Beiträge von Kirsten

    Meine zweite Meinung

    Die Dinge spielen sich lange unter der Oberfläche ab, weil weder Monika noch Maj-Britt zulassen, dass sie sich damit befassen müssen. Es gibt Andeutungen, was passiert ist (passiert sein kann), aber erst, als im Leben der beiden Frauen eine neue Katastrophe passiert, müssen sie sich auch den Ereignissen aus der Vergangenheit stellen. Denn jetzt haben sie keine Kraft mehr, sie weiter zu verdrängen.


    Ich fand weder Monika noch Maj-Britt wirklich sympathisch. Beide wirkten verbittert, was bei Monika ein wenig dadurch gemildert wurde, dass sie durch ihren Beruf von Menschen umgeben war, mit denen sie auskommen musste. Maj-Britt dagegen konnte ihre Gefühle ihren Betreuern ungefiltert entgegen schleudern. Egal, wie sie sich ihnen gegenüber verhalten würde, sie würden immer wiederkommen.


    Karin Alvtegen erzählt eine düstere Geschichte, bei der es an vielen Punkten die Möglichkeit gegeben hätte, dass sie sich in eine bessere Richtung wendet. An dem Punkt, an dem der Roman beginnt, sind beide Frauen schon so in ihren Routinen gefangen, dass es kaum noch ein Entkommen zu geben scheint. Aber dann kommt eine unerwartete Dynamik in die starren Strukturen, die mir Hoffnung macht, dass es für Monika und Maj-Britt doch noch ein anderes Leben geben könnte, auch wenn die ersten Schritte fast unmöglich scheinen.

    5ratten

    Ich finde das nicht paradox. Ich habe es so verstanden, dass auch ein vermeintlich schlechter Boden seine Bedeutung für die Natur hat. Genauso, wie es eigentlich auch kein beschissenes Wetter gibt, sondern eher die falsche Kleidung oder vielleicht auch die Einstellung zu den gegebenen Verhältnissen ;)


    Dass im Titel rotgrond mit Faulboden übersetzt wird, finde ich persönlich nicht schlimm. Die wortwörtliche Übersetzung hätte für mich zu sperrig geklungen.

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    Der Untertitel lautet "Warum wir die Natur Natur sein lassen sollten". Wahrscheinlich hätte mich das Buch nicht interessiert, wenn es diesen Titel gehabt hätte, weil er in meinen Augen zu platt klingt. Den niederländischen Titel finde ich fast noch interessanter als die weinenden Bäume: "Faulboden gibt es nicht" (Rotgrond bestaat niet).


    Der eher platte Untertitel und der niederländische Titel passen sehr gut zusammen. Manchmal muss man die Natur einfach machen lassen. Wenn ich im Wald unterwegs bin, höre ich immer wieder Stimmen, die sich darüber beklagen, dass Totholz nach einem Sturm nicht geräumt wird. Dabei ist genau das der Nährboden, den der Wald braucht, um sich wieder aufzubauen.


    Gerbrand Bakker erzählt in seinem Buch von zwei Wanderungen, die er durch Wälder gemacht hat. Eigentlich wollte er mit einem Bekannten den West Highland Way wandern, aber seine Flugangst hat verhindert. Also waren sie auf dem Rothaarsteig in Deutschland unterwegs und hat festgestellt, dass er eigentlich keinen Wald mag oder zumindest nicht den Wald am Steig. Ein Jahr später in Schottland gab es die nächste Enttäuschung, denn die Wälder entlang der ersten Etappen wurden gerade aufgeforstet und waren noch langweiliger als der Wald im Jahr zuvor.


    Ich kannte Gebrand Bakker bis zu diesem Buch nur als Schriftsteller, jetzt habe ich erfahren, dass er eine Ausbildung zum Gärtner gemacht und ein Haus in der Eifel hat, bei dem der Garten aufgrund seiner Hanglage eine größere Herausforderung ist, als er sich gewünscht hat. Aber er nimmt diese Herausforderung an und gestaltet den Garten, den er sich nicht nur für sich wünscht: ohne Rasen, denn ein gepflegter Rasen ist für ihn der Feind jedes Gartens.


    Aber diese Aussage trifft er mit einem Augenzwinkern und dieses Augenzwinkern habe ich bei der gesamten Lektüre gespürt. Dieses Buch ist anders als die Romane, die ich bis jetzt von Gebrand Bakker gelesen habe. Nicht nur, weil es eben kein Roman ist. Sondern auch weil ich das Gefühl habe, dass der Autor nicht nur von den echten Bäumen, die nicht weinen, erzählt. Sondern ganz nebenbei auch über sich.

    4ratten


    Liebe Grüße

    Kirsten

    Dottie An das Buch von Jennette McCurdy musste ich auch denken.


    Ich würde mir wünsche, dass sich beim Umgang mit Kindern und Jugendlichen im Scheinwerferlicht etwas getan hat seit Tokio Hotel. Aber letztendlich kommt es auch immer darauf an, wie die jungen Menschen von den Eltern aufgefangen werden.

    Die Musik von Tokio Hotel ist nicht ganz meine Wellenlänge, deshalb habe ich ihre Karriere nicht bewusst verfolgt. Natürlich habe ich ihren steilen Aufstieg mitbekommen und auch, wie schnell sie ins Fadenkreuz gerieten. Wie sich das anfühlte, hat Bill Kaulitz in seiner Biografie eindrucksvoll beschrieben.


    Am Anfang habe ich gedacht, dass mir die Lektüre schwerer fallen würde, als sie es tatsächlich getan hat, weil ich den Stil des Prologs gewöhnungsbedürftig fand. Aber auch, wenn ich bei Bills Sprache ein paar Mal mit den Augen gerollt habe, gefiel mir seine Biografie doch unerwartet gut. Allerdings musste ich gleich am Anfang schmunzeln, als er von "Jahrzehnten" geschrieben hat. Das klingt für einen gerade mal 30jährigen doch etwas lustig.


    Die Brüder haben schon immer die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Zwillinge tun das häufig, aber bei Bill und Tomm war immer ein negatives Element dabei. Warum das so war, habe ich nicht verstanden. Da kommt es mir so vor, als ob Bill nicht alles erzählt hat. Im weiteren Verlauf habe ich immer wieder vergessen, wie jung ihm alles passiert ist. Ich fand es schade, dass der Band niemand zur Seite gestellt wurde, der diese jungen Menschen geführt und ihnen auch ein bisschen gezeigt hat, wie das Leben im Scheinwerferlicht ist. Es kam mir so vor, als ob die Brüder da alleine durchmussten. Sicher, sie hatten einander, aber für zwei gerade mal 16jährige ist das zu wenig. Aber auch, wenn sie nur wenig ausgelassen haben, hat es Bill doch geschafft, an einem Punkt in seinem Leben zu stehen, an dem er mit sich im Reinen ist. Allerdings kam er mir auch sehr einsam vor. Aber mittlerweile sind ein paar Jahre vergangen und zumindest wirkt er jetzt glücklicher, als zu dem Zeitpunkt, als er seine Autobiografie geschrieben hat.

    4ratten

    Meine zweite Meinung

    Micks Geschichte zeigt, wie einfach es ist, den Boden unter den Füssen zu verlieren. Auch wenn ihm nach dem Tod seiner Frau Familie und Freunde ihre Hilfe anbieten, kann er sie nicht annehmen. Er kann keinem sagen, wie es in ihm aussieht. Sein Lebensraum wird immer kleiner: zuerst kann er nicht mehr im Ehebett schlafen, dann nicht mehr im Schlafzimmer und schließlich nicht mehr im Haus. Irgendwann muss er raus aus der Stadt und landet in London. Dort kommt er zuerst wieder ein bisschen auf die Beine. Aber sobald ein Problem auftritt, kann er damit nicht umgehen und läuft davon. Irgendwann ist er ganz am Boden und das ist der Moment, in dem es ihm besser zu gehen scheint. Jetzt ist das Schlimmste passiert und es kann nicht mehr schlimmer kommen. Vielleicht wäre Micks Leben anders verlaufen, wenn er sich von Anfang an Hilfe gesucht hätte. Damals war er noch nicht bereit dazu. Auch im Lauf der Geschichte ist ihm immer wieder Hilfe angeboten worden, aber der richtige Zeitpunkt war noch nicht gekommen. Ich wünsche ihm alles Gute, aber ich kann auch verstehen, wie schwer der erste Schritt für ihn sein muss.

    5ratten

    Nachdem ich alle Teile der Reihe gelesen und verfolgt habe, wie sich die Charaktere entwickelt haben, sind mir beim reRead viele Dinge unangenehm aufgefallen. Lynley als Earl war ebenso überzeichnet wie als der ältere Sohn, der alle Erwartungen der Familie erfüllt und über das Versagen des jüngeren Bruders bitter enttäuscht ist. Helen wirkt die meiste Zeit sehr oberflächlich, nur gegen Ende bekomme ich einen Blick auf die Frau, die sie in den späteren Teilen sein wird. Den Auftritt der vier Freunde bei der Theateraufführung fand ich überzogen. Auch damals kann ich mir nicht vorstellen, dass die Familie aus dem Herrenhaus so hofiert wird. Für meinen Geschmack hat Elizabeth George den Unterschied zwischen den Dorfbewohnern und den Leuten aus London zu sehr betont.


    Der Mord an dem Journalisten scheint anfangs eine eindeutige Sache zu sein. Aber dann gibt es immer mehr Hinweise in andere Richtungen, die die Autorin auch damals schon geschickt eingestreut hat. Allerdings hat mir nicht so gut gefallen, wie Deborah und Helen sich in die Ermittlungen eingebracht haben. Ein Highlight war der kleine Auftritt von Barbara Havers. Ob Elizabeth George damals schon geplant hat, dass sie einmal eine so wichtige Rolle spielen würde?


    Keine Frage, die Reihe hat sich seit dem ersten Teil sehr verändert. Damals hat mir dieser Teil gefallen, aber im Vergleich zu den weiteren Teilen verliert er doch sehr.

    3ratten

    Die Geschichte beginnt mit einem Paukenschlag: Junes Freundin/Konkurrentin Athena stirbt vor ihren Augen. Ausgerechnet an dem Tag, an dem ihre ohnehin schon steile Karriere noch weiter abhebt. June ist geschockt, aber sie erkennt auch die Chance, die sich ihr bietet: Athena hat sie gebeten, ihren neuen Roman zu lesen. Sie kann nichts mehr damit anfangen, aber June und so veröffentlicht sie das Werk ihrer toten Freundin unter ihrem Namen.


    Es ist eine Sache, sich die Tatsache schön zu reden, dass man einer Toten ihren letzten Roman gestohlen und als den eigenen ausgegeben hat. Je mehr sie darüber nachdenkt, desto größer wird ihr Anteil daran. Wie groß der tatsächlich ist, ist mir nie wirklich klar geworden. Sicherlich hat sie ein bisschen umgeschrieben und dafür auch über das Thema recherchiert. Aber je erfolgreicher sie wird, desto dünner wird das Eis, auf dem sie sich befindet. June erkennt, dass sie keine Ahnung über das hat, von dem sie angeblich geschrieben hat. Dazu kommt, dass ihr Verlag ihr ein neues Image verpasst hat, dass die Leute in die Irre führt.


    Immer wieder erzählt June, wie schlecht sie sich fühlt, wenn sie die Erwartungen der Menschen enttäuscht, aber das nehme ich ihr nicht ab. Denn gleichzeitig reagiert sie fast schon beleidigt, wenn man ihr ihre Unwissenheit vorwirft. sie glaubt, die richtigen Worte gefunden und richtig gehandelt zu haben. Aber auch wenn die Vorwürfe oft im falschen Ton geäußert werden, treffen sie doch einen wahren Kern. Ob Athena die gleichen Vorwürfe gehört hätte? Vielleicht. Als jemand, der sein ganzes Leben öffentlich machte, machte sie sich auch verletzbar und wurde verletzt.


    Das ist genau das, was ich an dem Roman mag: er kommt auf den ersten Blick leicht daher, aber Rebecca F Kuang hat viel hineingepackt: sie erzählt, wie schwer es für junge AutorInnen ist, in der Branche Fuß zu fassen. Wie das Internet jemand zum Star machen kann, aber genauso schnell vernichten. Und auch immer wieder von Rassismus: offen oder versteckt, bewusst ausgesprochen oder in Gewohnheiten versteckt. Mehr als einmal weigert sie sich, sich diesen Anstellungen zu stellen und ihr Umfeld macht mit. Das scheint einfacher zu sein, als über sich und das eigene Verhalten Gedanken zu machen.


    Ich habe selten in einem Buch einen erhobenen Zeigefinger gesehen, der so charmant verpackt war. Das macht die Dinge, die die Autorin angesprochen hat, nicht weniger wichtig. Aber für mich hat ist es das, was Buch zu einem der Lesehighlights in diesem Jahr macht.

    5ratten

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    Es kommt nicht oft vor, dass mich ein Buch nur wegen des Covers interessiert, unabhängig von Titel oder AutorIn. Hier hat mich Saskias Lächeln direkt angesprochen. Es wirkt auf mich wie das Lächeln von jemand, der genau am richtigen Platz im Leben steht. Aber auch wenn das jetzt der Fall ist, war der Weg dorthin nicht einfach.


    Saskia erzählt einer Kindheit und Jugend, die im ganz normalen Rahmen ablief. Elternhaus, Schule, Studium- diesen Weg gehen die meisten. Aber Saskias Weg war steiniger als viele. In der Schule von den Lehrern als UnruhestifterIn herausgedeutet, weil Saskias Persönlichkeit schon immer ein bisschen mehr aus der Menge herausragte und das als schlecht ansehen wurde. Die Mutter stand bedingungslos hinter der Tochter, trotzdem konnte sie an der vorgefertigten Meinung der Lehrer nur wenig ändern.


    Saskia wollte das haben, was ihre Eltern: eine glückliche Ehe und Kinder und fand einen Mann, mit dem sie glücklich wurde. Trotzdem war wie früher das immer das Gefühl, dass da noch mehr war. Wie konnte das sein, wenn sie doch alles hatte, von dem sie immer geträumt hatte? Es brauchte die richtige Person, für das "mehr". Die Person, die das in Saskia weckte, das sie bis jetzt tief in sich versteckt hatte.


    Die meisten Menschen können sich nicht vorstellen, mehr als eine Person zu lieben. Geht es um einen Partner und die Kinder, ist das noch in Ordnung. Aber sobald es um mehr als einen Partner geht, scheint diese Ordnung aufgehoben. Saskia erzählt vom Zurechtfinden in der neuen Gefühlswelt, was schon nicht einfach war. Aber sie erzählt auch von dem, was ihr begegnet ist, als sie an die Öffentlichkeit gegangen war. Neugierige Fragen waren das geringste Problem, denn die wurden oft nicht gestellt. Vielmehr gab es Bemerkungen über sie, Vorurteile und offene Anfeindungen.


    Saskia Michalski erzählt in ihrem Buch nicht nur ihre Geschichte, sie will auch helfen. Wenn man sich selbst entscheidet, außerhalb der sogenannten Norm zu leben. Aber auch, wenn ein geliebter Mensch sich dazu entschließt. Ich habe gelernt, dass es unzählige Spielarten von Identität und Liebe gibt und in jeder davon gibt es genau so viele Vorurteile. Die schlimmsten von ihnen sind für mich die, die unbewusst geäußert werden. Saskia hat viele von diesen Vorurteilen selbst erlebt, trotzdem hat sie sich davon nicht beeinflussen lassen. Die Ratschläge, die sie gibt, sind nie von oben herab. Vielmehr sind sie so formuliert, dass sie auf eigentlich jeden Bereich des Miteinanders zutreffen. Ich habe das Buch gern gelesen, auch wenn das Thema nicht immer leicht war. Aber die Art, wie Saskia Michalski damit umgegangen ist, hat dunkleren Abschnitte heller gemacht.

    5ratten


    Liebe Grüße

    Kirsten

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    Am 29. Mai 1997 ging ein junger Mann im Wolf River, einem Nebenarm des Mississppi schwimmen. Er war voll bekleidet und sang dabei "Whole lotta love" von Led Zeppelin. Seine Freunde, die ihn begleiteten, dachten sich nichts dabei, denn er war schon immer ein bisschen exzentrisch gewesen. Aber plötzlich verstummte das Lied und der Mann war verschwunden. Eine sofort eingeleitete Suchaktion blieb erfolglos. Erst vier Tage später wurde die Leiche von Jeff Buckley gefunden.


    Jeff Buckley galt als einer der Ausnahmekünstler seiner Zeit. Er hatte einen besonderen Stil, der sich in keine Schublade pressen ließ. Aber er hatte auch zeit seines Lebens mit dem Vermächtnis seines Vaters Tim zu kämpfen. Auch Tim Buckley galt als eines der großen Talente seiner Zeit und auch er starb jung unter tragischen Umständen. David Browne erzählt in seinem Buch über das Leben von Vater und Sohn.


    Jeff war mit dem Erbe seines Vaters nie glücklich. Er hat lange nicht erzählt, dass er der Sohn von Tim Buckley, einem der großen amerikanischen Folkesänger der späten 1960er Jahre, war. Als Künstler wollte er den Vergleich nicht, aber auch nicht als Sohn. Tim hat seine Familie verlassen, als Jeff noch sehr jung war und sich später kaum um seinen Sohn gekümmert. Der Grund dafür war nicht klar. Der Vater erzählt, dass seine Exfrau den Kontakt schwer gemacht hat, die Mutter sagt, dass der Vater kein Interesse hatte. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen.


    David Browne holt für die Biografie weit aus und beginnt mit dem Leben von Jeffs Großeltern. Für mich war dieser Schritt zu weit in die Vergangenheit, aber tatsächlich ist er wichtig, um zu verstehen, welche Wertevorstellungen die Eltern von Jeff Buckley von ihren Eltern mitbekommen haben und wie sie deren Leben beeinflusst haben. Er bezieht sich auf unzählige Interviews mit Freunden, Familie und Kollegen und auf die wenigen Gespräche, die er mit Jeff Buckley selbst führte.


    Für mich erzählt er die Geschichte eines jungen Mannes mit einem großen Talent, der in seiner Kindheit und Jugend nur wenig Stabilität erfahren hat. Das Talent war zu groß, um lange unbeachtet zu bleiben, war aber gleichzeitig Fluch und Segen. Je bekannter Jeff Buckley wurde, desto weniger hatte er Einfluss auf das, was er mit seiner Musik machen konnte. Mit steigender Bekanntheit veränderte er sich auch. Galt er früher als der unschuldige Junge, für den es nur seine Musik gab, waren es auf einmal Partys und wahrscheinlich auch Drogen, auch wenn David Browne hier sehr wage bleibt. Genau das war der Punkt, der mich ein wenig gestört hat. Nicht weil mich Jeffs Drogenkonsum interessiert hätte. Aber sowohl seine als auch die Biografie seines Vaters wirken unpersönlich auf mich. Sie sind interessant, aber sie bringen mir leider nicht die Menschen hinter den Künstlern näher.

    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Liebe Grüße

    Kirsten

    Ich hatte sehr lange Schwierigkeiten mit dem Buch Die Beispiele, die die Autorin beschrieben hat, waren mir in der Botschaft zu ähnlich: introvertierte Menschen, die sich überwinden dadurch Großes erreichen konnten. Nicht, dass ich ihr das nicht glaube, aber sie machte diese Überwindung zu einfach. Für mich waren es zu viele Beispiele, die ich nicht gebraucht hätte.


    Es gab auch bei den für mich schwierigen Passagen Dinge, die mir gut gefallen haben: Susan Cain erklärt den Unterschied zwischen schüchtern und introvertiert sein und erklärt, wie sich introvertierte Menschen in bestimmten Situationen fühlen. Mit den Listen von Fragen, deren Beantwortung mich in der einen oder anderen Kategorie zuweisen, konnte ich dagegen weniger anfangen. Auch nicht mit den Tests, die immer wieder gemacht wurden, um Unterschiede im Verhalten und extravertierten und introvertierten Menschen zu zeigen. Da hat mir gefehlt, was mit den Ergebnissen passierte.


    Wirklich abgeholt hat mich die Autorin in den letzten Kapiteln, in der sie darüber schrieb, wie sich introvertierte Personen innerhalb einer Partnerschaft und hier vor allem in Konflikten verhalten. Für mich persönlich war das das Kapitel, aus dem ich am meisten mitnehmen konnte. Bei dem, was sie über Eltern mit introvertierten Kindern geschrieben hat, musste ich teilweise schlucken. Da gibt es noch viel Hilflosigkeit und den Wunsch, die Kinder aus dem vermeintlichen Schneckenhaus zu holen, auch wenn das gegen alles ist, was sich diese Kinder wünschen. Oder es wird mit Unverständnis oder sogar Spott reagiert. Das war nicht immer einfach zu lesen, weil mir einiges sehr bekannt vorkam.


    Das Buch ist schon einige Jahre alt, ich fände es interessant zu lesen, was sich in den Augen der Autorin seitdem auf diesem Gebiet getan hat. Mir haben große Teile nicht so gefallen, wie ich erwartet habe. Aber die Dinge, die ich daraus mitnehmen konnte, haben die zähen Teile ausgeglichen.

    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

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    Am 23. Mai 1992 erschütterte ein Attentat Italien. Eine Bombe mit 500kg TNT explodierte unter der A29 genau in dem Moment, als ein gepanzerter Konvoi darüberfuhr. In einem von den Autos saßen Giovanni Falcone und seine Frau Francesca Morvillo. Das Ehepaar wurde schwer verletzt und starb auf dem Weg ins Krankenhaus. Mit Falsones Tod verlor Italien einen der großen Kämpfer gegen die Mafia.


    Roberto Saviano erzählt Falcones Geschichte als Roman, aber sie beruht auf wahren Begebenheiten. Ich kann mich an die aufsehenerregenden Mafiaprozesse in den 1980er Jahren erinnern und auch an die Meldungen über Attentate. Saviano beschreibt den Krieg gegen die Mafia wie den Kampf gegen ein Ungeheuer, dem jedes Mal zwei neue Arme wachsen, wenn man einen abschlägt. Egal, wie erfolgreich ein Schlag war: es war nur die Ruhe vor dem nächsten, noch schlimmeren Sturm. Für jeden, der verhaftet wurde, gab es zahlreichen Ersatz. Für viele war es eine Ehre, auf der Seite der Familie zu kämpfen. Andere wurden durch Drohungen gefügig gemacht. Aussteigen war keine Option und wer redete, wurde aufs Grausamste bestraft. Erst Falcone gelang es, die Regeln der Omertà zu brechen und eine der Mafiagrößen als Kronzeugen zu gewinnen.


    Falcone hatte sich durch seinen jahrelangen Krieg gegen die Mafia als unerbittlicher und vor allem unbestechlicher Gegner zahlreiche Feinde gemacht und wurde mehr als einmal offen bedroht. Er stand schon lange unter Polizeischutz. Trotzdem konnte er sich nicht mehr sicher fühlen. Was macht das mit einem Menschen, wenn er sich seines Lebens nicht mehr sicher sein kann und vor allem wenn auch die Menschen, die er liebt, bedroht werden? Denn das war eine der schlimmsten Drohungen, die ausgesprochen werde konnte. Auch Francesca wurde offen bedroht und bevor sie heirateten, war Falcone sich lange unsicher, ob es wirklich der richtige Schritt war. Allerdings war sein Gedanke damals, dass er keine Witwe heiraten wollte, wie er es ausdrückte. Ebenso wenig wollte er Waisen in die Welt setzen, deshalb blieb die Ehe kinderlos.


    Roberto Saviano beschreibt, wie die Mafia in alle Bereiche des öffentlichen Lebens eindringt und überall Spione hat. Das mag drastisch klingen, aber so war es. Irgendwo gab es immer jemand, der ihr berichtete. Aber gerade mit dieser ausführlichen Beschreibung hat es mir der Autor manchmal schwer gemacht, denn stellenweise hat das Buch Längen, weil der Autor für meinen Geschmack zu sehr ins Detail gegangen ist und sich gerade bei den Gesprächen vieles wiederholt hat. Ich fand Falcones Geschichte zwar interessant, war mit der Ausführung aber nicht ganz glücklich.

    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Liebe Grüße

    Kirsten

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    Eine Bothy ist ein Ort, der Wanderern in Großbritannien Schutz bietet. Meistens ist es eine kleine Hütte, die von nur vier Wänden bis hin zu mehreren Zimmern mit Stromversorgung durch Solarpanelen alles bieten kann. Waren sie am Anfang nur als Übernachtungsmöglichkeit für eine Nacht oder als Schutz vor Unwettern gedacht, kann man manche von ihnen mittlerweile auch mieten. Im Lauf mehrerer Monate besucht Kat Hill mehrere von ihnen und erzählt in ihrem Buch von diesen Besuchen.


    Zitat

    We all need refuge from something at one time or another


    Auch wenn man diesen Satz nicht nur auf eine kleine Hütte in der Wildnis beziehen muss, beschreibt er für mich sehr schön, was eine Bothy ist. Ich habe bei Wanderungen in Schottland selbst in Bothys übernachtet und vieles von dem, was Kat Hill beschrieben hat, habe ich ähnlich erlebt. Sie trifft auf unterschiedliche Arten von Wanderern, denn jeder erlebt die Natur, in der er unterwegs ist, anders. Manche wollen nur Kilometer machen und für sich allein bleiben, andere interessieren sich für die Geschichte der Bothy und den Menschen, die sie dort antreffen.


    Das wird Kat Hill besonders deutlich, als sie von Cape Wrath zur Kearvaig Bothy wandert. Auf ihrem Weg dorthin trifft sie auf Touristen in Wohnmobilen, die nicht kaum ihr Fahrzeug verlassen, einen jungen Mann, der den gesamten Cape Wrath Trail wandert und der kaum den Blick vom Pfad hebt, aber auch Personen, die die Landschaft mit der gleichen Begeisterung betrachten, die sie spürt.


    Mir hat es großen Spaß gemacht, Kat Hill zu begleiten. Sie erzählt nicht nur von ihren Wanderungen, sondern auch von den Menschen, die sie begleiten und den Gesprächen, die sie führt. Jede der Bothys, über die sie schreibt, hat nicht nur ein Kapitel im Buch, sondern steht auch für einen Abschnitt in ihrem Leben. Jede Wanderung verändert den Menschen, der sie macht und das trifft auch auf die Autorin zu. Die Arbeit für das Buch dauert drei Jahre und am Ende ist sie an einem Platz in ihrem Leben, an dem sie sich am Anfang ihres Projekts nie gesehen hätte. Trotzdem ist sie dort glücklicher, als sie es früher war.


    Kat Hill erzählt von etwas, das ich selbst erlebt habe und an das ich mich gerne erinnere. Aber auch ohne in einer Bothy geschlafen zu haben, ist ein besonderes Buch.

    5ratten


    Liebe Grüße

    Kirsten

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    In Berlin wird eine neue Sondereinheit gegründet. Mit der Sondereinheit Terrorabwehr reagiert die Stadt auf die immer stärkere Bedrohung von außerhalb. Eine Serie von Morden scheint der Gründung recht zu geben: zuerst wird ein jüdischer Aktivist ermordet, dann eine muslimische Anwältin und das ist erst der Anfang. Eine Verbindung zwischen den Fällen ist auf den ersten Blick nicht zu sehen. Deshalb wird aus Frankfurt ein neuer Ermittler zum Team gerufen: Neuhaus, der alles andere als ein Teamplayer ist.


    Neuhaus arbeitet nicht nur am liebsten allein, er ist auch am liebsten allein. Er braucht keine Freunde, das dachte er zumindest. Seine Kollegin Suna-Marie denkt anders darüber. Sie kann nicht mit jemand arbeiten, der wie ein Fremder ist und schafft es in kleinen Schritten, sich Neuhaus zumindest ein wenig zu nähern.


    Der Titel passt perfekt zum Protagonisten. Aber anders als ein Solist bei einem Orchester, will Neuhaus nicht eine Sonderrolle, sondern seine Ruhe. Einen einsamen Wolf als Ermittler gibt es in vielen Krimis, aber Jan Seghers hat seinem Charakter Eigenschaften verliehen, die ihn aus der Menge herausstechen lassen. Neuhaus hadert immer wieder mit seiner Berufung zum Ermittler oder besser: mit der fehlenden Berufung. Deshalb ist Suna-Marie für ihn die perfekte Partnerin. Sie nimmt ihn so, wie er gerade in dem Moment ist, was nicht bedeutet, dass er ihr egal ist. Auf ihre Art ist sie genauso kopflastig wie er, aber im Gegensatz zu ihm hat sie ihre Eltern, die sie erden und deshalb weiß sie, wie wichtig jemand ist, der für einen da ist.


    Für mich lebt der Krimi hauptsächlich von den Charakteren und weniger von den Ermittlungen. Aber auch die sind interessant, obwohl ich den Fall schon vor Neuhaus gelöst habe. Auch wenn der Titel zum Protagonisten passt, hoffe ich doch nicht, dass es auch bedeutet, dass es der einzige Fall für Neuhaus bleiben wird.

    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Liebe Grüße

    Kirsten

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    Billy Hutter lebt von den Dingen, die andere Leute zurücklassen. Er hat in Ludwigshafen ein kleines Unternehmen für Haushaltsauflösungen, aus denen er ab und zu Dinge mitnimmt für sein kleines Heimatmuseum. Ende der 1990er Jahre löst er eine Wohnung auf, deren Inhalt ihn mehr berührt. Sie gehört einem Mann, der im Rhein ertrunken ist. Sein Name ist Karlheinz.


    Man kann viel über jemand erfahren, wenn man sich in seiner Wohnung umsieht. Als Entrümpler sollte man die Augen davor verschließen, denn wenn man die Dinge zu sehr an sich heranlässt, können sie einen verfolgen. Das passiert Billy Sutter mit dem Nachlass von Karlheinz. Der hat sein Leben seit seiner frühesten Jugend dokumentiert. Erst hat er in Stichworten in einem Tagebuch, aber später konnte er kaum noch etwas wegwerfen. Als sich Billy durch die Hinterlassenschaft arbeitet, lernt er nicht nur Karlheinz kennen.


    Karlheinz' Geschichte ist die eines Außenseiters. Er wuchs in einer Familie auf, in Regeln und der schöne Schein wichtiger waren als echte Zuneigung. Das prägt den Jungen, dessen erste Aufzeichnungen Billy findet. In ihnen geht es nur um Schulnoten, neue Anschaffungen, Situationen und immer wieder darum, besser dazustehen als die Anderen. Je älter Karlheinz wird, desto mehr notiert er und schafft sich so seine eigene Ordnung, in er er lebt.


    Es muss ein einsames Leben gewesen sein. Schon die Kindheit hat auf mich nicht so gewirkt, als ob Karlheinz echte Zuneigung erfahren hat. Er konnte seine Gefühle nicht mitteilen und ich habe auch nicht den Eindruck gewonnen, dass er sich ihrer überhaupt bewusst war. Deshalb wurden seine Erwartungen an seine Umgebung immer wieder enttäuscht. Er lebte mit seinen Eltern bis zu ihrem Tod zusammen, aber mehr aus Verpflichtung. Außer ihnen hatte er niemand.


    Auf mich macht es den Eindruck eines einsamen Lebens. Wahrscheinlich war sich Karlheinz dessen lange nicht bewusst, denn solange seine Eltern noch lebten, hatte er immer jemand um sich herum und musste nie lernen, auf andere zuzugehen. Seine Geschichte ist traurig, aber der Autor hat es nicht geschafft, sie mir nahe zu bringen. Sein Erzählstil ist langatmig, was zwar zu dem Leben passt, das er erzählt. Aber es hat die Lektüre auch zäh gemacht.

    2ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Liebe Grüße

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    Die britischen Bürger sollen heiraten, denn verheirate Menschen sind nicht nur glücklicher und gesünder, sondern auch ein wertvoller Teil der Wirtschaft. Deshalb erlässt die Regierung ein Gesetz, das Ehepaaren Vorteile verschafft. Alles, was das Paar tun muss, ist einen Smart-Marriage-Vertrag zu unterschreiben. Der garantiert ihnen eine bessere Ausbildung für ihre Kinder, höhere Löhne, bessere Kredite und Wohnungen in den besten Vierteln.


    Auf den ersten Blick bietet der Vertrag nur Vorteile und über die Nachteile machen sich die Paare keine Gedanken. Aber sie gibt es. Das muss ein scheinbar glückliches Paar erfahren, das plötzlich einen Therapeuten an die Seite gestellt bekommt. Eigentlich sollte der nur einige Zeit bei ihnen wohnen, um ihnen wieder beizubringen, ein Paar zu sein. Aber insgeheim verfolgt er andere Pläne. Eine biedere Hausfrau startet als Vloggerin durch, aber ihr Erfolg geht auf Kosten ihrer Familie. Und für ein altes Paar bedeutet der Vertrag und die ständige Beobachtung, dass ihre gemeinsame Zeit gefährdet ist.


    Der Preis für die Privilegien ist hoch. Paare, die den Vertrag unterschreiben, stehen unter permanenter Beobachtung. Die ist so subtil, dass man sie gerne vergisst. Genauso wie der Autor mich immer vergessen lässt, dass der Marriage Act nur seiner Fantasie entsprungen ist. Vieles wirkt anfangs sehr real, bis ein Punkt überschritten wird und die Geschichte sich ins Surreale verkehrt. Die Charaktere haben mir gut fallen, die meisten sind mit sehr spitzer Feder beschrieben. Aber da, wo es darauf ankommt, lässt er die Spitzen weg. Wie schon das letzte Buch von Johne Marrs hat mir auch das gut gefallen.

    4ratten


    Liebe Grüße

    Kirsten