Colm Tóibín - Nora Webster

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    Inhalt
    Noras Mann Maurice stirbt viel zu früh und lässt sie mit ihren beiden Söhnen alleine zurück. Die Töchter sind schon erwachsen und haben das Haus verlassen, aber die beiden Jungen brauchen sie noch. Nur langsam findet sich Nora in ihrem neuen, ungewünschten Leben als Witwe mit zwei Kindern zurecht.


    Meine Meinung
    Gleich zu Anfang fällt mir auf, dass Nora nie alleine gelassen wird. Gleich nach dem Tod ihres Mannes kommen immer wieder Besucher, die ihr ihr Beileid aussprechen wollen. Sie meinen es gut, aber sie lassen sie und ihre Söhne nicht zur Ruhe kommen. Als die Besucher nach und nach ausbleiben, sind es Besuche von ihrer Familie. Jeder glaubt zu wissen, was gut für Nora ist. Sei es eine neue Arbeitsstelle, ein neues Hobby oder eine neue Schule für ihren älteren Sohn, der mit dem Tod des Vaters nur schlecht zurecht kommt.


    Nora funktioniert nur noch und kann sich nicht zurückziehen, um wieder zu sich selbst zu finden. Jede Entscheidung zu Veränderungen machen ihr ein schlechtes Gewissen weil sie noch sehr in ihrem alten Leben verhaftet ist. Aber vielleicht sehen die Leute um sie herum sie nur noch in dieser Rolle: als Ehefrau bzw. Witwe und Mutter und nicht als selbständige Frau, die ihre Leben alleine meistern kann. Das hemmt und ärgert sie gleichermaßen. Manchmal wirkt sie auf mich kalt, sogar arrogant. Aber ich glaube das kommt daher, weil sie ihre wahren Gefühle oft nicht zeigen darf.


    Auch wenn die Geschichte im Irland der 60er Jahre spielt, denke ich nicht dass es in anderen Ländern anders war. Wahrscheinlich ist es auch nicht viel anders zu einer anderen Zeit. Das Bild, das man von einem Menschen hat, stimmt oft nicht mit dem Menschen selbst überein. Dieser Unterschied kann für denjenigen ein Hindernis, aber auch eine Chance sein. So, wie es für Nora der Fall war.
    5ratten


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Irland in den 1960ern: Nora Webster ist frisch verwitwet, ihre beiden älteren Töchter sind in der Ausbildung bzw. in einem Internat, die jüngeren beide Söhne leben bei ihr. Das Geld ist knapp und so muss sie bei aller Trauer Entscheidungen treffen, wie das Leben weitergehen soll. Dabei steht sie unter der Beobachtung von Verwandten und Bekannten, die alleinstehenden Frauen entweder nur wenig oder eher negatives zutrauen.


    Es gibt sehr viele Szenen in dem Buch, in denen Nora abwägt: was würde ihr Mann tun, was denken ihre Verwandten, was sie tun sollte, was WILL sie eigentlich wirklich tun? Man merkt aber, wie im Verlauf der drei Jahre, die das Buch abdeckt, der eigene Wille, wenn auch nur langsam, die Oberhand gewinnt. Immer häufiger entscheidet sie wirklich selbst, statt einfach nur Erwartungen zu erfüllen.


    Das Buch endet ziemlich alltäglich, aber vielleicht ist ein Ende in friedlicher Normalität der beste Abschluss für ein Buch über eine Trauerzeit.


    Auch wenn mir so manche Ansichten und Gedankengänge fremd waren, fühlte ich mich vom Autor mitgenommen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich Nora mögen würde, aber ich respektiere sie und habe das Buch gerne gelesen. Der Autor ist auf meiner Merkliste gelandet.


    4ratten