6. Kapitel 11–12: „Durch Grindland“ bis „Auf dem Dachfirst tanzen“

Es gibt 28 Antworten in diesem Thema, welches 4.293 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Rhea.

  • Da stimme ich dir voll zu. Kinder brauchen und suchen viel Liebe. Und wenn sie sie nicht bekommen, versuchen sie alles, um wenigstens ein bisschen geliebt zu werden. Erst dann können sie ein gesundes Selbstwertgefühl aufbauen und haben die Kraft, später selbstbestimmt ihren eigenen Weg zu gehen.
    Und die Kinder merken es schon im sehr jungen Alter, ob sie geliebt werden. Ich erlebe das gerade schmerzlich mit meiner Enkelin, ein Jahr alt. Dank Corona können wir nur FaceTimen. Sobald meine Tochter den Laptop aufklappt, kommt sie an und lacht. Sie wirft Spielsachen auf den Laptop, damit ich mit ihr spielen kann und gibt dem Monitor Küsschen. Bei anderen reagiert sie nicht so.

  • Aber du hast doch selbst gelesen woher das kommt. Ist sie nicht schon als Kind ohne Aufmerksamkeit aufgewachsen? Liebe ist wichtig.

    Das hat aber nichts mit Einsamkeit zu tun. Verwechsle nicht Alleinsein mit Einsamkeit, das sind zwei paar Schuhe. Auch Nichtgeliebtwerden/Nichtlieben ist nicht gleich Einsamkeit.


    Ich habe keine Kinder und wollte auch nie welche, vielleicht sehe ich Kates Kindheit deshalb anders. Sie hat sich nie nach ihrer Mutter/der Gesellschaft bzw. der Liebe ihrer Mutter verzehrt. Sie hatte sich selbst und den Schlüssel für die Wohnungstür und das hat ihr gereicht.

    Ich verstehe schon, dass so etwas in der heutigen Zeit mindestens ungeheuerlich erscheint, aber es ist eine Einstellung unserer modernen Gesellschaft. Kinder wurden zu allen Zeiten aus verschiedenen Gründen vernachlässigt. Erst in der jüngsten Zeit ist das zu einem NoGo geworden. Ich sage damit nicht, dass Vernachlässigung nicht einer großen Prozentzahl dieser Kinder geschadet hat. Aber ganz sicher waren nicht alle diese Kinder todunglücklich und einsam.


    Kate ist für mich eine Art weiblicher Buddha. Sie macht sich keine Sorgen um die Zukunft, denn die Zukunft ist ja noch nicht passiert. Sie lebt im Augenblick und nimmt vom Leben das, was sie kriegen kann. Ich wünschte, mehr Menschen wären so gelassen wie Kate.


    Kate forever!


    ***

    Aeria

  • Sie hat sich nie nach ihrer Mutter/der Gesellschaft bzw. der Liebe ihrer Mutter verzehrt. Sie hatte sich selbst und den Schlüssel für die Wohnungstür und das hat ihr gereicht.

    Ich verstehe schon, dass so etwas in der heutigen Zeit mindestens ungeheuerlich erscheint, aber es ist eine Einstellung unserer modernen Gesellschaft. Kinder wurden zu allen Zeiten aus verschiedenen Gründen vernachlässigt. Erst in der jüngsten Zeit ist das zu einem NoGo geworden. Ich sage damit nicht, dass Vernachlässigung nicht einer großen Prozentzahl dieser Kinder geschadet hat. Aber ganz sicher waren nicht alle diese Kinder todunglücklich und einsam.

    Aeria: Genau das denke ich auch, danke für die klaren Sätze und die gesellschaftliche Einordnung. Als ich aufwuchs, waren Kinder insgesamt viel mehr sich selbst überlassen und wurden selten (gerne auch nie) nach ihrer Meinung oder ihren Gefühlen befragt. In mancher Hinsicht hatte man damit mehr Freiheiten als die Kinder heute, andererseits wurde man als Individuum oft grob überfahren.

    Kate ist bestimmt vernachlässigt und nicht gerade mit Liebe überschüttet worden, aber sie hatte die Freiheit, ihre Wege zu gehen, und wo die fehlte, hat sie sie sich genommen. Ihr großes Glück war aber, dass sie nie in emotionale Kriege mit ihren Eltern verwickelt wurde. Das ist bestimmt einer der Gründe dafür, dass sie so gelassen in sich ruht.

    Ehrlich gesagt, ich hätte als Kind jederzeit gern mit Kate getauscht. Deshalb war ich auch überrascht, als ihr Kates Kindheit als eher unglücklich gesehen habt.

    In dieser Diskussion ist mir selbst einiges klarer geworden, danke, dass ihr eure Ansichten hier mitgeteilt habt!

  • Es hat sich definitiv viel seit damals verändert. Ich empfand Kates Kindheit als unglücklich, weil ich sie mit meinen Kinderaugen gesehen habe. Vater früh gestorben, Mutter mit sich selbst beschäftigt, keiner da, dem ich meine Sorgen und Ängste anvertrauen konnte. Das wollte ich bei meinen Kindern besser machen. Aber Aeria hat Recht, man darf nicht nur den Eltern bzw. den Erziehungsberechtigten die Schuld geben. Sie sind auch nur in der jeweiligen Zeit und den dann herrschenden Umständen gefangen.

  • Auch ich habe natürlich aus meinen Erfahrungen gesprochen und das ist es ja, was Lesen ausmacht. Wir haben alle verschiedene Blickwinkel. Ich werde trotzdem wohl immer diese Sucht nach mehr input als mangelnden inneren Halt sehen. Ich habe mit einer Freundin gesprochen, die mit ihrem Freund eine offene Beziehung hatte (er ist leider sehr früh und plötzlich gestorben) Komischerweise hatte sie aber nicht das Bedürfnis diese Freiheit zu nutzen, die sie aus einer anderen Beziehung her eingeführt hatte und dachte, sie bräuchte das.

    Alleinsein und Vereinsamem ist sicher nicht das gleiche. Deshalb gibt es Menschen, denen heute das Alleinsein nicht schwer fällt andere werden einsam, weil eben der äußere Motor entfällt und sie dann mit sich allein nicht umgehen können. Kate würde entweder alle heutigen Bestimmungen in den Wind schießen (vermutlich sicher) oder sie würde kaputt gehen.

  • Wie seht ihr denn das Bedürfnis, sich von anderen weh tun zu lassen?


    Ich höre übrigens beim Aufräumen gerade Sam Feuerbachs Krosann Saga und dort gibt es eine ähnliche Frauengestalt, die Auftragsmörderin, die mir sehr gut gefällt.

  • Schwierige Frage, darüber habe ich bis jetzt noch nicht nachgedacht.
    Das Bedürfnis sich weh tun zu lassen, enthält eine selbstzerstörerische Komponente. Vielleicht werden dabei Erinnerungen an Ereignisse in der Kindheit wach, die einen an zu Hause denken lassen. Praktisch wie der Gedanke: ich lasse das jetzt zu, damit der andere mit mir zufrieden ist und mich lieb hat. Und später denkt man dann, dass man nur geliebt wird, wenn einem weh getan wird.
    Oder es ist so eine Art Kick, um sich selbst zu befriedigen und lebendig zu fühlen. Wie bei den Extremsportlern. Sie gehen hohe Risiken ein, sich schwer zu verletzen, brauchen aber den Adrenalinausstoss, um zufrieden und glücklich zu sein. ?

  • Ehrlich gesagt, ich hätte als Kind jederzeit gern mit Kate getauscht.

    Ach, du auch? 8)


    Wie seht ihr denn das Bedürfnis, sich von anderen weh tun zu lassen?


    Ich habe das nicht so verstanden, dass ihr das direkt ein Bedürfnis ist. Wenn es passiert, dann ist es für sie ok, wenn nicht, auch. Ich denke, dass Kate einfach jede Erfahrung "mitnimmt", die sich ihr bietet.


    Ich höre übrigens beim Aufräumen gerade Sam Feuerbachs Krosann Saga und dort gibt es eine ähnliche Frauengestalt, die Auftragsmörderin, die mir sehr gut gefällt.


    *schnell Audible aufrufen und gucken!*

    Wenn du noch mehr Tipps hast, nur her damit! Ähnliche Figuren wie Kate sind mir stets willkommen, von denen gibt es nämlich zu wenige.


    ***

    Aeria

  • Ich hätte nicht mit Kate getauscht, denn ich hatte es ein Stück weit und ich kann nicht sagen, dass es schön war. Ich beneide die Kinder, die heute so viel Zuwendung bekommen. Ich hatte es eine kurze Zeit mit meiner Stiefmutter.