Nechama Birnbaum - Das Mädchen mit dem roten Zopf

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    Bei der deutschen Ausgabe benötigt man zusätzlich zum Titel "Das Mädchen mit dem roten Zopf" den Untertitel "Roman nach der wahren Geschichte einer Auschwitz-Überlebenden", um das Buch richtig einordnen zu können - der englische Originaltitel "The Redhead of Auschwitz" ist da sehr viel direkter. Nechama Birnbaum hat die Geschichte ihrer Großmutter Rosie Grünstein aufgeschrieben, die Auschwitz und weitere Konzentrationslager überlebt hat.


    Natürlich kann man überlegen, das Buch in die Kategorie der historischen Romane einzuordnen, allerdings liegt der Fokus eindeutig auf den Erinnerungen von Rosie Grünstein und die historischen Ereignisse erscheinen absolut glaubwürdig und nicht "bearbeitet", der romanhafte Anteil ist meines Erachtens am ehesten in der Erzählstruktur zu verorten. Bei der Schilderung von Rosies Schicksal während der Haft in den Lagern Auschwitz, Bergen-Belsen, Duderstadt und Theresienstadt kann man den direkten Vergleich zu Rachel Hanans Autobiografie "Ich habe Wut und Angst besiegt" ziehen, da sie in etwa demselbem Zeitraum in denselben Lagern war und die Beschreibungen passen absolut zueinander.


    Auch sonst gibt es einige Parallelen zwischen diesen beiden Holocaustüberlebenden: Wie Rachel Hanan stammt auch Rosie Grünstein aus dem rumänisch-ungarischen Grenzgebiet und wird mit ihrer ganzen Familie deportiert. Sie überlebt die Lage zusammen mit ihrer Schwester Lea, die Mutter und der kleine Bruder werden in Auschwitz ermordet. Eine Rückkehr in die Heimat kann es nach dem Holocaust nicht wirklich geben, auch Rosie Grünstein entscheidet sich letztendlich für die Emigration, allerdings gelingt es ihr nicht, nach Israel auszuwandern, daher geht sie mit ihrem Ehemann in die USA.


    "Das Mädchen mit dem roten Zopf" wird auf zwei Zeitebenen erzählt, die Kapitel springen abwechselnd immer zwischen Rosies Kindheit und den Jahren 1944/45 hin und her, allerdings nicht wilkürlich: auf beiden Zeitebenen wird chronologisch erzählt, man liest also parallel, wie Rosie vom Kind zur jungen Erwachsenen wird und wie sich ihr Überleben in den Lagern nach der Deportation 1944 gestaltet. Diese Zeitebenen sind immer wieder durch einzelne Erinnerungen an Personen oder Ereignisse verknüpft. In den letzte Kapiteln, die Rosies schlechten Zustand im Lager Duderstadt kurz vor Kriegsende und damit kurz vor der Befreiung beschreiben vermischen sich diese Ebenen, weil sie immer wieder bei der Arbeit einschläft und dann gedanklich in ihre Kindheit zurückgelangt. Hier wird das Verschwimmen von Realität und Erinnerung als Stilmittel eingesetzt, um den fortschreitenden Verfall der Protagonistin zu verdeutlichen.


    Durch den romanhaften Anteil ergeben sich im Vergleich zur "reinen" Autobiographie mehr Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonistin. Die Sprache des Romans ist passend gestaltet und angenehm zu lesen, sodass man, obwohl hier schreckliche Erlebnisse geschildert werden, Rosie "gern" auf ihrem Weg begleitet.


    Es lohnt sich also, diesen Zeitzeuginnenbericht zu lesen, auch wenn inhaltlich schon klar ist, was auf den Leser/ die Leserin zukommt. Es ist ein mitreißender Roman, der eben nochmal einen anderen Zugang ermöglicht als ein vergleichsweise sachlicher Bericht.


    5ratten