Ich hatte das Buch 2010 gelesen und war zutiefst beeindruckt. Mehrere Sachen hatten mir damals besonders gefallen: zum einen der absolut reduzierte, spartanische Stil, der gewissermaßen die Situation widerspiegelt: nur Asche und Tod und wenig Hoffnung. Auch dass wir über die Vorgeschichte und die eigentliche Katastrophe praktisch nichts erfahren, fand ich durchaus stimmig: es ist eine geradezu archetypische Situation, in die die beiden Hauptfiguren geworfen werden; hätte McCarthy das ganze mit allen möglichen Details ausgeschmückt, wäre daraus nur eins von vielen Post-Apokalypse-Büchern geworden, so ist es eine Art Kammerspiel über die conditio humana schlechthin.
Ein weiterer bemerkenswerter Punkt ist, dass das Buch trotz aller Düsternis eigentlich ein hoffnungsvolles Buch ist: der Vater schafft es eben doch, entgegen aller Widernisse, seine Menschlichkeit zu bewahren und seinen Sohn zu beschützen,
wenn auch um den Preis seines Lebens.
Und das ist der dritte starke Punkt dieses Buches: dass hier ein uneingeschränkt positives Bild des Vaters gezeichnet wird. In der heutigen Literatur kommen Väter ja nicht sehr gut weg: entweder sie haben sich aus dem Staub gemacht, oder sie sind Tyrannen, mit denen man abrechnen muß. Hier aber hat er die geradezu archaische Funktion des Beschützers, und keiner, der selber Kinder hat, wird seine Sorge um seinen Sohn unbewegt lesen.
Es gab auch einige Stellen, mit denen ich meine (logischen) Probleme hatte: da war die eine Stelle, wo sie in einem Garten noch Jahre nach der Katastrophe noch essbare Äpfel unter der Asche finden. Entweder soll dies eine Metapher sein, die sich nicht um die Unmöglichkeit dieses Fundes schert, oder es ist nachlässig geschrieben. Ein anderer Punkt ist das viel zitierte Verliess mit den lebenden "menschlichen Vorräten". Welchen Sinn macht es, Menschen (notwendigerweise mit Nahrungsmitteln) am Leben zu erhalten, wenn ich diese Nahrungsmittel selber essen könnte. Das scheint mir auch, zugunsten eines starken Bildes (der Mensch ist dem Menschen ein Wolf), etwas unlogisch gedacht.
Nichts desto trotz war dies eines der stärksten Bücher der letzten Jahre
Morwen