Oh je.
So genial, wie ich die beiden bisher bekannten Erzählungen von Stefan Zweig fand, so sehr merke ich jetzt: es muss an der psychologisch äußerst feinen Zeichnung der Charaktere gelegen haben, denn die Sprache ist für den Geschmack und das Literaturverständnis von heute doch gewöhnungsbedürftig.
Während man in jedem creative-writing-Buch massiv dazu angehalten wird, nur ja an Adjektiven zu sparen (show, don't tell), muss man hier hinschmachtendes Laub, lechzende Gräser, den starren, dunstumwölkten Wald, den gelben, dumpf starrenden Blick der unbarmherzigen Sonne und überhaupt die ganze "verschwülte Welt" (kommt sogar zweimal vor!) verkraften, wenn man den Zweig genießen will - und sich hier und da auch das unfreiwillige Lachen verkneifen.
Hier greift er aber auch in die Vollen, lässt nichts aus. Naja.
Beim weiter- und zu-ende-lesen hat sich bestätigt:
das Innere der Hauptfigur ist fragil und doch glasklar, vielschichtig, aber nicht widersprüchlich, nervlich überreizt und einsam. Gekonnt, ein Genuß, wie ich finde.
Ein Mann, zur Sommerfrische in Tirol, erlebt einen schwülheissen Tag und die damit einhergehende innere Unruhe und Spannung, schon in der Beschreibung des Wetters nähert sich relativ un-subtil der Gedanke an sexuelle Gefühle, die erste Hälfte der Erzählung eine riesige Metapher.
Daraufhin hat er des Nachts ein seltsames (physisches) Zusammentreffen mit einem schlafwandelnden Mädchen, das aber ohne großen Schaden an der jungen Frau endet.
Diese Geschichte wird nicht mein Favorit - sie ist mir etwas zu wollüstig und schwül (diese beiden Worte konkurrieren um die häufigste Nennung im Text), nichtsdestotrotz: Stefan Zweig bleibt für mich ein sehr lesenswerter Autor.
Als Nächstes lese ich die "Episode am Genfer See" und trinke meinen Sweet Chai!
ps: Ach, Saltanah *lach* jetzt habe ich gerade vor Abschicken meines Beitrags den Thread nochmal aktualisiert und deinen Eindruck der Geschichte gefunden, den du für mich verlinkt hattest - da liegen wir ja in unserer Einschätzung gar nicht soo weit auseinander
Und Miramis, ich glaube, Tucholsky hätte mir heute auch idealerweise mehr gelegen - ich mag die trockene, freche Art, mit der er das Zeitgeschehen kommentiert, sehr.
Vielleicht führe ich mir später noch ein paar Perlen aus "Doktor Erich Kästners lyrischer Hausapotheke" zu, da kann man nun gar nichts falsch machen... das ist eines meiner liebsten Gedichtsammlungen und auch für weniger lyrisch begeisterte Zeitgenossen sehr geeignet! :smile:
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