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"Als Christus und seine Heiligen schliefen" - mit dieser wundervollen Metapher beschrieb ein Chronist die Zeit der "Anarchy" in England, als nach dem Tod von Henry I. eine lange und leidvolle Phase des Streits um die Thronfolge anbrach.
Der Wunsch des Königs war, dass seine Tochter Maude Königin wird, doch eine Frau auf dem Thron ist mehr als unerhört, und ehe die unglücklich in Frankreich verheiratete Maude sich's versieht, hat sich zu aller Überraschung ihr Cousin Stephen ins Amt manövriert. Maude und ihre Anhänger wollen sich nicht geschlagen geben und nehmen den Kampf auf. Dass sich die Auseinandersetzungen über mehr als ein Jahrzehnt hinziehen werden und am Ende große Teile Englands verwüstet und Tausende von Toten zu beklagen sind, hätten sich wohl beide nicht träumen lassen. Aufgeben kommt für beide jedoch zu keinem Zeitpunkt in Frage.
Sharon Kay Penman erweckt diese uns heute so ferne Zeit in diesem Buch großartig zum Leben und hat dafür auch viel recherchiert (dazu verrät sie im Nachwort auch noch einige Details). Das Geniale an diesem Buch ist, dass zwar relativ klar ist, wo ihre Sympathien liegen, nämlich bei der formidablen Maude, aber auch Stephen zunächst als ein ausgesprochen netter Kerl gezeichnet wird, so dass es umso heftiger reinhaut, als ausgerechnet dieser Typ, der fast zu gut für die Welt scheint, so einen kaltblütigen "Power-Move" macht. Auch später wird er nicht zum karikaturhaften Bösewicht, sondern Penman zeigt sehr schön, warum Stephen gerade aufgrund seines Charakters letztendlich als König eine Katastrophe ist.
Sehr gelungen ist auch die Verknüpfung der historischen Ereignisse mit den persönlichen Geschichten der Charaktere, wobei mir eine der wenigen fiktiven Figuren, ein erfundener unehelicher Sohn von Henry I. namens Ranulf, besonders ans Herz gewachsen ist, aber auch die historisch belegten Persönlichkeiten hat Penman wunderbar im Leben gefüllt. Trotz der ernsten Thematik gibt es zur Auflockerung immer mal wieder etwas zu schmunzeln, vor allem in den Dialogen, das mochte ich total.
Nur mit den ewigen Belagerungen von irgendwelchen Burgen und Orten hatte ich anfangs ein bisschen Schwierigkeiten, aber im Gesamtkontext hat das schon seine Berechtigung, und als ich erst mal wirklich die Hintergründe begriffen hatte, störten mich diese Szenen gar nicht mehr.
Sharon Kay Penman ist für mich eine tolle Neuentdeckung, die ich auch dem Forum verdanke (wink zu Grisel) - und ich freue mich schon sehr darauf, ihre restlichen Bücher zu entdecken!