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Dass sich vielerorts direkt unter unseren Füßen verborgene, eigenartige kleine Welten befinden, ahnen wir im Alltag häufig kaum. Nach der Lektüre von "Im Unterland" könnte sich die Wahrnehmung grundlegend ändern, denn Robert Macfarlane nimmt uns mit auf eine Entdeckungsreise an ungewöhnliche Orte, von deren Existenz wir wenig bis gar nichts wissen oder über die wir nie groß nachdenken. Das Spektrum reicht von unterirdischen Höhlensystemen und Flüssen über Kanalisation und Katakomben bis zum Atomendlager, was mich überrascht hat, weil ich mit einem stärkeren Fokus auf natürlich entstandene "Unterländer" gerechnet hatte. Aber dass Macfarlane seinen Fokus auch auf menschengemachte unterirdische Orte erweitert, schadet dem Buch in keiner Weise, im Gegenteil.
Die Liebe zur Natur spricht aus jeder Zeile seiner Schilderungen der Pilz- und Wurzelgeflechte im Wald (hier hat netterweise Merlin Sheldrake, Autor von "Verwobenes Leben", einen hübschen Gastauftritt), eines gewaltigen unterirdischen Flusssystems in Slowenien oder Felshöhlen in England. Manchmal wird er regelrecht lyrisch in seinen Beschreibungen und reflektiert auch oft über das Menschsein, unsere Beziehung zur Natur und unsere Verantwortung für die Zukunft. Insbesondere in dem Kapitel über die Gletscher Grönlands kommt deutlich zum Ausdruck, wie sehr das Thema dem Verfasser am Herzen liegt.
Aber auch die Ausflüge in ehemalige Bergwerke, unterirdische Forschungsanlagen, zu uralten Höhlenmalereien auf den Lofoten oder - ziemlich beklemmend - ein finnisches Endlager für Uranbrennstäbe fand ich allesamt hochinteressant. Am meisten fasziniert hat mich unter den "nicht-natürlichen" Unterwelten der Abstecher in die Katakomben von Paris. Mir war gar nicht bewusst, wie unterhöhlt die Stadt tatsächlich ist und dass in vergangenen Zeiten immer wieder skurrile Dinge passiert sind wie Einstürze von Mauern, die dazu führten, dass ein Wohnhaus plötzlich einige Tote vom benachbarten Friedhof im Keller hatte. Macfarlane begleitet eine Gruppe von "Urban Explorers", die, teils auf illegalen Wegen, die Stadt unter der Stadt durchklettern und sich Räume erschließen, die den allermeisten verschlossen bleiben.
Überhaupt fand ich es großartig, dass Macfarlane all die Orte, über die er schreibt, auch selbst besucht und sich dabei auch öfter mal einiges zugemutet hat.
Ein wenig schade ist, dass es nur wenige Fotos im Buch gibt und die zum Teil auch eher symbolisch sind. Es hätte mir gut gefallen, mir direkt im Buch ein Bild von den Örtlichkeiten machen zu können - ich habe ziemlich viel nachgeschlagen während des Lesens, um es mir besser vorstellen zu können.
Ein persönliches Problem, das ich mit vielen Sachbüchern habe, ist meine eigene Unfähigkeit, mir all die tollen Details zu merken; so fühlte ich mich manchmal ein wenig erschlagen von all den Fakten und Eindrücken. Würde ich das Buch noch einmal lesen, würde ich es vermutlich kapitelweise tun, um alles erst mal sacken zu lassen, bevor ich zum nächsten "Unterland" weiterwandere - aber das liegt am Buch und nicht an mir und ich kann es allen, die Nature Writing und/oder versteckte Orte mögen, wärmstens empfehlen.