Dana Vowinckel - Gewässer im Ziplock

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    Ein Coming-of-Age Roman über die 15 jährige Margarita und ihre etwas dysfunktionale Familie. Sie lebt mit ihrem alleinerziehenden Vater in Berlin. Er ist Israeli, arbeitet als Kantor in einer Synagoge in Berlin. Die Mutter Marsha ist US-Amerikanerin und hat die Familie verlassen, als Margarita noch ein kleines Kind war. Sie ist deutsche Staatsbürgerin, weil ihre Eltern nicht wollen, dass sie in Israel zum Militär muss und in einer anschlagsgefährdenden Umgebung aufwächst.

    Avi der Vater fühlt sich nicht wirklich heimisch, spricht auch nur gebrochen deutsch. Alles was er tut, macht er für seine Tochter.


    Die Ferien verbringt sie immer bei ihren Großeltern in Chicago. Sie sind reich, der Großvater ist Universitätsprofessor an der University of Chicago. Sie wohnen auch dort direkt neben dem Campus. Rita, wie sie ihre Großeltern nennen. Ihre Großmutter möchte, dass sie ihrer Mutter wieder näher kommt. Sie unterrichtet für ein paar Monate an der Universität in Jerusalem, also wird Margarita zu ihrer Mutter geschickt.


    Das Erwachsenwerden und die Entdeckung der Sexualität spielt die größte Rolle in ihrem Leben. Im Endeffekt lebt sie ein Doppelleben, ihr Vater weiß von ihren Aktivitäten nichts. Sie leben einen jüdischen Alltag daheim mit Gebeten, Schabbes und allen traditionellen Festen. Ein genormtes manchmal auch restriktives Leben. In Berlin lebt ihre erste Liebe Nico, der als er merkt, dass sie Jüdin ist meint, dass das die Siedler sind. Sie findet in Tel Aviv kurzfristig eine spannende Begegnung mit Lior, der gegen seine Regierung demonstriert.


    Das Leben in Israel ist völlig fremd für Margarita. Sie kennt die Gepflogenheiten nicht, sie kennt sich nicht in der Politik des Landes aus. Sie demonstriert für etwas, das sie gar nicht kennt.


    Der jüdische Alltag bei den Großeltern ist im Vergleich dazu ganz anders. Außer einem Synagogenbesuch am Wochenende und relativ koscheres Essen wird die Religion nicht gelebt. Das Gebet in der Synagoge ist mehr wie ein Event, youtube-reif und für einen ernsthaften Gläubigen der alten Welt fast wie ein Comic.


    Im Prinzip ist das Wohnhaus der Großeltern auch in einer Enklave, denn rundherum ist die Gegend so gefährlich, dass man nur direkt über die Autobahn hinfahren kann. In der umliegenden Southside of Chicago ist es nicht ratsam herumzulaufen.


    Die Handlungsstränge möchte ich gar nicht nacherzählen. Die sollten alle, die das Buch lesen selber geniießen. Es geht vielmehr um die Fragen die das Buch aufwirft.


    Was bedeutet Israel und jüdisch sein für diejenigen die nicht von der Shoa persönlich betroffen waren, die schon vorher abgewandert sind.

    Was bedeutet es heute ein jüdisches Leben in Deutschland zu führen?

    Wird die Shoa jemals ein historisches Ereignis sein, oder immer allgegenwärtig?

    Was rechtfertigt die Siedlungspolitik in Israel?

    Wann ist man jüdisch, was wenn eine weibliche Vorfahrin adoptiert ist und quasi nicht das Jüdischsein von der Mutter übertragen wird?


    Die persönlichen nicht religiös-politischen Fragen sind:

    Wie geht man mit einer Mutter um, die einen Verlassen hat, die unverlässlich ist?

    Was kann man dem Vater zumuten, der ihre Zweifel nicht versteht?

    Wie kann man mit schlechtem Gewissen umgehen?



    Viele Fragen regen an über eigene Einstellungen zu reflektieren und ist flüssig und teils provokant geschrieben. Das Buch ist geprägt von Gegensätzlichkeiten.


    Oft verstehe ich Nominierungen für Literaturpreise nicht, in diesem Fall kann ich aus meiner Sicht sagen - höchst verdient.

    Einmal editiert, zuletzt von b.a.t. ()

  • Unter dem schrägen Titel konnte ich mir so gar nicht vorstellen, aber dank Deiner Begeisterung ist es jetzt auch auf meinem Wunschzettel gelandet :)

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich glaube der Titel ist eine Anspielung auf das ständige Unterwegssein. Die Familie ist im Buch immer unterwegs von einem Ort zum anderen. Für Flüssigkeiten im Flugzeug benötigt man ein Ziplock. Sie sind zwar oft unterwegs, aber kommen nie irgendwo wirklich an. Wo sie miteinander gut leben können ist fraglich, oder ob überhaupt.