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Autorin: Katie Roiphe
Titel: Rätselhafte Alice
Verlag: Europa Verlag
Seiten: 295
Erschienen: 2002
Meine Meinung:
Triggerwarnung: Pädophilie, Kinderpornografie
Die Autorin nimmt sich in Romanform der Entstehung des Buches "Alice im Wunderland" und der dahinterstehenden Beziehung zwischen Charles Dodgson (der sein Buch später unter dem Pseudonym Lewis Carroll veröffentlichte) und der Familie Liddell an. Die mittlere Tochter der Familie, Alice, inspirierte ihn zu seinem Kinderbuch.
Wie im Thread zu "Alice im Wunderland" schon besprochen wurde, hatte Dodgson offenbar eine Vorliebe für kleine Mädchen, die über ein gesundes Maß hinaus ging. Meine Befürchtungen haben sich nicht bestätigt; die "Liebe" von Dodgson zur echten Alice wird in diesem Roman nicht verherrlicht, allerdings vermutlich harmloser dargestellt, als es in Wirklichkeit war. Basis für Roiphes Geschichte sind Briefe und Tagebuchaufzeichnungen Dodgsons - als Alice' Mutter Dodgson den Kontakt zu ihren Töchtern untersagte, fehlen die entsprechenden Seiten in seinem Tagebuch, so dass die Autorin hier ansetzt, um die Lücken mit ihren Mutmaßungen zu füllen.
Alice' Mutter hat schon von Anfang an ebenso wie ich als Leserin kein gutes Gefühl bei Dodgson, kann es aber nicht belegen, so dass die Freundschaft zwischen ihm und ihrer Tochter sich von deren 5. bis 12. Lebensjahr zieht. Dodson ist schüchtern und hat mit erwachsenen Frauen nichts am Hut.
Ich setze den nächsten Abschnitt in einen Spoiler, da ich hier den Romaninhalt beschreibe.
Hier im Roman himmelt Dodgson Alice an, kuschelt mit ihr, fotografiert sie, erzählt ihr selbst ausgedachte Geschichten (so auch die, deren Protagonistin sie ist), aber mehr passiert nicht. Roiphe konzentriert sich auf Dodgsons Ambivalenz: Es scheint zwischendrin so, als wollte er sich Hilfe suchen, als er seinem Sprachlehrer (er stottert) einige Fotografien von Alice zeigt, doch dann bringt er kein Wort dazu hervor. In seinen Tagebüchern beschreibt er wirre Träume und er ist sich seiner pädophilen Neigung offenbar durchaus bewusst und versucht in Briefen eine Zeitung und Eltern wiederholt vor eine Sexualisierung junger Mädchen und den daraus resultierenden Gelüsten junger Männer zu warnen. Auch beginnt er, literarische Werke zu zensieren, damit Mädchen bei der Lektüre vor unangemessenen Formulierungen und Beschreibungen "geschützt" werden. Gleichzeitig sucht er immer häufiger den Kontakt zu Alice, bis er schließlich Nacktfotos von ihr anfertigt. Diese findet ihre jüngere Schwester Edith, zeigt sie den Eltern und daraufhin bricht die Familie den Kontakt zu Dodgson ab. Um Alice die Schande zu ersparen, gehen sie jedoch nicht weiter gegen ihn vor.
Das Buch endet damit, dass Dodgson im Zug sitzt und ein neues kleines Mädchen zu sich lockt...
Ich habe "Rätselhafte Alice" aus dem Bücherschrank mit einem ganz unguten Gefühl mitgenommen, da das Buch auf der Buchrückseite von der Zeitschrift "Elle" als "bezaubernder Roman, voller Wärme und Respekt" beschrieben wird. Wie eklig ist das bitteschön?? Mein Plan war, reinzulesen und es ggf zu entsorgen. Doch Roiphes Schreibstil hat mich tatsächlich schnell gepackt und so habe ich das Buch komplett gelesen. Entgegen der Einschätzung der "Elle" wirkte das Buch auf mich nicht "bezaubernd", sondern ich würde es als interessant beschreiben. Auf mich wirkt das Buch so, als scheute sich Roiphe, zu konkret zu werden, Dogdson evtl zu viel zu "unterstellen", so dass zumindest die Roman-Alice hier noch glimpflich davon kommt; vielleicht ist das mit "voller Respekt" gemeint. Wie es der echten Alice ergangen sein mag, werden wir wohl nie erfahren. Das Ende erinnert fast an einen typischen Horrorfilm - man denkt erst, (durch den Kontaktabbruch der Familie Liddell) die Bedrohung wäre vorbei, aber dann kommt der Teaser, dass es weitergeht...
Insgesamt vergebe ich , auch weil dieser Roman eventuell einige Leser:innen dazu anregt, sich weiter mit Dodgson/Carroll zu beschäftigen und die Hintergründe hinter seinem literarischen Werk zu sehen.