Christian Reuter: Schelmuffsky

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    Nun endlich habe ich meinen barocken Schelmenroman gelesen:


    Reuters Romanparodie auf die damals beliebten Reise- und Abenteuerromane erschien 1696/97, zur Zeit des Spätbarocks.


    Der Autor Christian Reuter war ein verkrachter ewiger Leipziger Student, der sich an seinen wenig kooperativen und unsympathischen Wirtsleuten Müller durch eine sehr erfolgreiche Schlüsselkomödie rächte, sie darin bloßstellte und deshalb wegen Verleumdung im Karzer landete. Anstatt nun reuevoll in sich zu gehen, schrieb er dort eine Fortsetzung des Dramas und löste die Figur Schelmuffsky, die auch im Drama vorkam und Züge des Wirts trägt, heraus, um ihm ein eigenes Werk zu widmen.


    Schelmuffsky ist ein unerträglicher Großsprecher, eigentlich ein Säufer und Schmarotzer, der durch die Großzügigkeit seiner Mutter, nachdem er Schule und Lehre abgebrochen hatte, ein größeres Reisegeld ausgezahlt bekommt. Dieses nutzt er nach seinen eigenen Ausführungen für eine abenteuerliche (Fast-)Weltreise, in Wirklichkeit verzecht er das Reisegeld im Nachbardorf und kommt später abgebrannt zurück nach Hause, was aber angeblich die Folge einer Inhaftierung durch Piraten ist. Zuvor ist er überaus erfolgreich aufgetreten, die adeligen Frauen lagen ihm zu Hauf zu Füßen und auch alle anderen bewundern ihn ungemein, schon allein wegen seiner immer wiederholten Erzählung von seiner Geburt, bei der eine frivole Ratte eine wichtige Rolle spielt.
    Seine Reisen führen ihn durch geografisch abenteuerlich gelegene Länder wie Schweden (das man direkt über Holland erreicht - Dänemark, Skakerrag und Kattegat kommen nicht vor), England, Indien und Spanien bis nach Venedig, das auf einem hohen Berg liegt und Rom, bei dem man wiederum den Wochenmarkt nur mit Booten erreicht.


    Reuter bricht seine Hauptperson durch Spiegelungen in vielfacher Weise und wechselt virtuos zwischen einem sogenannten grobianischen und dem phrasenreichen barocken Schmuckstil. Das ist nett, kann einem nach 50 Seiten aber ganz schön auf den Wecker gehen. Ich weiß nicht, wie häufig die obersächsische Redewendung "der Tebel hol mer" im Roman vorkommt, aber es wird eine satte dreistellige Zahl sein. Durch die zweite Hälfte des Romans habe ich mich nicht nur wegen fehlender Zeit ziemlich durchgequält. In der Rückschau gefällt mir der Roman jetzt wieder besser, weil er erfrischend frech und entlarvend ist, aber man muss Wiederholungen schon mögen, um den ganz großen Lesespaß zu haben.


    Amazonlink ergänzt. LG, Valentine

    Einmal editiert, zuletzt von finsbury ()

  • Respekt, dass Du das durchgezogen hast, das klingt doch einigermaßen anstrengend.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Respekt, dass Du das durchgezogen hast, das klingt doch einigermaßen anstrengend.


    Die Lektüre ist bei mir schon eine Weile her; aber ich habe sie eigentlich als recht amüsant und keineswegs anstrengend in Erinnerung.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Die Lektüre ist bei mir schon eine Weile her; aber ich habe sie eigentlich als recht amüsant und keineswegs anstrengend in Erinnerung.


    Es ist ja auch kein langes Werk. Bei mir dehnte sich die Lektüre eben wegen intensiver Arbeitsverpflichtung, so dass ich zur Entspannung dann doch auf etwas weniger Nerviges zurückgriff als den Schelmuffsky nach der hundertsten Seite. Bis dahin hat mir das Lesen vorwiegend Spaß gemacht.