Ronald D. Gerste - Wie Krankheiten Geschichte machen

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    Wer beim Titel dieses Buches zunächst an Seuchen denkt, die das Leben von Tausenden von Menschen und somit den Verlauf der Geschichte geprägt haben, liegt nicht ganz falsch. Pest, Cholera und AIDS haben ihren traurig-wohlverdienten Platz in diesem Buch, aber es lenkt den Blick auch auf Einzelpersonen, die wichtige Machtpositionen innehatten und deren Gebrechen ihr Denken und Handeln beeinflusst, den Fortbestand einer Dynastie verhindert oder gar ein Leben verfrüht beendet haben. Der Autor ist sich der Tatsache wohl bewusst, dass es für Historiker immer ein wenig heikel ist, kontrafaktische Überlegungen anzustellen, aber man kann dennoch nicht umhin, sich zu fragen, wie sich die Geschicke Europas entwickelt hätten, wenn Mary I. von England einen Thronfolger hätte gebären können, oder ob der erste Weltkrieg stattgefunden hätte, wenn Kaiser Friedrich III. nicht nach 99 Tagen im Amt an Kehlkopfkrebs verstorben wäre.


    In kurzen, leicht lesbaren und mit zahlreichen Quellenverweisen unterfütterten Kapiteln zeichnet Gerste den Verlauf von Epidemien und die Lebenswege berühmter Patienten aus Politik, Adel, Kunst und Wissenschaft nach und ordnet dabei die Bedeutung der Erkrankungen in den historischen Gesamtkontext ein, beginnend mit der Antike und mit einem Nachwort endend, das ein wenig bissig vom selbsternannten "gesündesten US-Präsidenten aller Zeiten" spricht. Dabei räumt er mit dem einen oder anderen Mythos auf, der sich hartnäckig in den Köpfen hält, und man lernt nebenbei auch noch ein bisschen über die allgemeine Medizingeschichte, Behandlungsverfahren oder aus heutiger Sicht eklatante Fehldiagnosen, die mit damaligen Mitteln aber gar nicht hätten verhindert werden können.


    Spannend fand ich unter anderem, welche Anstrengungen häufig unternommen wurden, um den angeschlagenen bis desolaten Gesundheitszustand hochrangiger Politiker unter den Teppich zu kehren, im kommunistischen Russland/UdSSR genauso wie im Weißen Haus. Da wurde gelogen und der Öffentlichkeit Theater vorgespielt, dass sich die Balken bogen!


    Aufgrund der Themenfülle gehen die einzelnen Kapitel nicht sehr stark in die Tiefe, aber sie sind interessant zu lesen und reich an Fakten und können ein guter Absprungpunkt sein, um die eine oder andere Thematik noch ein wenig weiterzuverfolgen.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen