Annie Ernaux - Die Jahre

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    Annie Ernaux erzählt die Geschichte ihres Lebens auf ganz besondere Art: mit Fotos, Liedern, Gegenständen und Ereignissen aus Politik und Weltgeschichte. All diese Dinge rufen Erinnerungen in ihr wach, an denen sie ihre Leserschaft teilhaben lässt.


    Mich hat diese Aufzählung anfangs überfordert, denn die Eindrücke und Erinnerungen von Annie Ernaux prasselten ungefiltert auf mich herunter. Fast kam es mir vor, als ob die Autorin mir die kleinen Stückchen aus ihrem Leben entgegenschreien würde und ich wusste nicht, wie ich mit dieser Fülle von Informationen umgehen konnte, weil ich das Wenigste, was sie aufzählte, kannte. Dann gab es einen bekannten Schnipsel: ein Ereignis, das ich einordnen konnte. Von dem Moment an hat das Buch für mich Sinn gemacht, auch das schon Gelesene.


    Es ist ein ungewöhnlicher Stil für eine Biografie, aber auch ein sehr persönlicher. Dadurch, dass Annie Ernaux nur wenig beschreibt, sondern mehr aufzählt, hat sie mir Raum für eigene Interpretationen gelassen. Das bedeutet aber auch, dass sie mir trotz der Fülle an Informationen nur einen kleinen Teil ihres Lebens erzählt hat. Ihre Gedanken und Gefühle blieben mir verborgen. Trotzdem hat sie mich vielleicht gerade damit gepackt.

    4ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ich lese das Buch gerade und finde ihren "impressionistischen" Schreibstil interessant - aber mir wird während des Lesens auch klar, wie sehr ich eine angenehme Erzählerstimme im Grunde mag und schätze, in Buch und Film.

    Zur Abwechslung mal ganz interessant, auch eindrücklich, aber.. weiß jemand, ob sie immer nur auf diese Art geschrieben hat..?! :/


    (Das "nur" ist hier gar nicht abwertend gemeint, sondern in der einfachen Bedeutung "ausschließlich".. ;) )

  • Ich hab "Die Jahre" jetzt tatsächlich fast in einem Rutsch durchgelesen - die Möglichkeit besteht ja auch durchaus nicht immer, und wahrscheinlich liegt in dieser Situation auch tatsächlich ein Teil des Grundes dafür, warum ich das Buch so beeindruckend gefunden habe.

    Ich bin ja sehr oft beträchtlich "unangetan" von Autoren, die ausschließlich um sich selbst kreisen - hier kann ich jetzt analysieren, woran das nicht liegt. ;)

    Annie Ernaux ist zwar eine Biographin ihrer selbst, aber sie ist eben nie egozentrisch, sentimental oder weinerlich, was einen großen Unterschied ausmacht. Für sie ist halt die eigene Person und das eigene Leben einfach "naturgemäß" der Standpunkt, von dem aus sie die Welt wahrnimmt.


    Ihre Betrachtungen sind dabei schlaglichtartig, aber sinnvoll exemplarisch - das Buch beginnt und endet mit ein paar sehr kurzen Bildern, dazwischen liegt ein sinnvoller Zeitfluss.

    Wie Kirsten ging es mir so, dass mich bestimmte Szenen besonders aufgeweckt haben, weil ich eigene Gedanken und Erinnerungen darin wiedergefunden habe (ihre Gefühle zur Situation in Afrika - die Erwähnung des kleinen eiskalten Mannes mit dem ausnahmsweise aussprechbaren Namen, der die Macht in Russland ergriff - und die Formulierung, dass man ab einem bestimmten Zeitpunkt üblicherweise "..nicht mehr stolz auf seine Taten war, sondern auf das, was man war..)."

    Bemerkenswert, dass sie auch im allerletzten Teil ihren objektiven Blick behält und nicht in das verbreitete retro-Salbadern verfällt, das ich in den Rückblicken anderer "Intellektueller" öfters unangenehm verbreitet fand. Am Ende auch, relativ beiläufig, einige Überlegungen über die Art, wie sie dieses Buch angegangen ist.

    Eine kluge ehrliche Frau mit einem sehr genauen Blick auf die Welt, war mein Eindruck.

    Einmal editiert, zuletzt von Alice ()