschaftlerInnen wird mit einem Zitat eingeleitet. Und da sieht man dann, dass der Vergleich mit den populären „östlichen Weisheiten“ hinkt, denn die wenigsten Zitate sind so eingängig wie diese:


    „Wissenschaft ist wie Sex. Manchmal kommt etwas Sinnvolles dabei heraus. Aber das ist nicht der Grund, warum wir es tun.“ (Richard P. Feynman, Seite 137)


    „Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie angeschaut haben.“ (Alexander von Humboldt, Seite 185)


    „Es ist fast unmöglich, die Fackel der Weisheit durchs Gedränge zu tragen, ohne jemandem den Bart zu sengen.“ (Georg Christoph Lichtenberg, Seite 285)


    Die meisten anderen Zitate sind deutlich komplexer und länger, beziehen sich in irgendeiner Form auf die Arbeit des jeweiligen Wissenschaftlers und können mit den wohlklingenden Sinnsprüchen und Volksweisheiten aus dem Osten einfach nicht konkurrieren.


    Anspruchsvolle Lektüre
    Einigermaßen sattelfest sollte man in den Naturwissenschaften sein, sonst kann man den Ausführungen in den Forscherporträts nicht folgen. Als durchschnittlich gebildeter Mensch habe ich mich im ein oder anderen Fall aber schon gefragt: „Was hat der erforscht?“ Manches habe ich schlicht nicht begriffen. Vielleicht passt da das Zitat von Georg Christoph Lichtenberg: „Ein Buch ist ein Spiegel, wenn ein Affe hineinguckt, so kann kein Apostel heraus sehen“ (Seite 285) Bei mir hat öfter Mal der Affe zurückgeguckt. Aber wer ist schon in all den Disziplinen, die hier angesprochen werden, gleichermaßen firm?


    Was bleibt von der Lektüre hängen? Das eine oder andere Zitat. Die Erkenntnis, dass es ein Skandal war, wie man mit Forscherinnen umgesprungen ist, und dass vor allem jüdische Wissenschaftlerinnen die A***karte gezogen hatten. Man denke nur an Lise Meitner! Aber das ist ja so neu nicht.


    Interessant wird’s, wenn die Philosophie ins Spiel kommt und die Frage auftaucht, ob die Naturwissenschaft wirklich etwas entdeckt oder ob physikalische Theorien freie Erfindungen des menschlichen Geistes sind.


    Mit manchem schrägen Vogel unter den Wissenschaftlern oder einem interessanten Thema möchte man sich im Anschluss an diese Lektüre vielleicht doch näher beschäftigen. Und man ertappt sich bei gänzlich unwissenschaftlichen Aktivitäten wie der Überprüfung der Behauptung, der französische Biologe Jaques Monod habe „blendend“ ausgesehen. Na gut, da soll jede/r bei Interesse selber googeln. ;)


    Aufgrund des Klappentextes hatte ich mir das Buch etwas „volksnäher“ vorgestellt und war mit den Inhalten streckenweise ein wenig überfordert. Hätte ich mich vorab über den Autor informiert, wäre mir klar gewesen, dass die Lektüre ziemlich anspruchsvoll ist.


    Der Autor
    Ernst Peter Fischer, geboren 1947 in Wuppertal; Studium der Mathematik und Physik in Köln, Studium der Biologie am California Institute of Technology in Pasadena (USA) (Promotion 1977), Habilitationsstipendiat der DFG im Bereich Wissenschaftsgeschichte (Habilitation 1987); apl. Professor für Wissenschaftsgeschichte an der Universität in Heidelberg; wissenschaftlicher Berater der Stiftung Forum für Verantwortung, Buchautor und Publizist.
    Der Autor wurde ausgezeichnet mit der Lorenz-Oken-Medaille (2002), der Treviranus-Medaille (2003) und den Eduard-Rhein-Kulturpreis (2003), mit der Medaille der Deutschen Physikalischen Gesellschaft für Naturwissenschaftliche Publizistik (2004) und mit dem Sartorius-Preis der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.