Judith Fanto - Viktor

Es gibt 6 Antworten in diesem Thema, welches 781 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von HoldenCaulfield.

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    Titel: Viktor
    Autorin: Judith Fanto


    Allgemein:

    415 S., Verlag Urachhaus, 2021


    Zitat von amazon

    Inhalt:
    Wien, 1914. Der junge Viktor entwickelt sich zielstrebig zum schwarzen Schaf seiner wohlhabenden jüdischen Familie. Nimwegen, 1994. Die Studentin Geertje hat es satt, dass sich ihre Familie noch immer für ihr Judentum schämt. Auf der Suche nach ihrer eigenen Identität will sie die Mauer des Schweigens endlich durchbrechen. Denn das Schicksal ihrer Familie ist allgegenwärtig – auch das von Viktor.

    Meine Meinung:

    Man kann sich in Viktor schon richtig verlieben. Ein wahres Schlitzohr aber wenn es drauf ankommt, kann man sich mehr auf ihn verlassen, als man denken würde.

    Judith Fanto konnte mich mit ihrem Roman sehr begeistern. Es passiert selten, das mir ein Geschichte mit zwei Zeitebenen in beiden Erzählsträngen gleich gut gefällt. Hier war das aber die ganze Zeit der Fall.

    Was bedeutet es als Nachfahr*in jüdischer Überlebender der Shoa auf zu wachsen, wie prägt dass das Leben der Enkelgeneration? Wie lässt sich eine eigene Identität finden, wenn die Erinnerung an das Vergangene das eigene Leben so stark durchdrungen hat?

    Die Autorin, selbst ein Teil dieser Enkelgeneration spürt diesen Fragen nach und so zeichnet der Roman nicht nur das Leben der Familie nach, sondern zeigt auch die Komplexität dahinter auf.

    In Judiths Familie - wie sich Geertje nun nennt - wird das Thema Shoa (Holocaust) nur angedeutet, oder wenn überhaupt, erzählt der Großvater eine lustige Anekdote, sodass im ersten Moment der Eindruck entstehen könnte, das die Flucht und das Untertauchen ein großes Abenteuer gewesen seien. Doch gerade dadurch versteht man die ganze Tragweite erst so richtig. Die Familie hat ihre Bewältigungsstrategie gefunden um zu überleben und nach 1945 weiter mit dem Erlebten umgehen zu können. Gleichzeitig versteht man aber auch Judiths Beweggründe, sich mit dem Schweigen und Aussparungen nicht zufrieden geben zu wollen. Sie möchte verstehen, was sie selbst ausmacht. Fragt sich, wer sie eigentlich ist. Fragt sich auch, wer Viktor eigentlich war.


    Zeitweise habe ich schallend gelacht. Viktor ist ein ganz schönes Schlitzohr, der so einiges auf dem Kerbholz hat. Aber er schafft immer wieder sich heraus zu winden und heraus zu reden. Der Autorin gelingt es, ihm Tiefe zu verleihen, aber ihn nicht zu überhöhen. Nicht nur er, auch die anderen Figuren wirken so lebendig und glaubwürdig gezeichnet, das ich das Gefühl hatte mit ihnen am Tisch zu sitzen. Zum Teil mag das auch daran liegen, das ich weiß, das Fanto hier auch ihre eigene Familiengeschichte mit verarbeitet hat. Aber eigentlich lag es vor allem am großartigen Erzählstil der Autorin.


    Dazu kommen auch innerjüdische Debatten, die man vielleicht als Außenstehender gar nicht kennt, einfach weil sie nicht nach außen dringen.

    Meiner Meinung nach ist es Fanto sehr gut gelungen einzufangen, in welchem Spannungsfeld sich Shoaüberlebende und ihre Nachkommen bewegen. Das Trauma jeder einzelnen Familie ist eine eigene Geschichte und hat sich auch überall sehr individuell auf die nächsten Generationen übertragen.

    Auch davon handelt der Roman. Von Judith und ihrer Suche, wie sie mit der Vergangenheit ihrer Familie umgehen möchte. In dem sie Zugang zu Viktors Geschichte bekommt und das Schweigen in ihrer Familie brechen kann, findet sie einen neuen Zugang zu sich und ihrer jüdischen Identität - ja sogar überhaupt erst das sie eine jüdische Identität hat..

    Ja Viktor ist eine Familiengeschichte über die Shoa (Holocaust), aber auch über das weiter Leben danach. Das Ringen mit den Erlebnissen, aber auch mit den Auswirkungen die bis heute in den Familien Überlebender spürbar sind.


    5ratten

  • Wer Interesse hat, hier gibt es eine Aufzeichnung der Online - Lesung mit einem interessanten Interview der Autorin.

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  • Hallo Holden,



    deine Rezension hat mich so sehr angesprochen, dass ich mir "Viktor" ganz oben auf meine Wunschliste gepackt habe. :)

  • HoldenCaulfield

    Hat den Titel des Themas von „Viktor - Judith Fanto“ zu „Judith Fanto - Viktor“ geändert.
  • Bei mir ist das Buch auch direkt auf die Wunschliste gehüpft. Das hört sich wirklich toll an.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich finde deine Rezi auch sehr gelungen, Holden. Normalerweise mache ich um dieses Thema einen großen Bogen, da es mir zu Nahe geht. Aber hier scheint die Autorin anders an die Sache heranzugehen.

    Lesen ist die schönste Brücke zu meinen Wunschträumen.