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Laura Kneidl - Berühre mich. Nicht.
LYX Verlag, Oktober 2017
461 Seiten; EUR 12.90 (broschiertes TB)
ISBN 9783736305274
Altersangabe: ab 14 Jahren
Reihe: Erster von zwei Teilen (Fortsetzung: Verliere mich. Nicht.)
Originalsprache: deutsch
Sage Derting ist 18 Jahre alt, als sie von Maine nach Nevada zieht. Dort hat sie sich an der Uni eingeschrieben und freut sich auf einen kompletten Neustart - auch wenn sie so gut wie nichts besitzt. Dass sie zu Beginn der Kurse in ihrem alten Transporter nächtigen muss, macht ihr besonders deutlich, dass sie dringend einen Job benötigt. Nur gut, dass sie einen in der Bibliothek auf dem Campus findet, bei dem sie im staubigen Keller die Buchspenden katalogisieren soll. Eine perfekte Tätigkeit, wenn man bedenkt, dass Sage von schweren Angststörungen geplagt wird, die ihr den Umgang mit fremden Menschen mitunter fast unmöglich macht.
Doch dann begegnet sie beim Antritt der Stelle Luca, einem zwei Jahre älteren Studenten, der mit seiner selbstgefälligen Art, den stechend klaren Augen und seiner großflächigen Tätowierung sofort für ein mehr als mulmiges Gefühl bei Sage sorgt... Wie soll sie den so dringend benötigten Job nur durchstehen, wenn sie jederzeit von Angst überwältigt werden könnte?
Zum Glück begegnet Sage aber auch April, die ebenfalls Erstsemester ist und sich gleich mit ihr anfreunden möchte. Die unbeschwerte junge Frau kümmert sich um Sage, unterstützt sie und sorgt sich darum, dass Sage alleine in einem VW-Bus schläft. Und so kommt letztlich alles ins Rollen...
Laura Kneidl hat mit "Berühre mich. Nicht" einen Roman geschrieben, der nicht nur bloße Liebesgeschichte ist oder vom Erwachsenwerden erzählt. Nein, die Autorin widmet sich auch einem nicht gerade einfachen Thema, nämlich Angststörungen. Diese nehmen einen sehr großen Raum im Roman ein, da sie Sages Alltag stark bestimmen. Meines Erachtens zeigt Laura Kneidl hier ein bemerkenswertes Feingefühl für ihre Hauptfigur - sie zeichnet Sage sehr differenziert, gesteht ihr lange Phasen, die ausschließlich von ihren Ängsten und ihren Erinnerungen an ihr altes Leben bestimmt sind, zu, zeigt aber eben auch eine kämpferische junge Frau, die mit ihrem Neustart in Nevada ihr altes Ich komplett hinter sich lassen will und endlich ein glückliches Leben führen, neue Freunde finden und an eine Zukunft denken möchte. Ich maße mir nicht an, zu beurteilen, ob Sages Versuche, mit ihren extremen Ängsten halbwegs zurecht zu kommen oder wenigstens zu funktionieren, richtig sind. Für mich steht nur fest, dass die geschilderten Szenen und Emotionen, die Sage nicht selten zu überwältigen drohen und die Ausmaße ihrer Panikattacken auf mich authentisch wirken. Dabei wirkt die Handlung niemals reißerisch, sondern schlicht und einfach nur ergreifend. Auch wenn der Grat manchmal schmal ist, so hat mich Sages Geschichte berührt, ich habe - soweit es mir möglich war - mit ihr gefühlt und immer wieder gehofft, dass es für sie einen Weg geben kann, sich von einigem Ballast zu befreien. Wie bereits geschrieben, ob nun ihr Weg, mit all dem fertig zu werden, in einer solchen Situation empfehlenswert ist, wage ich nicht zu bewerten. Was mich sehr beeindruckt hat, ist die Tatsache, wie Laura Kneidl eine ganz und gar nicht einfache psychische Erkrankung in eine sehr flüssig zu lesende Geschichte verpackt, die vor allem mit der Freundschaft zu April und der aufkeimende Liebesgeschichte zu einem packenden Gesamtkonstrukt wird. Klar, einige Entwicklungen sind durchaus zu erahnen, aber da die Hauptfigur Sage in verschiedener Hinsicht besonders ist, hat mich das an keiner Stelle gestört. Wenn es dieses Buch schaffen sollte, dass sich Menschen mehr Gedanken um ihre Umwelt machen und vielleicht auf andere, die scheinbar ungewöhnlich sind, unvoreingenommener zu reagieren und Mitmenschen nicht schief anschauen, mit Konventionen überfordern oder gar Schlimmeres, dann ist doch schon etwas gewonnen, finde ich.
Neben einigen sehr traurigen Momenten, die mich ziemlich betroffen gemacht haben, gibt es aber auch jede Menge andere Gefühle, die mir manchmal eine regelrechte Achterbahnfahrt beschert haben. Nicht verschweigen möchte ich dabei, dass es natürlich auch reichlich Schmetterlinge im Bauch und Verliebtheit gibt - ebenso wie Wut und absolute Verunsicherung.
Wichtig ist noch zu erwähnen, dass diese Buch mit einem extremen Cliffhanger endet, der im Grunde die Fortsetzung "Verliere mich. Nicht." zwingend erforderlich macht. Für mich keineswegs schlimm!