Ein schöner Verriss
Beiträge von Kirsten
-
-
Das erste, was mir aufgefallen ist, war das Verhalten von Eve Bowen. Selbst wenn ich berücksichtige, dass sie hinter dem Verschwinden ihrer Tochter Dennis Luxford vermutet, reagiert sie irrational. Sie sorgt sich mehr um die möglichen Auswirkungen auf ihre politische Zukunft als um ihre Tochter und verschließt sich allen logischen Argumenten, die das Gegenteil beweisen. Auch sie Art, wie sie über ihre Tochter spricht, habe ich als kalt empfunden. Charlotte muss funktionieren und sich in das Bild, das ihre Mutter der Öffentlichkeit präsentieren will, einfügen.
Dass dann die ersten Ermittlungsschritte von Simon unternommen werden, ist die schlechtmöglichste Idee. Ich kann verstehen, dass Deborah und Helen Luxfords Wunsch respektieren, aber von ihm hätte ich erwartet, dass er den nötigen Weitblick hat und die Folgen sieht, auch im Hinblick auf einen möglichen Prozess.
Lynleys Verhalten, als er die Ermittlungen übernimmt, entsprechen meinem Bild von ihm aus den älteren Teilen. Er stürmt ins Haus der St. James' und lädt dort seine Wut über das unangemessene Verhalten seiner Freunde ab. Auch wenn er recht hat, schießt er viel zu weit über das Ziel hinaus. Damit gefährdet er nicht nur die Freundschaft zu Simon und Deborah, sondern auch sein Verhältnis zu Helen.
Barbara gefällt mir hier sehr gut, auch wenn sie erst spät auftritt. Sie muss sich in der ländlichen Männerwelt behaupten und das ist schwerer, als sie wahrscheinlich erwartet hat. Aber gerade, weil sie allein ermitteln muss, kann sie endlich ihre Qualitäten zeigen.
Auch der Fall ist stimmig, für mich war und ist er einer der stärksten aus der Reihe.
-
Es gibt kriminalistische Ansätze und damit wohl ein Grund, dass dieses Buch unter dem Genre Krimi läuft.
Damit beschreibst du den Eindruck, den ich von den beiden Büchern, die ich von Ingrid Noll gelesen habe, sehr schön. Beide haben mir unterschiedlich gut gefallen, und tatsächlich hing es sehr vom Krimiteil ab, wie sehr.
-
Der Begriff Soziopath ist negativ behaftet, aber eigentlich ist es nur der Name für ein Symptom, für das es lange Zeit keinen eigenen Platz gab. Patric wusste zwar, dass sie ein Soziopath ist, aber das war alles. Deshalb ging sie einen ungewöhnlichen Weg: sie studierte Psychologie. Zum einen, um mehr über sich zu erfahren, aber hauptsächlich, um Menschen zu helfen, die so waren wie sie.
Ich kann mir vorstellen, wie Patric die Menschen in ihrer Umgebung überfordert hat. Auch wenn sie sich selbst ihr Verhalten erklären kann, für andere müssen ihre Ausbrüche verstörend gewesen sein. Ihre Mutter war jedenfalls mit ihr überfordert, auch wenn Patric ihr versuchte, ihre Gedanken und Gefühle zu erklären, konnte sie sie nicht verstehen. Andre fanden ihr Verhalten faszinierend und benutzten sie.
Vieles von dem Verhalten, über das Patric in ihrer Biografie erzählt, kommt mir vertraut vor. Ich kann mir vorstellen, dass es auch anderen so geht. Der Begriff ist nicht in Stein gemeißelt, sondern enthält viele Facetten, die jeder von uns in sich trägt. Das macht keinen von uns zu einem Sozioathen, sondern zu einem Menschen mit einer Vielzahl von Gefühlen und Verhaltensweisen. Aber auch wenn Patrics absolute Ehrlichkeit in Worten und Taten nicht immer einfach ist, ist mir das Verhalten doch lieber, weil ich persönlich es besser einschätzen kann.
Patrics Buch zeigt, dass es viel mehr in unserem Spektrum gibt, als uns bewusst ist. Aber genau das müssen wir uns bewusst machen, um nicht jede Person, die anders ist als wir, als seltsam oder sogar schlecht anzusehen.
-
Kaufen* bei
Amazon
* Werbe/Affiliate-LinkIn der Surgeons' Hall in Edinburgh wird ein Fuß gefunden, der nicht zu den Teilen aus dem Anatomiesaal gehört. Will Raven schafft es nicht nur, den Fuß einem Opfer zuzuweisen, sondern er findet auch einen Verdächtigen. Allerdings ist er ein bekannter Schauspieler und damit Meister darin, sich ein anderes Aussehen zu verschaffen. Das macht die Suche nach ihm zu einer fast unlösbaren Aufgabe.
Mittlerweile sucht Sarah immer noch ihren Weg. Auch wenn ihre medizinischen Kenntnisse anerkennt sind und sie eine wertvolle Hilfe in der Praxis von Dr. Simpson ist, kann sie ihren Traum, Medizin zu studieren, nicht verwirklichen. Dann wird sie auf einer Veranstaltung in den Mesmerismus eingeführt und entdeckt ihre Begabung auf dem Gebiet. Ist das möglichweise ihr Weg, Menschen zu helfen?
Das Verhältnis zwischen Will und Sara ist wie immer kompliziert. Sarah ist erst vor Kurzem Witwe geworden, Will fühlt sich in seiner Rolle als Ehemann und Vater noch nicht angekommen. Er hält nichts vom Mesmerismus, was zu Spannungen zwischen den Freunden führt. Dazu kommt noch, dass Wills Frau sich wünscht, er würde endlich mit einer eigenen Praxis selbstständig machen. Er will seinen Mentor aber nicht im Stich lassen. Dazu kommt ein neuer Mann in Sarahs Leben, der für Will ein Bekannter aus seinem alten Leben ist, das er am liebsten vergessen würde.
Die Suche nach dem Mörder gerät da fast in den Hintergrund. Lange scheint niemand etwas Konkretes zu wissen. Aber ein Hinweis in die Vergangenheit des Verdächtigen zeigt, dass mehr hinter der Tat steckt, als man zuerst angenommen hat. Der Krimi ist spannend. Ambrose Parry haben viele Spuren gelegt und mich damit immer wieder in die Irre geführt. Das Kapitel am Anfang gibt einen ersten Hinweis, aber was sich dahinter verbirgt, habe ich erst zum Schluss erfahren. Ich freue mich schon auf den nächsten Teil.
-
Kaufen* bei
Amazon
* Werbe/Affiliate-LinkEin junger Mann wird beschuldigt, eine Frau in einer Turiner U-Bahn zusammengeschlagen zu haben. Alle Beweise sprechen gegen ihn und es gibt Aufnahmen, die das Verbrechen zeigen. Aber auch wenn der Junge zugibt, am Tatort gewesen zu sein, das Verbrechen will er nicht gestehen. Während der Verhöre bekommt Commissario Arcadipaneden Eindruck, dass mehr hinter dem Ganzen steckt als nur der Angriff auf die Frau. Gemeinsam mit Corso Bramard macht er sich auf die Suche nach der Wahrheit und stößt auf ein perfides Spiel im Darknet.
Seit dem letzten Fall für Arcadipane und Bramard ist einige Zeit vergangen. In dieser Zeit hat sich vieles verändert. Nicht nur im Privatleben der von Arcadipane und Bramard, sondern auch in der Art, wie Verbrechen begangen werden. Mit der Tatsache, dass sie den wahren Täter im Darknet suchen müssen, sind die Ermittler ein wenig überfordert. Für sie zählt noch der persönliche Kontakt und die Arbeit auf der Straße und nicht das stundenlange Sitzen vor einem Bildschirm und das anonyme Gespräch. Stellenweise wirkt gerade Arcadipane überfordert mit diesen Veränderungen, vielleicht weil sich in seinem Privatleben auch viel verändert hat. Stellenweise wirkt er auf mich wie ein Relikt aus der Vergangenheit. Bramard kommt mit der neuen Art der Ermittlung besser zurecht.
Der Täter von der U-Bahn ist hier zwar der Schuldige, aber nicht der Drahtzieher. Den zu finden ist nicht einfach, aber auch hinter ihm steht ein neuer Unbekannter. Bei dem Verbrechen geht es um den Teil eines Spiels. Für mich stellt sich die Frage, wer der wahre Schuldige ist. Der Spieler, oder derjenige, der zu dem Spiel eingeladen hat.
Dieses Mal hat mir die besondere Stimmung in den Krimis von Davide Longo wieder gut gefallen. Die Charaktere sind mit mittlerweile ans Herz gewachsen, auch wenn sie nicht die einfachsten Persönlichkeiten sind.
-
Jack erzählt später im Buch selbst noch etwas über die Ereignisse auf dem Fluss, das hat bei mir nicht alle Lücken geschlossen. Aber es reicht, um die Geschichte als abgeschlossen zu betrachten.
-
Das war wirklich nicht der beste Teil der Reihe. Deborah wird hier eher negativ dargestellt und dieser Eindruck ist bei mir noch lange haften geblieben.
-
Kaufen* bei
Amazon
Bücher.de
Buch24.de
* Werbe/Affiliate-LinksWynn und Jack sind seit dem Studium befreundet. Die beiden haben die gleichen Interessen und sind in ihrer Freizeit am liebsten auf dem Wasser unterwegs. Mit der Fahrt auf dem Maskwa River verwirklichen sie sich einen Traum. Anfangs ist alles perfekt, aber dann nimmt ihre Reise eine unerwartete Wendung: ein Waldbrand bedroht die Freunde und zwingt sie, früher aufzubrechen als sie es geplant haben.
Aber es ist nicht nur der Waldbrand, auch eine Begegnung mit zwei unangenehmen Personen trübt die Stimmung. Dazu kommt noch ein Streit von einem anderen Paar, den die Freunde anhören. Sie sind zerrissen zwischen der Überlegung, das Paar vor der drohenden Gefahr zu warnen und dem Wunsch, sich in Sicherheit zu bringen.
Diese Zerrissenheit ist es, die die Männer im Lauf der Geschichte langsam auseinanderbringt. Als der Mann des Paares auftaucht und sagt, dass seine Frau verschwunden ist, will sich Wynn sofort auf die Suche machen, Jack sich dagegen weiterhin in Sicherheit bringen. Im Gegensatz zu Wynn ist er misstrauisch und nimmt dem Fremden die Geschichte nicht ab, die der erzählt. Sein Misstrauen ist gerechtfertigt, denn die Suche nach der verschwundenen Frau bringt die Freunde in tödliche Gefahr.
In dieser extremen Situation zeigt sich, dass sich die beiden Männer nicht so gut kennen, wie sie dachten. Oder vielleicht doch, weil sie sich an kleine Begebenheiten aus der Vergangenheit erinnern, an denen sie nicht einer Meinung waren, die sie damals aber nicht als wichtig empfunden haben. Aber gerade, weil sie sich so gut kennen, vertrauen sie einander immer noch.
Die Situation spitzt sich immer mehr zu: die Freunde sind mit einer Verletzten unterwegs, der Waldbrand kommt immer näher und der Ehemann sowie die beiden anderen Paddler sind eine Gefahr, die sie nicht einschätzen können. Vor diesem Hintergrund steigt die Spannung immer mehr an und was als ein Abenteuer geplant war, kann nur noch in einer Katastrophe enden.
Die Geschichte hat mir lange Zeit sehr gut gefallen. Gegen Ende gab es einen Bruch, so dass sich in der Handlung eine Lücke auftat. Wenn sich die geschlossen hätte, wäre die Erzählung für mich perfekt gewesen.
-
Kaufen* bei
Amazon
* Werbe/Affiliate-LinkDie Künstlerin Dagny Juel hat die Menschen fasziniert und die Geschichte ihres Lebens ist voller Geheimnisse. Die norwegische Schriftstellerin Kristin Valla macht sich auf eine Reise zu den Orten, wo Dagny Juel lebte und starb.
Dagnys Geschichte ist die einer Frau, die ihren eigenen Weg gegangen ist. 1892 geht sie als Musikerin nach Berlin und wird von den dortigen Künstlern mit offenen Armen empfangen. Sie galt als Muse von Edvard Munch. Über ihre Schönheit wurde oft mehr geschrieben als über ihre Arbeit. Aber im Gegensatz zu ihren beruflichen Erfolgen war sie in ihrem Privatleben nicht glücklich. Ihre Ehe mit dem Schriftsteller Stanisław Przybyszewskiwar von Geldsorgen und der Alkoholsucht ihres Mannes geprägt.Die Kristin Valla steht die Frau und nicht die Künstlerin im Vordergrund. Sie beschreibt eine selbstbewusste junge Frau, sie sich und ihrer Begabung bewusst war. Sie sah sich als Bohemienne und liebte das Leben in den Kreisen von Künstlern. Aber die Autorin zeigt auch eine andere Seite Dagny Juels: die der Ehefrau, die neben ihrem Mann immer kleiner wurde. Als sie und ihr Mann in die Heimat Przybyszewskis zurückzogen, wurde sie einsam. Anfangs waren die Eheleute gleichgestellte Partner in Beziehung und Arbeit, aber jetzt entfernten sie sich immer weiter voneinander. Geldsorgen, die Isolierung durch Sprachprobleme und die Untreue ihres Mannes machten sie einsam.
Ich fand Kristins Reise faszinierend. Sie versuchte, so nah wie möglich an den jeweiligen Lebensumständen Juels zu bleiben. Spannend fand ich, wie viel von den damaligen Wohnungen noch erhalten war und wie man sich auch über die Künstlerin, die dort lebte, bewusst war. Vieles ist noch erhalten und das macht ihre Reise zu einer echten Reise in die Vergangenheit.
Ich hatte vor der Lektüre noch nichts von Dagny Juel gehört. Über die Künstlerin weiß ich noch zu wenig, aber die Kristin Valla konnte mir Dagny Juel als Frau näherbringen.
-
In diesem Teil der Reihe tauchen die üblichen Protagonisten kaum auf, nur Thomas Lynley hat einen kurzen Auftritt, als Deborah und Cherokee ihn um Unterstützung bitten. Deborah und Simon sind diejenigen, die in dem Fall ermitteln. Obwohl das auch nur einen kleinen Teil der Handlung einnimmt. Die Autorin konzentriert sich hauptsächlich auf Guys Familie und die Bekannten und die komplizierten Beziehungen untereinander.
Dabei gibt es zahlreiche Motive und fast ebenso viele potentielle Verdächtige. Und es wird immer deutlicher, dass der Tote kein wirklich sympathischer Mensch war, auch wenn seine Schwester nur gut über ihn spricht. Aber auch sie gibt zumindest vor sich selbst zu, dass ihr Bruder sich nicht immer korrekt verhalten hat.
Auch an Deborahs Verhalten ist nicht immer korrekt. Sie fühlt sich China gegenüber verpflichtet, weil die in einer schweren Zeit für die da war. Gleichzeitig hat sie das Gefühl, dass Simon ihre Bemühungen, die Wahrheit ans Licht zu bringen, nicht ernst nimmt. Mehr als einmal gibt es deswegen Streitereien und wegen des Grolls gegenüber ihrem Mann trifft sie oft unüberlegte Entscheidungen.
Das Verhältnis zwischen den Geschwistern fand ich seltsam und konnte nicht verstehen, warum China mit ihrem Bruder mitgegangen war. Ich hatte auch das Gefühl, dass Deborah beide im rosigen Licht der Vergangenheit sieht und nicht erkennt, wie sehr sie sich seit ihrer Zeit in den USA verändert haben.
Viel ermittelt wird nicht, das Meiste ergibt sich aus Gesprächen oder Erinnerungen. Oft ist es sogar so, dass Deboras Versuche, die Wahrheit herauszufinden, sie eher davon entfernen, weil sie emotional zu verwickelt ist. Interessant fand ich dagegen, wie die Bewohner von Guernsey Simon und sie wahrgenommen haben. Dieser Blick von außen auf bereits bekannte Charaktere kommt nicht so oft vor. Aber insgesamt gab es mir dieses Mal zu viel persönliches Drama, zu wenig Ermittlungen und eine zu emotionale Deborah.
-
Kaufen* bei
Amazon
* Werbe/Affiliate-LinkIn Glasgow wird ein Mann ermordet. Der Täter ist sein 18jähriger Sohn, der die Tat auch gestanden hat. Während für die Polizei der Fall abgeschlossen ist, ist das für die Tante des mutmaßlichen Täters nicht der Fall. Sie bitte den Privatdetektiv Teàrlach Paterson, sich den Fall erneut anzusehen, um die Unschuld ihres Neffen zu beweisen.
Als Teàrlach die Wohnung besucht, in der sich der Mord abspielte, fallen ihm sofort einige Ungereimtheiten auf. Weitere Nachforschungen ergeben, dass sich im Nachbarhaus vor nur kurz vor dem Mord ein verdächtiger Todesfall ereignet hat, bei dem es Verbindungen zum aktuellen Fall gibt. Währenddessen verschwinden in Glasgow Menschen und Teàrlach und seine Mitarbeiterinnen finden Spuren, die nicht nur auf die beiden Morde, sondern auf ein altes, längst vergessenes Wissen hindeuten. Das bedeutet aber auch, dass der Täter noch nicht am Ende seines Plans ist.
Der Täter hat mich in ein bisschen in die Karten schauen lassen, deshalb war ich immer einen kleinen Schritt weiter als Teàrlach und kannte das nächste Opfer schon vorher. Das hat mir nichts von der Spannung genommen, weil ich nur wusste, was passieren würde, aber nicht, warum oder wer genau der Täter war. Sicher war nur, dass er sich auf ein altes Ritual bezieht. Er muss raffiniert sein, denn die Personen wurden vor den Augen der Öffentlichkeit entführt.
Es ist Katz-und-Mausspiel, das dadurch an Brisanz gewinnt, dass plötzlich die Schwester des Täters verschwindet. Dadurch kommt eine Gruppe der Freimaurer ins Spiel, in deren Kirche das verschwundene Mädchen gearbeitet hat. Wie hängt das alles zusammen?
Der Krimi ist spannend und flüssig erzählt und kommt trotz des Bezugs auf das alte Ritual ohne unnötige Grausamkeit aus. Der Autor hat einige Spuren gelegt, die ich aber erst im Rückblick gesehen habe. Am Ende ist die Spannung ein bisschen abgefallen, aber insgesamt war es ein guter Krimi.
-
Kaufen* bei
Amazon
* Werbe/Affiliate-LinkPatrick MacGill hatte lange kein Glück im Leben: er wuchs zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf einem kleinen Hof in Irland auf. Die Familie war arm, aber fast alles Geld, das verdient wurde, ging entweder an den Landbesitzer oder an die Kirche. Er musste schon früh die Schule verlassen und arbeiten, um die Familie zu unterstützen. Später ging er nach Schottland, um dort sein Glück zu machen. Aber der Weg dorthin war steinig und die größten davon legte er sich selbst in den Weg.
Anfangs klingt Patricks Geschichte wie eine von vielen. Das Leben seiner Familie wurde von Armut, harter Arbeit und dem blinden Gehorsam zur Kirche bestimmt. Die Menschen hatten nichts zu essen, aber der Prieser baute sich ein luxuriöses Badezimmer in sein Haus. Darüber wurde zwar geredet, aber offene Kritik wagte keiner. Als die Kinder zu zahlreich wurden, ging Patrick von der Schule ab, um selbst Geld zu verdienen und bietet sich auf dem Wochenmarkt als Arbeiter an. Wer Glück hatte, kam zu einem guten Herrn, bei dem man anständig behandelt wurde und vor allem genug zu essen bekam. Patrick hatte anfangs nicht dieses Glück. Sein erster Arbeitgeber behandelte ihn nicht besser als die Schweine, auf die er aufpassen musste. Erst später hatte er Glück und bleib auf diesem Hof auch mehrere Jahre.
Aber Patrick war auch rastlos und immer auf der Suche nach einem besseren Leben. Das verspricht ihm ein Freund, der nach Schottland gehen will. Dort braucht man starke Männer für den Bau von Straßen und Eisenbahnen und auch bei der Ernte. Die Überfahrt und die Zeit danach verändern Patricks Leben auf dramatische Weise: er beginnt dort zu spielen und beginnt auch zu trinken. Aber er findet auch eine Frau, in die er sich verliebt und der Traum von einem glücklichen Leben mit ihr hält ihn die langen Jahre aufrecht, in denen er ganz unten ist.
Ich hatte bei der Lektüre zwiespältige Gefühle. Keine Frage, Patricks Geschichte ist schrecklich. Die Gängelei durch Kirche und Gutsherrn und die modernen Sklavenmärkte, auf denen die Notlage der Menschen ausgenutzt wurde, waren bedrückend zu lesen. Auch die erste Zeit in Schottland ist nicht besser. Die Gruppen mit Iren werden hauptsächlich als Erntehelfer eingesetzt, bei denen die Arbeitsbedingungen oft nicht viel besser waren als in Irland. Die Abhängigkeit der Menschen von dem kleinen Einkommen, das sie erhielten, wurde gnadenlos ausgenutzt. Als Patrick später beim Bau arbeitete, verschlimmerte sich seine Lage noch. Zu einem großen Teil war er durch seine Alkohol- und Spielsucht selbst schuld daran, aber bei diesen Schilderungen fehlt mir die Einsicht. Vielmehr habe ich da den Eindruck bekommen, dass er sich als Opfer der Umstände sieht und das hat es mir schwer gemacht, wirklich Mitgefühl mit ihm zu haben, auch als er andere Szenen, wie die beim Bau des Stauwehrs in Kinlochleven beschreibt. Ich habe mich immer gefragt, wie weit er seine Lage selbst verschuldet hat, auch wenn ich das den anderen Arbeitern, die in der gleichen Situation wie er waren, ungerecht fand. Aber auch wenn ich Patricks Beschreibung kritisch gegenüberstehe, ändert sie nichts an der Tatsache, wie sehr sie Notlage der Menschen ausgenutzt wurde.
-
Kaufen* bei
Amazon
* Werbe/Affiliate-LinkVor fast vierzig Jahren wurde ein Mann bei einem Brandanschlag auf den Sitz der rechten MSI ums Leben. Die Täter verschwanden damals, ohne eine Spur zu hinterlassen. Jetzt werden beim Bau einer Bahnschnellstrecke Leichen gefunden, deren Spur zu dem Anschlag von damals führt.
Ich lerne die Attentäter von damals als fast schon arrogante Jugendliche kennen. Sie sind mehr oder weniger von der Sache überzeugt, aber es ist auch zu einem gewissen Teil ein Abenteuer für sie. Dass jemand stirbt, war nie der Plan. Bis die Leichen gefunden wurden, ist man davon ausgegangen, dass sie sich nach dem Attentat aus dem Staub gemacht haben. Jetzt sieht es so aus, als ob man sie für das Misslingen des Auftrags bestraft hätte. Für Bramard und Arcadipane sind die Ermittlungen eine Reise in die Zeit der Brigate Rosse. Damals haben die Menschen aus Angst geschwiegen und das Schweigen dauert bis heute an.
Ein schwieriger Fall, nicht nur für die Ermittler, sondern auch für mich. Das, was mir beim ersten Fall für Arcadipane und Bramard gefallen hat, hat mich dieses Mal gestört. Bei den Krimis von Davide Long passiert viel zwischen den Zeilen, aber dieses Mal hat mir stellenweise der rote Faden erzählt. Es gab keine zusammenhängende Handlung, sondern Erzählungen aus den Ermittlungen und dem Privatleben der Ermittler, die zwar einen gemeinsamen Nenner hatten, aber nicht wirklich zusammengehörten. Auch die Stimmung war mir dieses Mal ein bisschen zu getragen. Die Darstellung der Ermittler hat mir gut gefallen, der Rest hat mich leider nicht überzeugt.
-
Kaufen* bei
Amazon
* Werbe/Affiliate-LinkNach dem Tod der Mutter ist Maira nie wieder in das gemeinsame Haus zurück gekehrt. Sie hat sich als Restauratorin in Frankfurt ein neues Leben aufgebaut und soll sogar das kleine Geschäft übernehmen. Trotzdem lässt sie ihre Vergangenheit nicht los und hindert sie daran, wirklich glücklich zu werden. Jetzt soll das Haus verkauft werden und für Maira ist es die Gelegenheit, endlich mit ihrer Vergangenheit abzuschließen.
Julia Dibbern erzählt die Geschichte einer Tochter, die sich viel zu früh um ihre Mutter kümmern musste. Die schnell fortschreitende Demenz stellte die Teenagerin vor eine fast unlösbare Aufgabe. Die Mutter war viel zu jung für diese Krankheit und in einer Zeit, in der sie eigentlich für ihre Tochter da sein sollte, waren die Rollen vertauscht. Maira hatte es über lange Zeit geschafft, die Zustände daheim vor den Augen anderer zu verbergen. Zum Teil aus Scham, aber auch aus der Angst heraus, dass sie dann von ihrer Mutter getrennt werden würde. Geändert hat sich das erst durch ein schreckliches Unglück. Was damals genau passiert ist, weiß sie nicht.
Auch deshalb kommt sie zurück. Sie will die Wahrheit erfahren. Aber während sie weg war, ist auch die Zeit im Ort ihrer Jugend weitergegangen und die alten Freunde haben sich verändert. Es braucht Zeit, bis sich das alte Vertrauen wieder einstellt.
Die Geschichte teilt sich in zwei Teile: einmal den Teil der jungen Maira, die mit der Sorge um die Mutter und dem Leben als Teenagerin überfordert war. Da hat die mich die Autorin berühren können. Der Teil in der Gegenwart, in dem Maira zurückkommt um mit ihrem alten Leben abzuschließen, war für mich nur eine (Liebes)Geschichte, die ich so oder so ähnlich schon öfter gelesen habe. Schön geschrieben, aber nichts Neues und ein wenig vorhersehbar. Und auch schwächer als der andere Teil.
-
Für einen Kaffee müsste ich tatsächlich raus, im Gegensatz zu den Hotels in Großbritannien hat es hier keinen Wasserkocher im Zimmer. Deshalb muss der Koffeinschock noch ein bisschen warten
-
Kaufen* bei
Amazon
* Werbe/Affiliate-LinkÓsmann ist ein Mann der Gegensätze. Hinter dem rauen Äußeren des wortkargen Mannes verbirgt sich die Geschichte von einem Leben, in dem viel passiert ist. Jahrelang hat er mit seiner Fähre Menschen, Tiere und Waren über den Skagafjord im Norden von Island gebracht. Er hat Robben gejagt, fische gefangen, geliebt und verloren. Nach der langen Zeit und allem Erlebten ist er immer noch in seiner Hütte am Fjord, aber es fällt ihm mit jedem Tag schwerer.
Die Landschaft im Norden von Island gibt nicht viel her und auch von den Menschen kommt auf den ersten Blick nicht viel. Gespräche beschränken sich nur auf die nötigsten Worte. Man kennt sich und deshalb muss man nicht mehr Worte machen. Das Leben wird von dem bestimmt, was passiert und nicht von den Möglichkeiten.
Ósmanns Leben ist hart. Viele Menschen verlassen die Suche nach einem besseren Leben und wandern aus. Darunter auch Freunde, von denen anfangs vielleicht noch Briefe kommen, wo der Kontakt aber später abbricht. Die Kindersterblichkeit ist hoch, auch er verliert seine Kinder. Aber er ist nicht verbittert, vielmehr haben die Verluste ihn weicher gemacht. Er kümmert sich um seine Mitmenschen und bietet ihnen in seiner Hütte Schutz und Fürsorge.
Auf mich hat er immer einen einsamen Eindruck gemacht, auch wenn er durch seine Arbeit als Fährmann viel Kontakt zu anderen Menschen hat. Aber der beschränkt sich oft nur aufs Nötigste. Trotzdem wirkt Ósmann auf mich zufrieden. Er hadert nicht mit seinem Schicksal, sondern er nimmt es an, denn ändern kann er es nicht. Aber macht ihn das auch glücklich? Diese Frage konnte mir der Autor nicht beantworten.
-
Ich habe über Ostern viel Lesezeit. Ich mache Osterurlaub in Berlin, Mann und Tochter sind daheim beim Verein beschäftigt. Das heißt viel ungestörte Lesezeit, die ich ausgiebig nutze
Mein aktuelles Buch ist Patric Gagne - Sociopath, aber auf dem Reader sind noch mehr spannende Bücher, von denen ich noch das eine oder andere dieses Wochenende lesen will.
-
Kaufen* bei
Amazon
* Werbe/Affiliate-LinkDan Richards nimmt seine LeserInnen mit in eine besondere Welt: die der Menschen, die nachts arbeiten. Ihre Arbeit wird nur selten gesehen, ist aber deshalb nicht weniger wichtig.
Die nächtliche Reise beginnt mit einem Besuch im Containerhafen in Southampton, dessen Umfang und Logistik dem Autor einen ersten Blick auf die Größe seines Vorhabens geben. Der Abschluss an einem prähistorischen Ort mit besonderer Bedeutung für den Autor und seine Begleitung zur Sonnenwende könnte davon nicht unterschiedlicher sein.
Dazwischen liegt viel Menschliches und Persönliches: Dan Richards ist mit Streetworkern auf den Straßen von London unterwegs, die trotz allem, was sie sehen, nicht ihren Optimismus und den Glauben daran verloren haben, dass ihre Arbeit etwas bewirkt. Er erzählt von den Nächten, die er als COVID Patient auf der Intensivstation verbracht und nicht wusste, ob er seine Familie wiedersehen würde. Er ist in Finnland auf den Spuren der Mummins unterwegs und begleitet die Fahrer bei den 24 Stunden von Le Mans, fliegt im Rettungshubschrauber mit, reist mit der Fähre auf die Shetlandinseln und macht eine Fledermauswanderung im schottischen Wigtown.
Beim Lesen bin ich in die besondere Atmosphäre der Nachtarbeit eingetaucht. Wenn die Menschen gefragt wurden, wie sie ihre Arbeit zu der Zeit, in der die meisten schlafen, empfinden, sind die Aussagen ähnlich: nachts unterwegs zu sein, aus welchem Grund auch immer, bedeutet ein anderes Wahrnehmen, ein anderes Sein. Man ist fokussierter und sieht oft Dinge, die beim Licht und Lärm des Tages untergehen. Aber es ist ihnen auch bewusst, dass die oft gegensätzliche Routine ihren PartnerInnen und Familien vieles abverlangt.
Mir haben die unterschiedlichen Charaktere und Schicksale gut gefallen, von denen Dan Richards erzählt hat. Alle schienen echte Freude für ihre Arbeit zu empfinden. Das mag zum Teil an der jeweiligen Arbeit selbst, aber auch an der Tages bzw. Nachtzeit liegen. Man ist eine kleinere Gemeinschaft und kann/muss sich auf die Menschen, mit denen man zusammenarbeitet, ganz anders einlassen.
Das Buch ist eine Mischung aus vielen kleinen Geschichten mit den unterschiedlichsten Menschen und Stimmungen. Für mich war es die perfekte Kombination. -
Kaufen* bei
Amazon
* Werbe/Affiliate-LinkKea Laverde ist es gewohnt, als Ghostwriterin über das Leben von ungewöhnlichen Menschen zu schreiben. Aber ihr neuester Kunde ist trotzdem eine Überraschung. Bastian Hut ist noch nicht mal zwanzig Jahre, aber er hat schon so viel erlebt, dass es in seinen Augen für ein Buch reicht. In dem Test, den er Kea präsentiert, erzählt er wie er als 15jähriger als Hacker angeworben wurde und in die Kriminalität abrutschte. Kea nimmt seinen Auftrag nicht aus Überzeugung an, sondern aus finanziellen Gründen. Aber dann nimmt die Geschichte eine dramatische Wendung: Bastian ist tot und ein Hacker dringt ins Netzwerk des LKA ein.
Dieser Fall für Kea Laverde hat mich nicht überzeugt. Das lag zum einen daran, dass sich der Veröffentlichung des Krimis in der digitalen Welt viel getan hat und die Arbeit von Hackern auf der einen und den Spezialisten vom LKA auf der anderen Seite schlicht veraltet waren. Die Beziehung zu Nero steht wieder auf der Kippe. Sie kann nur noch wenig Verständnis für ihn aufbringen, dabei wird Neros Leben immer mehr zu einem Scherbenhaufen. Man wirft ihm schwerwiegende Fehler bei der Arbeit vor, sein Körper lässt ihm im Stich und seine einzige Stütze scheint nicht mehr zu ihm zu halten.
Kea wirkt in diesem Krimi wie eine andere Person: oberflächlich und sehr ungeduldig mit Nero. Sie erkennt zwar, dass er leidet, aber sie glaubt auch, dass er sich nur anstellt. Es dauert lange, bis sie das nötige Verständnis für ihn hat. Sie versucht auf eigene Faust, das Rätsel um Bastians Tod zu lösen und gefährdet so die Ermittlungen der Polizei.
Es gab viele Handlungsstränge, die nebeneinander hergelaufen sind, aber mir hat definitiv der rote Faden gefehlt. Dazu kamen bekannte Charaktere, die hier weit weniger lebendig wirkten als sonst und ein Thema, das einfach nicht mehr zeitgemäß war. Für mich war dieser Teil der schwächste in einer sonst starken Reihe.